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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Tepe, Alfred: Kleine Erinnerungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0102

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143

1909.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

144

liches Leben. Hochbeladene Zolderschuitten
große mast- und steuerlose Flachkähne — wurden
von dem abwechselnd links und rechts auf-
und abgehendem Schiffer mit
dem gegen die Schulter ge-
stemmten „boom" — Baum —
flott durchs Wasser geschoben.
Auch die Schiffe der Binnen-
fahrt auf Kanälen und Flüssen,
Y- und Zuiderzee, die Tjalken
und Koggen erschienen in der
Stadt und zeigten die breite
Brust, die kräftigen Flanken mit
ihren „Zwaarden" = eiförmigen
Schildern, die Hinterseite mit
dem großen Steuer und den
freundlichen Kajütenfenster-
chen. Alles braun geteert, nur
das Schnitzwerk am Bug und
Steuerbaum mit Gold und Farbe
hervorgehoben. Wenn zwischen
zwei Brücken angehalten wurde,
so erhob sich der Mast mit
Wimpel und Takelage aus seiner
liegenden Stellung, das lose
Plankenverdeck des Lade-
raumes konnte abgehoben und
die Ladung gelöscht werden.
Wie häufig legten sie an, uns
gegenüber, Tjalken sowohl als
Flachkähne; denn unser vis-
a-vis bestand aus fünf großen
Packhäusern: den Groenland-
schen Pakhuizen mit hübschen
Treppengiebeln und dem großen
und kleinen „Slokop" daneben.
Alle zeigten dicht übereinander
sechs oder sieben Klappentüren
und rechts nud links kleine
Fenster, die entsprechenden
Söller zugänglich machend und
beleuchtend. Wenn nun die
Fahrzeuge angelegt hatten, er-
schien alsbald die Sackträger-
gilde. In die oberen Räume
wurden die Waren emporgehißt,
oft mit Hilfe eines auf- und
abtrottenden Pferdes. An die
unteren Luken wurden Leitern
gesetzt, die Träger entledigten
sich ihrer Oberkleider und
kletterten in gestreiften Brust-
röcken und roten oder blauen



Abb. 4. Haus in Yselstein

Abb. 5 Haus in Culenborg.

Flanellunterhosen, auf dem Nacken die schweren
Säcke im muntersten Tempo rastlos hinauf.
Im Herbst wurde dann der Stadt ihr
Wintervorrat an Torf zugeführt.
Da legten vor den Häusern die
hochbeladenen Torlschiffe an;
die Torfträgergilde wartete
schon, Männer und Frauen in
torffarbigen Gewändern. Die
Männer trugen dunkle Zipfel-
mützen, durchwirkt mit roten,
blauen oder weißen Streifen,
deren Anzahl, Rang und Funk-
tion des Trägers anwies. Eine
große Tonne wurde am Kairand
aufgestellt, mit leichten, hoch-
gefüllten Körben eilten die
Läufer über die Schiffsplanke
und schüttelten den Inhalt über
der Tonnenöffhung aus. Die
Weiber rafften die daneben-
rollenden Stücke auf und nach-
dem die Tonne gefüllt und
ordentlich gerüttelt war, wurde
sie über einer Anzahl zusammen-
gestellter Körbe wieder entleert.
Diese wurden, nachdem die
Weiblichen wieder ihres Auflese-
und Aufbauamtes gewaltet, von
den Kellerträgern in die unteren
Hausräume befördert. Eine der
Gildedamen notierte jede Tonne
vermittelst Kreidestrichs auf
ein schwarzes Brett; von einem
Angestellten des Hausherrn
wurde auf gleiche Art Buch
geführt bis die bestellte Anzahl
geliefert war.

Nicht am wenigsten inter-
essant schien uns die Kaffee-
pause, in welcher neben dem
reichlich fliessenden braunen
Trank eine Unmenge gleich-
falls vom Hausegelieferter Weiß-,
Schwarz- und Korinthenbrot-
schnitten in öffentlicher Sitzung
vertilgt wurden.

Neben diesen sämtlichen
Aktionen nahm das häusliche
Leben der Schifferfamilie in
aller Gemütlichkeit und Frei-
mütigkeit seinen Fortgang. Auf
dem Hinterdeck neben der
 
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