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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Witte, Fritz: Das religiöse Buch und der Buchschmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0122

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1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6

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künstlerisch, wenn man nicht schärferer Aus-
drücke sich bedienen will. Der Druck —
Lettern für Tageszeitungen, unruhig und das
Auge direkt verletzend, abgenutzt oft bis zur
Unleserlichkeit. Den Einband liefert der Ver-
lag oder im günstigeren Falle der Dorfbuch-
binder. Wir sagen mit voller Überzeugung:
„im günstigeren Falle-', denn der schlichte,
nichtssagende aber auch nichts sagen wollende
Einband, den der Dorfküster in seinem Neben-
amt als Buchbinder herstellt, ist immer noch
mehr wert, oder besser gesagt unschädlicher,
als der tausendfach gefertigte Goldpressungs-
deckel einer Fabrik mit seinen ungereimten
Linien und Schnörkeln.

Nun aber erst das Gebetbuch! Ich er-
innere mich aus den Tagen meiner ersten hl.
Kommunion, wo die Kinder sich ihr Gebet-
buch zeigten, das die Eltern oder der Pate
ihnen zur Erinnerung an den Tag geschenkt
hatten. Es war in der Regel der Einband
allein, bei wenigen Verständigen auch der In-
halt des Buches, die rühmend hervorgehoben
wurden. Da waren Bücher in schwarzem und
gelbem Einband, mit Goldpressung, mit Watte
gepolstert (!) und sogar solche, die mit einem
dünnen Celluloidblatt überzogen waren, wor-
auf ein goldenes Kreuz stand, oder ein ent-
stellter Kopf Christi oder der Gottesmutter
nach Guido Reni und Carlo Dolci gepreßt
war! Ein aufdringlicher Goldschnitt und ein
möglichst buntes Vorsatz- oder Titelbild ver-
vollständigte die Prachtfassung. Und ist es
nicht heute noch so? Als Messediener erhielten
wir vom Herrn Kaplan kleine Büchlein, worin
die Meßgebete standen und zu jeder Seite
eine Illustration, die in ihrer Art stark an
die Bilder erinnerten, die man auf den Jahr-
märkten sieht.

Wir gehen noch weiter! Welche Bedeu-
tung legt man heute der richtigen, plastischen
Fassung des Textes auch der Kinderbibel bei!
Mit vollem Recht! Aber hat man auch
hinreichend der Illustrationen gedacht, die
des Buches der Bücher Monumentalsprache
begleiten, an die überraschend große Bedeu-
tung, die diese Bilder für das Verständnis
des Textes beim Kindesherz haben, welch'
eminente Unterstützung sie dem Gedächtnisse
geben ? Ich könnte heute noch eine Reihe
der Bilder meiner ersten Schulbibel nach
dem Gedächtnis zeichnen; es war ja auch
mein erstes Buch, an dem ich meinen ersten

Farbenkasten erprobte, es war ja mein Bilder-
buch wie es das der anderen war, es war
das Buch, an dem wir unsere Augen
schulten, und weil die Bilder so schlecht,
war es auch unsere Schulung! Ich bin sicher,
daß ich auf der ganzen langen Linie unserer
Volksschullehrer und Lehrerinnen reichen Bei-
fall finde, wenn ich gewissermaßen das Kriegs-
beil ausgrabe und nach Abhilfe, nach ein-
schneidender Besserung rufe! Es wird die
höchste Zeit, das Bedürfnis ist lange vor-
handen. Es sind doch die Bücher unsere
ersten und treuesten Freunde, die uns be-
gleiten auf dem Weg ins Leben und weiter
auch durchs Leben; unsere guten, lieben
Freunde werden sie erst dann, wenn sie ein
Gewand tragen, das sie gut kleidet und ihrem
inneren Wesen angepaßt ist, das ihnen wieder
Wärme gibt und nach außen hin sich bemerk-
bar machendes Leben.

Sollte es sich da nicht lohnen, wenn man
höherenorts zunächst Schritte täte, helfend und
bessernd einzugreifen ? Wir möchten allen
Ernstes auch diese Frage einer eingehenderen
Erörterung beispielsweise auf den Katholiken-
tagen für würdig erachten, möchten gar be-
scheiden darum bitten, daß der hochwürdigste
deutsche Episkopat neben der Beratung über
die Textabfassung der religiösen Schul- und
Gesangbücher gleichzeitig auch deren künst-
lerische Ausstattung ins Auge faßte. Sollten
denn da die in Frage kommenden Verlags-
anstalten mit ihren Riesenbetrieben ein Hinder-
nis sein können? Jedenfalls kein unüberwind-
liches. Fehlt es uns an Künstlern, die der nicht
gerade leichten Aufgabe gewachsen wären?
Keineswegs! gerade heute haben wir manchen
in unseren Reihen, der für diese Aufgabe
geeignet wäre, der auch mit Freuden zugreifen
würde, bei einer so dankbaren Aufgabe mit-
arbeiten, der Volksseele nahetreten zu können.

Leicht ist die Aufgabe nicht, bedeutet das
Neue hier doch einen gründlichen, tiefen
Bruch mit der verknöcherten Tradition, und es
ist so manches Technische dabei zu erledigen,
auf das wir hier nur andeutend eingehen können.
Handelt es sich doch neben dem Inhalt der
religiösen Bücher, von dem wir hier ganz ab-
sehen wollen, ohnehin schon um ein Dreifaches:
Um die Art des Druckes, um die begleiten-
den Illustrationen und Zierleisten, schließlich
um den wahrhaft nicht unwichtigen Einband.
Wir wollen uns unsere Bücher schmücken, da-
 
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