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Zeitschrift für christliche Kunst — 5.1892

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Steinbrecht, Conrad Emanuel: Kreuzkapellchen zu Gnojau, Kreis Marienburg (Wpr.)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4357#0137

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205

1892.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 7.

206

hundert Jahren aufser Brauch stehend — noch
viel von seiner ursprünglichen Einrichtung er-
kennen läfst. Es hat 1,90 m im Geviert, mifst bis
zur obersten Spitze 6,30 m und enthält zwei Ge-
schosse, welche ihre Hauptöffnungen dem spitzen
Winkel der Wegescheide zukehren.

Zum Unterbau führt ein niedriger Eingang.
Die Spuren eines Verschlusses — einer Thür,
eines Gitters — fehlen gänzlich. Im Pfeiler rechts
von der Oeffnung ist ein Holzrahmen einge-
mauert, welcher oben einen Blechbeschlag mit
Münzeinwurf zeigt. Das Schiebkästchen dazu
— der Spendensammler ■— ist nicht mehr vor-
handen. Die erwähnte Eingangsöffnung liegt
ihrerseits in einer gegliederten, im gekehrten
Spitzbogen überdeckten Wandblende. Rechts
und links über dieser Blende sind viereckige
Nischen ausgespart, die wohl zum Hineinstellen
von Blumenschmuck dienen sollten.

Das Innere des Unterbaus schliefst mit einem
zierlichen Gewölbe, doch setzen dessen scharfe
Grate recht unvermittelt über vier Eckvorlagen
auf. Gewölbe und Wände sind in einer etwas
handwerksmäfsigen Weise, aber doch wirkungs-
voll mit Blättern und Ranken bemalt. Neben
dem Schlufsstein des Gewölbes scheint ehemals
ein Haken gesessen zu haben, doch wohl zum
Aufhängen eines Lämpchens. Auf der Rück-
wand befand sich eine Nische; leider aber ist
hier das Mauerwerk muthwillig ausgebrochen,
so dafs nicht mehr festgestellt werden kann, ob
sich an dieser Stelle ein Altärchen angebaut
befand, wie das bei solchen Bauwerken wohl
vorkommt.

In beiden Seitenmauern des Räumchens be-
finden sich kreisrunde Löcher, durch welche von
den getheilten Wegen her der Einblick möglich
war und vielleicht Nachts dem Wanderer das
Licht entgegenschimmerte. Auch diese beiden
Seiten sind nach aufsen mit Nischenwerk um-
schlossen, und sogar noch besonders ausgeziert
mit gothischem Nasenwerk, welches etwas ur-
wüchsig aus dem Mörtelgrund herausgeformt ist.

Der Unterbau schliefst aufsen mit Putzfries
und zierlichem Gesims ab. Darüber baut sich
ein zweites Geschofs auf, welches tonnenförmig
überwölbt ist und sich nach vorn im Rundbogen
öffnet. Diese Oeffnung ist in halber Höhe durch
einen Flachbogen getheilt, welcher keine kon-
struktive Bedeutung hat und daher nur dem
Zweck dienen konnte, durch Zerlegung der Oeff-
nung die Gelegenheit zur Aufstellung von Bild-

werk zu vermehren. Der Raum dahinter ist
schmucklos, nur nach einer Seite hin besitzt er
zwei schmale Lichtschlitze, welche allenfalls ge-
statteten, hinter dem Bildwerk zu hantiren.

Ueber das obere Gewölbe ist in spitzbogiger
Form ein zweiter Gewölbering gelegt, welcher
zugleich den Dachschutz abgibt. Auf der Trauf-
seite unterbrechen drei zinnenartige Pfeilerchen
die Dachgewölbefläche und auf der Firstmitte
erhebt sich eine reichere Abschlufskrone.

Nachrichten über die Errichtung des Bau-
werks fehlen. In späteren Visitationen wird es
als Kreuzkapellchen erwähnt. Seinen Formen
nach entstand es um die Zeit von 1400. —
Seit beinahe 500 Jahren ist nun an demselben
nichts gebessert und noch stehen — abgesehen
von einigen gewaltsamen Eingriffen unten — alle
Bautheile fest da, selbst die aus einzelnen Back-
steinen zusammengesetzten leichten Krönungen!
Wer möchte solche Widerstandskraft unsern
Maschinensteinen und künstlichen Cementen zu-
trauen?! Vor solchem Stück mittelalterlichen
Ziegelmauerwerks mufs uns der Neid aufgehen
um die sorglose Zuverlässigkeit der früheren
einfachen Baustoffe, und man könnte der Patent-
sucht gram werden, welche uns auch auf diesem
Gebiete mit immer neuen Erfindungen und Ge-
heimmitteln beglückt und selbständiges Denken,
natürliche Sicherheit damit im Handwerk oft
untergräbt.

Auch in den Formen ist alles mit den ein-
fachsten Mitteln erreicht: nur drei Arten Form-
steine, gewifs Ueberbleibsel von einem grös-
seren Bau, finden sich verwendet und gewifs
stammt das ganze Werk aus bescheidener Hand-
werker Erfindung.

Man sieht, wie Bedeutendes im Mittelalter
die Maurerkunst zu leisten vermochte und wie
jene Zeit auch in diesem Zweig in Folge ihrer
handwerklichen Tüchtigkeit unserm gepriesenen
Zeitalter an künstlerischer Erfindung und an
dauerhaften und doch billigen Leistungen viel-
fach überlegen war; — denn der Erfahrungs-
schatz, welchen früher jedes Mitglied einer Kunst-
und Handwerksgemeinschaft erbte, mufs jetzt bei-
nahe für jede Einzelaufgabe von neuem erwor-
ben werden.

Das ehrwürdige Denkmal verdient alle Theil-
nahme. — Es gibt ein anmuthiges Bildchen ab:
dieser schönrothe, theilvveise mit Mosen versil-
berte Backsteinbau unter den schattenden Bäumen.
Marienburg. Steinbrecht.
 
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