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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Kleinschmidt, Beda: Eine Elfenbeinschnitzerei mit der Himmelfahrt Mariä aus der sog. Metzer Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0015

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Abhandlungen.

Eine Elfenbeinschnitzerei mit der

Himmelfahrt Maria aus der sogf.

Metzer Schule.

(Mit Abbildung.)

[n dieser Zeitschrift1) konnte ich vor
einiger Zeit eine längst bekannte Elfen-
beinschnitzerei, den prächtigen Heri-
bertkamm im Kunstgewerbemuseum
zu Köln, welchen man bis dahin in
Sachsen entstanden glaubte, der Elfen-
beinschnitzschule von Metz zuweisen.
Heute bin ich in der Lage, ihr ein
bis jetzt gänzlich unbekanntes Stück hinzu-
zufügen, das ikonographisch von seltenem
Werte ist. Es ist eine rechteckige Platte von
11 cm Höhe und 8,5 cm Breite, die vor einiger
Zeit in die Sammlung des Domkapitulars
Schnütgen überging. Ich sah sie vorüber-
gehend bei Pfarrer Wurm in Brakel, dem ich
auch die Photographie für unsere Abbildung
verdanke.

Geschmückt ist die Platte mit der Auf-
nahme der Gottesmutter in den Himmel.
Die figürliche Darstellung ist umgeben von
einem schlichten Blattornament, das sich auf
den vier Seiten gleichmäßig wiederholt; in
der Ausführung desselben zeigt sich rechts
und links eine geringe Verschiedenheit. Von
den Figuren ist das Ornament durch eine
streifenförmige Umrahmung getrennt. Die
Darstellung zerfällt in zwei Szenen, die zu
einander in Beziehung stehen. Unten sieht
man zehn Figuren, in deren Mitte sich eine
weibliche Person befindet, es kann wohl nur
Maria inmitten von zehn Aposteln sein. Sie
trägt, wie auch sonst in der Regel, Tunika,
Mantel und Kopfschleier, außerdem ist sie
mit Schuhen bekleidet, während die Apostel,
wie häufig, barfuß gehen. Sie treten in der
antiken Tracht auf, in Tunika und Pallium.
Hinter den Aposteln zieht sich quer über die
Tafel in fast gleicher Höhe ein palisaden-
artiger Abschluß hin, dessen einzelne Teile
oben halbkreisförmig endigen. Es sind Wolken,
die den Himmelsraum andeuten, in welchen
Maria emporschwebt. Hier wird sie von einer
Hand erfaßt, die zwischen zwei eigentümlichen

1) Jahrgang 20 (1907) 35 ff.

Wolkengebilden hereinragt. Maria, jetzt in
Tunika und kurzem Schultermantel, trägt ein
bandartiges Diadem, unter dem das Haupt-
haar in drei langen Strähnen tief herabhängt.
Der eine Tunikaärmel ist durch seine natür-
liche Schwere herabgeglitten und legt sich in
Falten, so daß der ganze Oberarm entblößt
ist. Die heilige Jungfrau schwebt mehr in
leichter, gefälliger Weise empor, als daß sie
emporgezogen wird. Zu beiden Seiten befindet
sich ein Engel mit mächtigen Flügeln, der zu den
Aposteln herniederschaut und mit der Rechten
nach den himmlischen Höhen weist, wohin
Maria emporsteigt Über ihnen schweben auf
Wolken zu beiden Seiten der göttlichen Hand
je zwei Engel in halber Gestalt. Wie ihre beiden
Gefährten tragen sie um das Haupthaar eine
Binde. Zum Zeichen der Freude und der
Begrüßung haben sie die rechte bezw. linke
Hand weit geöffnet.

Die Platte diente ursprünglich wohl nicht
als Buchdeckel, wogegen ihr geringer Umfang
spricht, sondern scheint der eine Teil eines
Diptychons zu sein. Sie ist durch langen Ge-
brauch stark abgenutzt, so daß die Gesichtszüge
einzelner Personen kaum noch sichtbar sind.

Über das Alter und die Herkunft der Arbeit
konnte von Anfang an kein Zweifel obwalten.2)
Sie gehört der ottonischen Periode an, etwa
der Mitte des X. Jahrh. und stammt aus der
zuerst durch Paul Clemen näher bestimmten
Elfenbeinschnitzschule von Metz,8) aus welcher
uns eine große Anzahl Werke erhalten ist.
Unter ihnen sind mehrere Buchdeckel mit
der Kreuzigungsgruppe und Ekklesia und Syna-
goga am bekanntesten,4) sie befinden sich heute
teilweise in der Nationalbibliothek zu Paris,
das schönste Stück mit dem Bildnis des Erz-
bischofs Adalbero (f 964) ist im Musum zu Metz.
Dieser ersten Gruppe, welche sich durch die
sichere und leichte Kompositionsweise, die

2) Um auch das Urteil von Fachmännern kennen
zu lernen, legte ich die Photographie zweien der besten
Kenner der frühmittelalterlichen Elfenbeinplastik vor;
beide erklärten die Platte unabhängig von einander
als eine Arbeit der Metzer Schule, einer wies sie den
Ausläufen zu.

3) „Merovingische und karolingische Plastik", in:
»Bonner Jahrbücher«, 1892, S. 125.

4) Weber, »Geistliches Schauspiel«, (Stuttgart
1894), S. 21 f.
 
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