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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Oidtmann, Heinrich: Die Glasgemälde des Obergadens im Hochchor des Kölner Domes, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0076

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99

1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

100

Die Glasgemälde des Obergadens im Hochchor des Kölner Domes.

j (Mit Abbildung.)

roßzügigkeit in der Erfindung,
Zweckmäßigkeit in der Anlage,
richtiger Maßstab in der Zeichnung,
gesunder Geschmack in der Farben-
wahl sind den tüchtigen Künstlern allzeit
geläufig gewesen, da ihnen volles Verständnis
für die Verhältnisse eines Bauwerkes und
für die Erfordernisse seiner Innenaus-
stattung gewissermaßen angeboren war. Vor-
übergehende Nichtbeachtung dieser Voraus-
setzung hat der Glasmalerei der Spätzeit den
Vorwurf künstlerischer Unzulänglichkeit ein-
getragen, ein Menschenalter hindurch mit
Recht, denn alle Zeitabschnitte haben den
Geist des farbigen Fensterschmucks besser
verstanden als die „wiedererstandene" Glas-
malkunst des XIX. Jahrh., die erst zwei
Jahrzehnte vor der Wende zum XX. die ur-
sprüngliche Eigenart ihres Kunstzweiges erfaßte.
Die farbensatten Fenstermosaiken des Mittel-
alters dagegen, meist sinnreich im Gedanken,
vereinigen zweckentsprechende Anordnung
mit bestimmter Sicherheit der glasmalerischen
Durchführung. An jenen Werken offenbart
sich eine zielbewußte Kühnheit, um diemancher
Zeitgenosse die alten Meister beneiden dürfte.
Dabei konnten die mittelalterlichen Zeichner
nicht aus dem Vollen einer Jahrhunderte alten
Vergangenheit schöpfen, nicht zahlreiche Er-
fahrungen und Errungenschaften ausnutzen, wie
unsere heutigen Künstler, die, auf den starken
Schultern unzähliger Vorläufer stehend, sich stolz
recken und sich selbstbewußt ihrer doch lediglich
durch die Vorarbeiten der Alten ermöglichten
Reife des Blickes und der Auffassung rühmen.
Ein außergewöhnlich befähigter Meister
angewandter Raumkunst, nicht etwa bloß
bezüglich der Eingliederung seiner Schöpfungen
in den Rahmen des gewaltigen Bauwerks,
sondern nicht minder in der Farbenwahl und
Lichtverteilung tritt uns in dem Glasmaler
entgegen, aus dessen Werkstätte die fünfzehn
Hochfenster des Kölner Domchores hervor-
gegangen sind. Mit bewundernswertem Ver-
ständnis hat er den richtigen Maßstab der
großartigen Verhältnisse des ihm angewiesenen
Wirkungsfeldes erfaßt, mit unvergleichlichem
Geschick die Lösung der schwierigen Aufgabe
bewerkstelligt, so daß die Glasfenster, wie
schon Kugler anerkannte, „als Füllung der

großen, majestätisch aufstrebenden Baumassen
das architektonisch-dekorative Gefühl vollkom-
men befriedigen", daß sie „in der Tat eine
feierliche Größe offenbaren". Weitreichende
Wirkung zu erzielen, diese unverkennbare Ab-
sicht ist dem leider unbekannten Meister vor-
züglich gelungen.

Die gegenwärtige Verfassung der Pracht-
werke rechtfertigt einen geschichtlichen
Rückblick, eine beschreibende Übersicht
des derzeitigen Zustandes, eine Würdigung
ihres künstlerisch e n Wertes, endlich sach-
verständige Vorschläge zu einer unabweisbar
notwendigen Instandsetzung. Außer einer
das Farbenspiel und die Lichtdurchlässigkeit
erhöhenden, sorgfältigen Reinigung verlangt
drohende Gefahr für den Bestand recht baldige
Neufassung zahlreicher Felder; unverantwort-
liche Verzögerung könnte unersetzliche Verluste
nach sich ziehen.

Geschichtliches. Die zuweilen heute
noch irrtümlich in das Ende des XIII. Jahrh.
gesetzten Glasmalereien der Chor- und
Umgangfenster sind, mit Ausnahme zweier
älterer in den bereits 1297 ziemlich voll-
endeten Kapellen, innerhalb der Jahre
1317 bis 1320 angefertigt worden, wenngleich
die Strenge des Stils und die einfache Art
der Technik eine frühere Zeitbestimmung ge-
statten würden. Die Hochfenster wurden
allenthalben für ein Weihegeschenk der edlen
Herren gehalten, die. am 5. Juni 1288 in der
denkwürdigen Schlacht bei Worringen den
Erzbischof Siegfried von Westerburg (1275—
1297) besiegten. Diese irrige Ansicht fußte
schlechthin auf den in den Sockelfeldern
angebrachten Wappenschilden auswärtiger
Grafengeschlechter sowie mehrerer Kölner
Patrizierfamilien. Trotz der offenbaren Un-
wahrscheinlichkeit, daß das Domstift eine
Schenkung genehmigt haben könnte, die un-
mittelbar zum Andenken an die Niederlage
eines Erzbischofs, an den Zusammenbruch
seiner weltlichen Macht über die Stadt errichtet
werden sollte, konnte jene falsche Meinung
sich ohne jegliche Unterlage lange Zeit hin-
durch behaupten, bis im Jahre 1855 Leopold
Eltester1), königlicher Archivar zu Koblenz,

') Leopold Eltester. iDic Stiftungen der ge-
malten Fenster im l.ohen Chore und nördlichen Seiten-
 
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