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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Kleinschmidt, Beda: Der Abdinghofer Tragaltar, eine Arbeit des Rogerus von Helmershausen oder des Reinbold von Paderborn?
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0181

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1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

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der Künstler ihm Schuhe gegeben, während
doch die Apostel regelmäßig barfuß erscheinen,
wie man gegenüber auch bei St. Petrus sieht.
Aus allen diesen Gründen halte ich es für
ausgeschlossen, daß hier das Martyrium des
hl. Paulus dargestellt ist. Es ist nun allerdings
leichter, diese Schwierigkeiten hervorzuheben,
als sie zu lösen bezw. eine bessere Erklärung
zu geben, es soll aber wenigstens der Versuch
gemacht werden.

Im Jahre 1107 kehrte Abt Thietmar I. von
Helmershausen von einer Reise nach Trier
in Abdinghof ein. Gumbert, der Abt des
Klosters, die Mönche und eine große Volks-
menge waren ihm im feierlichen Zuge entgegen-
gegangen, da er die Gebeine des hl. Modoald
von Trier und die Reliquien mehrerer anderer
Heiligen, darunter auch zweier thebaischer Mär-
tyrer, mit sich führte. Dem Kloster schenkte
er bei dieser Gelegenheit auf Bitten Gumberts
Reliquien des hl. Bischofs und Märtyrers
Probus, des hl. Kilian u. a., die in den neuen
Altären und Reliquiarien beigesetzt wurden.
Von diesen Reliquien hat später auch wohl
unser Altärchen einige Partikeln erhalten-
Darauf möchte ich die beiden bisher nicht
genugsam erklärten Bilder beziehen und die
Hinrichtung neben der Taufszene als Mar-
tyrium des hl. Probus und die Szenen an
der linken Schmalseite als das Verhör und
den Tod eines thebaischen Märtyrers ansehen.

Die Technik, mittelst welcher die Dar-
stellung erfolgte, ist sehr einfach. Es ist die
sog. ausgeschnittene Arbeit, das opus inter-
rasile, wie das oben erwähnte mittelalterliche
Kunsthandbuch sie nennt. An den äußeren
Konturen ist die Kupferplatte ausgeschnitten,
so daß die dunkle Kastenwand den Hinter-
grund bildet; dadurch treten die Figuren
wirkungsvoll fast plastisch hervor. Die Innen-
zeichnung ist mit fester Hand und großer
Sicherheit eingraviert. Der Verfasser der
„Schedula" bemerkt, daß Kupfer, in dieser
Weise bearbeitet, bei Sesseln und Betten als
Bänder und an Büchern der Armen benützt
würde.1B) In der Tat zeigt von den achtzig
mir bekannten Tragaltären sonst nur noch
ein kleines Portatile in Eichstädt diese Aus-
schmückung. Meistens sind die romanischen
Tragaltäre mit Elfenbeinreliefs oder rheini-

15) »Schedula diversarum artium«, revidiert und
übersetzt von Ilg. (Wien 1874.) B. 3 c. 71 p. 281.

schem Grubenschmelz verziert, letzteres sehen
wir z. B. an den Altärchen zu M. Gladbach,
Siegburg, Xanten. Die Ornamente an den
Schrägen hat der Künstler durch eine der
romanischen Kunst eigentümliche Technik
hervorgehoben. Die Kupferplatte wurde mit
Leinöl bestrichen und dieses am Feuer auf-
gedörrt, wodurch das Kupfer eine bräunliche
Färbung erhielt; sodann wurden die Ornamente
mittelst eines scharfen Instrumentes abgeschabt
und vergoldet.16) Endlich ist noch die mehr-
fache Anwendung des Perlpunzen zu erwähnen,
z. B. bei den Heiligenscheinen und dem
Panzerhemd der Ritter.

Der Meister, welcher das Portatile an-'
fertigte, war ein tüchtiger Zeichner.
Mit welcher Leichtigkeit hat er die wilden
Marterszenen, wie sie seiner ungestümen Phan-
tasie vorschwebten, mit dem Grabstichel auf
den Kupferplatten festgehalten! Man darf
freilich von ihm nicht erwarten, daß er die
Gebundenheit des romanischen Stiles völlig
durchbricht, aber er weiß sich ein seltenes
Maß von Freiheit zu bewahren. Welche
Lebhaftigkeit in der Bewegung! Welche Ab-
wechslung in der Form! Wie trefflich hat
er es verstanden, durch die flatternden Mäntel
den freien Raum auszufüllen! Der Meister
war ferner ein guter Beobachter der Natur
und bekundet sich auch dadurch als echten
Künstler. Man sehe nur, mit welcher Liebe
und Sorgfalt er die Pferde gezeichnet hat.
Durch kleine Stauden und Bäume mit großen
Blättern hat er sogar den landschaftlichen
Hintergrund angedeutet, für damalige Zeiten
eine künstlerische Leistung. Die Selbständigkeit
des Meisters erkennen wir endlich aus dem
Inhalte der bildlichen Darsellungen. Während
sonst an den Seitenwänden der Tragaltäre
fast regelmäßig die Apostel wiederkehren, wie
an den Altärchen zu Fritzlar, M. Gladbach,
Paderborn (Dom), Xanten oder auch Szenen
aus dem Leben Jesu, sind Marterszenen sehr
selten. Am nächsten kommt in dieser Hin-
sicht unserm Altärchen das Portatile aus der
Abtei Stavelot (jetzt Brüssel), dessen Seiten-
flächen das Martyrium der Apostel in je einer
Szene zeigen; auch hier erscheint oben die
von einem Nimbus umgebene Hand Gottes
mit den Strahlen. Aber bei keinem Tragaltar
bezieht sich der bildliche Schmuck so aus-

16) Schedula, ibid. c. 70 p. 279.
 
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