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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Schnütgen, Alexander: Winke für Altarbauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0020

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13

1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr i.

14

■\Yinke für Altarbauten.

(Mit Abbildung.)

Üuf die nicht selten an mich er-
gehende Frage, welche Altarform
ich besonders empfehle, pflege ich
zu antworten: Die jeweilig pas-
sendste. Das will sagen: Die der Bestim-
mungsstätte angemessenste. Von der Breite,
Höhe, Tiefe des betreffenden Raumes, sowie
von der sonstigen Beschaffenheit desselben,
ob flach-rund-polygon-geschlossen, ob Fenster
vorhanden, in welcher Zahl und Anordnung,
ist nämlich die Form wesentlich bedingt;
anders natürlich für den Hochaltar, anders
für die Seitenaltäre. I

Da der Hochaltar in allen Pfarrkirchen
zugleich Sakramentsaltar ist, so bedarf er
Tabernakel und Expositorium, ohne aber im
übrigen an eine andere Form gebunden zu
sein, als die Umgebung sie verlangt. — Ist
der Hauptchor sehr hoch, dazu breit und tief,
ohne daß die Fenster weit herunterreichen,
so spricht die Vermutung für einen Baldachin-
altar, der frei im Räume stehen muß, weit
genug, um den Ministrantendienst zu gestatten,
hoch genug, um nicht mit den Fenstern in
Kollision zu geraten; er kann quadratisch,
rechteckig, sogar polygon sein, flach gedeckt
oder in Pyramidenform, in Stein, Holz oder
auch Metall ausgeführt.

Ist der Hochchor llach, so empfiehlt sich
ein Aufsatz, dessen Expositorium von fijjuren-
geschmückter Wand flankiert ist, in Holz oder
auch in Stein. — Ist der Hauptchor zugleich
sehr breit, so daß ein einfacher Aufsatz zu
isoliert erscheinen würde, so vermögen Flügel,
reliefierte oder gemalte, den Ausgleich zu be-
sorgen; diese dürfen aber auch zugeklappt,
Tabernakel und Expositorium nicht bedecken.

__Auch Gemälde, mit oder ohne Flügel,

sind gewiß nicht ausgeschlossen, aber nicht
leicht mit dem Tabernakel und erst recht
mit dem Expositorium in eine organische
Verbindung zu bringen.

Ist der Hauptchor ganz fensterlos, oder
erst in der Höhe mit Fenstern versehen, so
ist auch ein gegliederter Steinaltar nicht un-
passend, wie das Mittelalter ihn nur ausnahms-
weise verwendet, die neueste Zeit ihn mehr-
fach versucht hat. Wenn er nicht zu schwer

sich, zumal wenn er reich polychromiert ist,
frei abheben muß.

Die Renaissance hat namentlich in den
Hauptchor den Altarkoloß eingeführt und da-
durch eine große dekorative Wirkung ver-
ursacht, die durch das Seitenlicht recht zur
Geltung kommt. Im Zusammenhang mit den
übrigen Möbeln bewirkt er, selbst in Dorf-
kirchen, eine feierliche Stimmung, welche leider
durch die neuere und neueste Einführung
mancher Ersatzstücke eine große Einbuße er-
litten hat. Dem einfachen und schmucklosen
Barockbau, zumal mit geradlinig geschlossener,
fensterloserChorwand, istdieser Dekor durchaus
zu gönnen, daher seiner Beibehaltung aufs
wärmste das Wort zu reden, als der jeweilig
besten Lösung für seinen Altarbau.

Die Seitenaltäre zeigen in ihrer histo-
rischen Entwicklung eine fast noch größere
Mannigfaltigkeit der Form, die hier der, zu-
meist viel knapperen, Raumgestaltung fast noch
mehr sich anzupassen hat, mag es sich um
einen Reliquien- oder Figurenaltar handeln. —
Im ersteren Falle, der als ganz außergewöhn-
lich gelten darf, gibt die Form des Reliquiars,
welches den Aufsatz beherrschen muß, die
nötigen Winke. — Im letzteren Falle, der jetzt
fast ausschließlich in Frage kommt, ist wieder-
um, nur in fast noch stärkerem Maße, der Raum
bestimmend, in den er sich so harmonisch wie
möglich einzugliedern hat, wie nach Größe
und Ausladung, so namentlich in der Silhouette.
Kummen die Fenster, für die jetzt Malereien
als fast ständige Einrichtung zu betrachten sind,
stark zur Geltung, dann bleibt dem Autsatz
zumeist eine bescheidene Form zugewiesen, die
aber niemals so weit gehen darf, daß sie sich
auf das Glasgemälde beschränkt, denn dieses
hat nicht den Zweck, in erster Linie der Er-
bauung zu dienen. — Je nach der flachen
oder gebrochenen Wandgestaltung werden
auch hier Tafeln, gemalte oder reliefierte, mit
oder ohne Flügel zu wählen sein für die Be-
tonung des Titelheiligen oder des Geheimnisses,
dem der Altar geweiht ist. — Auch eine auf
Pfeiler bzw. Konsolen und unter Baldachin
gestellte Statue kann hier sich empfehlen, zu-
mal bei seitlicher Beleuchtung und als Abschluß
des darunter befindlichen Retabels und ihn

wirken soll, dann bedarf er starke Gliederungen

und einen ruhigen Hintergrund, von dem er I beherrschenden Bilderkreises


 
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