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Zeitschrift für christliche Kunst — 5.1892

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Justi, Carl: Die Heiligen Maria Magdalena und Agnes von Ribera und Giordano
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https://doi.org/10.11588/diglit.4357#0011

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1892.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 1.

sind völlig verwandelt. Diese Augen, durch Er-
weiterung des Weifsen beweglicher, blicken glück-
lich, aus den weichen Lippen spricht nicht mehr
Wille und Kampf, sie athmen nur Empfindung.
Die Formen sind jugendlicher: die Nase, dort
gradlinig und stark, hat eine sanfte Biegung, das
Oval ist feiner: so müfste sie vor den Verirrungen
ihrer Jugend ausgesehen haben, so erscheint sie
nun wieder, gereinigt durch des Todes Sühne.

Die Gruppe der Engelkinder in der Wolke
unten ist aufs genaueste, nicht blofs in den
Stellungen und Formen, auch in der festen Mal-
führung dem Vorbild entnommen. Es sind die-
selben Braun-, Schwarz- und Blondköpfe. Nur
zwei Embleme sind bedeutungsvoll versetzt.
Dort ragt der finstere Todtenkopf in den Hän-
den und über dem Haupt des Engels an der Spitze
der Gruppe rechts; hier ist er an den Genossen
unten gegen das Salbgefäfs vertauscht worden.
Das Sinnbild des Todes und der Bufse liegt
also jetzt zu ihren Fiifsen; triumphirend erhebt
sich das Symbol der Liebe, der viel vergeben
wurde. Die Riemen der Geifsel, dort drohend
über der Stadt schwebend, sind hier zurück-
gezogen. Kurz, das Bild der Ekstase der Ein-
siedlerin hat sich in das Bild der Verklärung
verwandelt, eine Apotheose der Magdalena.

Wer war es, der diese Wandlung vorgenom-
men hat? Wer ist der Maler des Bildes?

Unser Bild stammt aus Spanien, eine Zeit
lang war es in englischem Besitz. Seit es auf
der Wanderschaft ist, sind mehrere grofse Namen
an ihm versucht worden; zuletzt Murillo. Von
ihm ist bekannt, dafs er Studien nach Ribera
in den königlichen Schlössern gemacht hat, in
seinen früheren Werken, den Hirten, der Engels-
küche (im Louvre) hat man deren Spuren ge-
funden. Aber an Murillo ist nicht zu denken,
ebensowenig an eine eigenhändige Wiederholung
des Meisters selbst. Das Bild macht sofort den
Eindruck eines Malers, der eine völlig von jenen
abweichende Manier hat; der nicht gewohnt ist,
Kopien anzufertigen, der also irgend einem
Gönner zu Gefallen diese Wiederholung unter-
nahm, in der möglichst treuer Anschlufs mit der
eben geschilderten Umwandlung vereinigt wer-
den sollte. In dem neu hinzugefügten Theil, der
Glorie mit den Seraphim, wo er ganz auf sich
selbst angewiesen war, mufste er sich verrathen.
Die Zeichnung ist flüchtig, nicht ohne Fehler
(das Ohr des obersten in der Ecke links sitzt
zu hoch); im Hintergrund kommt eine äufserst

breite, an Fresko gewöhnte Faktur zum Vor-
schein; die Engelsköpfe im Licht sind in Rosa-
tönen skizzirt, die man dann auch in den ge-
nauer gezeichneten Figuren unten bemerkt, in
Nase und Mund, Fingern und Füfschen. Das
Formgefühl ist weichlicher: der Uebergang vom
Hals zur Schulter, bei Ribera durch einen An-
satzwinkel markirt, bildet hier eine sanfte Kurve.
Dem Verfasser, als er das Bild sah, kam
nach wenigen Augenblicken der Name Luca
Giordano in den Sinn, und zwar auf Grund
der Malweise einzelner Theile. Spagnoletto
war sein Lehrer; er hatte neun Jahre dessen
Unterweisung genossen, ohne Zweifel ihn auch
in ausgiebiger Weise bei Ausführung seiner Sachen
unterstützt, der bei lebhafter Nachfrage vieler
Hände bedurfte. „Er hatte", erzählt Palomino,
„damals schon Sachen eigener Erfindung gemalt,
die Originale seines Lehrers schienen; wie er
auch im Laufe seines Lebens verschiedentlich
Gemälde in dessen Nachahmung machte, welche
den schärfsten Richter in Zweifel und den besten
Kenner beim ersten Anblick schwanken lassen."
Dafs Palomino hier keineswegs übertreibt, lehren
manche Benennungen unserer grofsen Galerien.
Wie viele Gemälde Giordano's haben lange für
Ribera gegolten und tragen noch jetzt seinen
Namen: z. B. der Tod des Seneca in der Pina-
kothek zu München, und vielleicht auch der
hl. Andreas; die Grablegung Christi in der
Galerie zu Oldenburg (44), der Segen Jakobs
in der Galerie Harrach. Giordano könnte das
Bild auch während seines Aufenthaltes in Spanien
(1092—1702) gemalt haben. Dorthin war er in
seinem sechzigsten Jahre einem königlichen Rufe
gefolgt, um ausgedehnte Plafondmalereien in der
Kirche und im Treppenhause des Escorial aus-
zuführen. Nach Erledigung dieser Arbeiten weilte
er noch lange am Hofe in Madrid, wo er sich
der Gnade des Königs Karl IL und seiner Mutter
Marianne von Oesterreich in hohem Mafse zu
erfreuen hatte. Oefters wurde er zu kleineren
Staffeleibildern veranlafst; denn es war äufserst
unterhaltend ihm zuzusehen, besonders wenn er
sich dabei in die berühmten Maler der Vergangen-
heit verwandelte, die man dort so gut kannte.
Seine Anpassungsfähigkeit war ebenso erstaun-
lich wie seine Erfindungsgabe. Die Zeit die er
nöttiig hatte, ein mäfsiges Oelbild zu konzipiren,
zu skizziren und zu vollenden, entsprach gerade
dem Mafse der Geduld eines fürstlichen Be-
suchers. „Ihr seid der wahre Maler für Könige",
 
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