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Zeitschrift für christliche Kunst — 5.1892

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Schnütgen, Alexander: Glasgemälde der ehemaligen Sammlung Vincent in Konstanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4357#0237

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Abhandlungen.

Glasgemälde der ehemaligen Samm-
lung Vincent in Konstanz.

Mit Lichtdruck (Tafel XI).

ls vor mehr denn Jahresfrist
die Versteigerung der be-

ll rühmtenSammlungYincent
üi in Konstanz bevorstand,
habe ich in dieser Zeit-
schrift (Bd. IV Sp. 169/70)
auf deren reiche Schätze, namentlich auf die
kostbaren Glasgemälde hingewiesen und auf
einer Lichtdrucktafel sechs hervorragende Exem-
plare der letzteren vereinigt. Längst sind diese
Schätze in alle Welt zerstreut, manche zu bis
dahin unerhörten Preisen. Vieles hat seinen
Weg in die öffentlichen Sammlungen gefunden,
die von ihren Verwaltern gerne als die ultima
ratio betrachtet und bezeichnet werden. Aber
auch die Privatsammler haben sich mancher
und gerade der besten, wenigstens der theuersten
Stücke, bemächtigt. — Dank den vortrefflichen
photographischen Abbildungen, welche für die
lllustrirung des Kataloges von den besten Gegen-
ständen, namentlich von den gemalten Scheiben,
genommen waren, ist es auch jetzt noch möglich,
diese als Belehrungsmaterial zu verwerthen. Ich
führe daher den Lesern auf der nebenstehenden
Lichtdrucktafel vier Glasgemälde vor, welche
aus einer Serie herrühren. Sie sind zwar an
Zeichnung und farblicher Stimmung, auch an
Integrität, den sechs obenerwähnten Scheiben
nicht ganz ebenbürtig, haben aber vor ihnen den
Vorzug, in mustergültiger Anordnung Szenen zu
enthalten, welche für den kirchlichen Gebrauch
häufig begehrt werden. — Nr. 1 stellt unter einem
ganz dekorativ gehaltenen spätgothischen Balda-
chin, der auf zwei Säulen ruht, die Anbetung
der drei Könige vor, eine Szene, die aus sechs
in den schmalen Raum vortrefflich hineinkom-
ponirten Personen besteht. Diese sind sehr be-
stimmt in den Linien, ausdrucksvoll in den
Köpfen und so geschickt gruppirt, dafs sie voll-
ständig zur Geltung kommen und auch für das
gerade bei den Glasgemälden sehr wichtige, weil
zu den farbigen Effekten so wesentlich bei-
tragende Beiwerk im Hintergrunde: Architektur,

Landschaft u. s. w. noch Raum genug übrig lassen.
— Nr. 2, welches den auferstandenen Heiland
zeigt, wie er seiner hl. Mutter erscheint, ist von
einem ganz phantastisch behandelten Laub-
baldachin bekrönt. Durch das Fenster des Hinter-
grundes machen sich die noch auffallend stark
stilisirten Wolken bemerkbar und in einer Neben-
öffnung erscheint, diese sehr geschickt ausfüllend,
über dem Altar ein Engel. Halb sitzend halb
knieend empfängt die Gottesmutter mit gefalle-
nen Händen den Segen ihres mit der Sieges-
fahne geschmückten Sohnes. Sehr lehrreich ist
die Art, wie die Bleie angebracht sind, sowohl
diejenigen der Hauptkonturen, welche die Figu-
ren in grofser Bestimmtheit vom Grunde abheben,
wie die sogen. Nothbleie, welche einen gröfseren
Komplex einheitlicher Farbe bewirken müssen,
wo hierfür ein einziges Glasstück nicht vorhan-
den oder nicht passend war. Die Unterschrift
Virgilli Hofer wird wohl den Stifter dieser
Scheibe bezeichnen. — Nr. 3 stellt unter einer
originell komponirten Baldachinbekrönung die
Himmelfahrt des Heilandes vor, einen für ein so
kleines und schmales Fenster sehr schwierigen
Vorwurf. Im Vordergründe knieen Maria und
Johannes als gut gezeichnete Gewandfiguren.
Zwischen ihnen ist der Oelberg bemerkbar, zu
dessen Seiten die übrigen Apostel sich überein-
ander gruppiren bis nahe an die Fiifse des Hei-
landes, der sich eben von dem Gipfel erhoben
hat und nur noch mit dem Untertheil seines Ge-
wandes aus den Wolken herausragt. — Nr. 4 zeigt
vor der scheibenförmigen Strahlenmandorla in
reichem faltigen Gewände die Gottesmutter,, wie
sie mit ihren Händen das ganz unbekleidete Kind
trägt. Ihre Füfse stehen auf dem Monde. Wild-
bewegte Wolken beleben in strenger Stilisirung
den Hintergrund, aus dem oben zwei sehr flott
gezeichnete Engel heraus schweben. Diese halten
unmittelbar über dem Haupte der h. Jungfrau eine
sehr reich gestaltete Bügelkrone. Dieses hübsch
komponirte und sorgsam durchgeführte Glasbild
dürfte sich sehr für die Nachbildung empfehlen
mit Einschlufs der sinnigen Unterschrift:
Circum amicta sole,
nos p(ro)tege cum tua prole.

S c hnütgen.
 
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