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Zeitschrift für christliche Kunst — 5.1892

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Hermeling, Gabriel: Zwei neue Bischofsstäbe in goth. Stile
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https://doi.org/10.11588/diglit.4357#0031

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1892.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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sechsseitige Kern dieser Kapelle, etwas über die
Endblumen der Giebel des Baldachins hervor-
ragend, schliefst mit einem profilirten Zinnen-
kranze ab, aus welchem die Krümme heraus-
wächst, ohne dafs der Uebergang irgendwelche
Störung verursachen könnte. Die Krümme, in
reichem Profil, hat zu beiden Seiten Flächen,
denen als Dekoration zwei Inschriften dienen,
welche in erhaben gravirten gothischen Minus-
keln auf kreuzweise schraffirtem Untergrunde
jene sehr wirksam beleben. Die Vorderseite
zeigt die Inschrift: altrahe per primum \ me-
dio rege \ punge per imum -j-, die Rückseite
den Wahlspruch des hochw. Herrn Weihbischofs:
„Omnibus prodesse, obesse nemini". Der Rest
der sich verjüngenden Fläche ist in gleicher
Technik mit streng stilisirtem Laubornament be-
lebt. Ein stark profilirter Knopf schliefst diesen
Theil der Krümme ab und vermittelt das in er-
habenen Laubornamenten einfach gegliederte,
in zwei Theile zerlegte letzte Ende derselben.
Die Aufsenseite der Krümme beleben in glück-
lich getroffenen Abständen Krabben, die ganz
aus Blättern gebildet je eine glatte Amethyst-
kugel umschliefsen und sich nach dem Ende
der Krümme regelmäfsig verjüngen. Wirkungs-
voller, solider und einfacher wäre diese Lösung
wohl nicht zu erreichen gewesen und der Effekt
ist in der That überraschend. Auf dem vorhin
erwähnten stark profilirtem Knopfe steht eine
Konsole mit einer Mandorla, deren beide Sei-
ten ein sehr hochreliefirtes silbernes Marienbild
schmückt, dem eine Madonna des Essener
Schatzes als Vorbild diente.

Als ein Gegengewicht zu den äufsern Krabben
am unteren Ende der Krümme, auch zur Aus-
füllung des Zwickels, der sich immer etwas un-
dekorativ an diesem unteren Ende und dem Ende
der Krümme bildet, habe ich auf einer kleinen
Konsole die knieende Figur eines Bischofs an-
gebracht und auf einer andern daneben befind-
lichen die stehende Figur des hl. Antonius von
Padua, als des Namenspatrons des hochw. Herrn,
welche durch ihre Stellung andeutet, dafs sie den-
selben seiner Schutzpatronin, der Gottesmutter,
ganz besonders empfiehlt. Die emaillirten Wap-
pen des Bischofs und der Stadt Essen haben
unterhalb der Konsolen ihre Stellen gefunden.

Wenn nun dieser Stab schon viel des Sin-
nigen zeigt, wenn schon hier der Technik nicht
immer leichte Aufgaben gestellt waren, so tritt
doch Alles gegen den zweiten Stab weit zurück.

Die Röhren der untern Theile dieses Stabes
durfte ich keineswegs mit nur gravirten Orna-
menten etc. verzieren; hier mufste ich die in
der Regel kräftigern Eindruck machende Treib-
technik anwenden und zwar derart, dafs der
unterste Theil doch noch immer nicht so kräftig
gegliedert wurde wie der oberste, also nach oben
eine stufenmäfsige Zunahme erfolgte. An das
oberste Ende dieser drei Röhren schraubt sich
der letzte Theil des Stabes mit seinem reichen
Kapellenkranze und seiner Krümme an und hier
mufste ich Alles anbringen, was dem Stabe seinen
bevorzugten Werth geben, was ihn dem Ge-
feierten ganz besonders lieb und werth machen,
was nach Jahrhunderten noch erkennen lassen
sollte, für wen und aus welcher Veranlassung
der Stab entstanden sei, auch wenn keine In-
schrift es zum Ausdrucke brächte. Das Ende
des eigentlichen Stabes, dieser letzte Theil der
Röhre, zeigt uns auf sechs horizontalen Streifen
die Widmung in gravirter Arbeit. Diese Band-
streifen sind durch je vier Vierpässe von ein-
ander getrennt, welche reich profilirt sind und
in deren Tiefe die Diözesanwappen von Pader-
born und Köln abwechseln. Der weifse Grund
der Zwickel zwischen diesen Vierpässen, auch
der weifse Grund des Kölner Diözesanwappens
vermitteln hier mit seltenem Glücke den Ueber-
gang von dem silbernen und nur durch drei ver-
goldete Ringe unterbrochenem Stabe in dessen
reich vergoldete und emaillirte Bekrönung. Das
die Röhre abschliefsende Kapital, dessen Grund-
form ich einem alten österreichischen Muster
entnahm, zeigt in seinem unteren Theile den
Wahlspruch des hochw. Herrn: „Vcritas et Ju-
dicium" in sehr kräftigen, hochgelegenen Minus-
keln auf kreuzweise schraffirtem Untergründe,
darüber zwölf kleine Rosetten, in deren Mitte
Lapislazuli-Kügelchen. Dieses Kapital trägt
auf seiner oberen Deckplatte einen Kranz von
drei sechsseitigen Kapellen, deren zwei vordere
Seiten offen, die beiden Nebenseiten mit reichem
aufs feinste durchbrochenem Mafswerk ge-
schlossen sind. Abgeschlossen mit spitzen Giebeln
bieten sie mit den zwischenstehenden Strebe-
pfeilern, den drei Figuren St. Petrus für Köln,
St. Liborius für Paderborn und Maria imma-
culata ein so wechselvolles, dazu so elegant und
leicht wirkendes Bild, wie ich es nur wünschen
konnte. Dabei gelang es mir, die Konstruktion
so herzustellen, dafs die säuberst ausgeführten
Details und Fialen immer noch sehr geschützt


 
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