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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Witte, Fritz: Das religiöse Buch und der Buchschmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0123

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1909. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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mit sie uns nicht nur klüger machen und er-
bauen, sondern auch schon durch ihre bloße
äußere Erscheinung erfreuen, uns nachdenken
helfen. Ihr Anblick soll in uns unmittelbares
Wohlgefallen hervorrufen, ganz abgesehen auch
von ihrem guten Inhalt. Durch ihren äußeren
Schmuck können und sollen unsere Bücher
erst zu einem unveräußerlichen Teil unserer
täglichen künstlerischen Umgebung werden —
auch die religiösen Bücher, und sie in erster
Linie, im Hause des Gebildeten wie des Un-
gebildeten.

Das, was der buchschmückende Künstler

— Künstler allein können wir hier gebrauchen

— als Erstes und Letztes im Auge haben
muß, ist die dekorative Ausschmückung als
ein Ganzes, die Kopfleisten, Randleisten,
Initialen, Majuskeln und Minuskeln, welche
dem Druck in Charakter und Typen sowie
der Illustration angepaßt sein müssen. Alles
das soll eine Zier, ein Rankenornament sein,
und doch auch eine tiefe, sinnige, fromme
Allegorie und Symbolik zugleich, die das
ganze Werk umhüllt wie mit einem Feier-
mantel, der den Inhalt als heilig vor seiner
Umgebung abschließt. Der buchschmückende
Künstler folgt dem poetischen Verfasser mit
seinen Illustrationen und Zierstücken, wie die
begleitende Harfe dem volltönenden Gesänge.
Und dieser Aufgabe unterliegen nicht an
letzter Stelle auch die Lettern; auch sie sind,
je einzeln, wie als Gesamtbild ein wesentliches
Stück des Buchschmuckes. Ruhig, ohne Er-
regung, ohne Überreizung der Augen durch
wilde Zerrissenheit und Verschnörkelung, soll
der Schriftsatz monumental gleichsam feststehen
und in seiner vertikalen Richtung mit der
notwendigen horizontalen, weichen Bindung
der einzelnen Lettern unter sich das Auge
langsam, ohne jede Hast weiterführen. Ruhe-
punkt, Absatz in der logischen Gedankenfolge
erfordert das Absetzen in der Linie und je
nach Bedeutung des bislang Gesagten oder
des noch Folgenden auch eine Hervorhebung
des neuen Abschnittes durch eine Majuskel
oder Initiale.

Und die Illustrationen ? Sie verfolgen den-
selben Zweck in untergeordneter Stellung;
nicht sie, der Text ist die Hauptsache und
gerade deshalb sollen sie auch den Text nur
begleitend illustrieren, nicht ihm vorgreifen,
indem sie mehr sagen und erzählen wollen,
als dieser selbst, oder gar durch Aufdringlich-

keit ihrer Linien und Farben bedeutsamer und
wichtiger erscheinen möchten, als der Kern
des Buches, der Text. Der alte, gute Holz-
schnitt war und bleibt ganz gewiß das geeig-
netste Ausdrucksmittel im Buchschmuck, da
er in seiner kräftigen, behäbigen Linienführung
dem Charakter der Lettern am meisten ver-
wandt ist. Unsere junge Kunst vor allem
ist das nüchterne Grau in Grau in allem
müde geworden und ruft nach Farbe; der
gesunde, anspruchslose Farbenholzschnitt mag
dem Wunsche Rechnung tragen, ohne dem
Inhalt des Buches Konkurrenz erwachsen zu
lassen bei intimer, dezenter Verwendung.
Auch das als „geduldig" so vielgerühmte
Papier ist sauber auszuwählen. Zäh, nicht zu
dick und möglichst etwas abgetönt, das sind
die drei Forderungen, die man an das Grund-
material des Buchdruckes stellen darf und soll.
Und nun zum Einband! Unsere Zeit-
schrift brachte Vorjahren (I, 193/202) eine Ab-
handlung über Einbände aus der Feder eines
Fachmannes; es handelte sich darin aber um die
äußere Ausstattung liturgischer Bücher, und in
dieser Hinsicht ist zweifellos mancher Erfolg
erstrebt und auch erzielt worden, wenn auch
in den letzten Jahren wieder ein bedenkliches
Überhandnehmen der schreienden goldge-
preßten Fabrikeinbände in Rot zu verzeichnen
ist. Für unsere Gesang- und Gebetbücher ist
so gut wie nichts geschehen.2) Und doch
wäre gerade hier ein guter und schneller Er-
folg zu erzielen in Anbetracht der reichen Fülle
des Buchbindermateriales (Metall, Holz, Leder,
Papier), und eine unbegrenzte, herrliche Per-
spektive für die kunsthandwerkliche Tätigkeit
tut sich hier vor uns auf. Wie mannigfaltig
läßt sich allein schon die Lederschnitt- und
Lederpressungs-Technik gestalten, im Schnitt,
im Modellieren, im Beizen, und in der Be-
handlung mit Farbe. Wie reich auch ist der
Materialschatz an gediegenen Vorlagen resp.
Vorbildern aus alter Zeit auf Buchdeckeln,
Lederkästchen, Schachteln für liturgische Ge-
räte usf. — Zudem fehlt es uns hier auch nicht
an geschulten Kräften, welche die Technik
in allen ihren Abwandlungen seit langem
geübt und selbst schwierigsten Aufgaben ge-

*) Eine rühmliche Ausnahme machen da die Eng-
länder, die nach dem Wahlspruche „books are the
best friends" der Buchausstattung, vor allem den Ein-
bänden größte Sorgfalt angedeihen lassen. Vergl. die
unter 1) angegebene Literatur.
 
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