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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Witte, Fritz: Zur Frage nach der Bedeutung der Wallfahrtsbilder für die Stilentwicklung
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0228

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40Ö

IÖI2 - ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr 12.

ilü

Gegensatz gestellt zu dem stark in Licht und
Schatten zeichnenden faltigen Madonnenge-
wand; dadurch lockert er sich bemerkenswert
vom Untergrund, zumal auch die lineare Auf-
teilung der beiden Figuren stark divergiert,
indem die Horizontale im Körper Christi der
Vertikalen im Mantel Mariens entgegensteht.
Es ist ungemein interessant, an der Hand
der Bilder die Ausbildung und Umbildung
der stilistischen Eigentümlichkeiten unserer
Alabastergruppe zu verfolgen, wie aus dem
anfangs so herben, kantigen Faltenstil erst der
breit-flüssige, dann der fast barock wirkende
weiche sich entwickelt.

Von keiner der angezogenen Pietägruppen
ist näheres vom Ursprung berichtet. Nr. 5
war ursprünglich in altem Privatbesitz in West-
falen, die Gruppe des Kunstgewerbemuseunis
in Köln stammt vom Niederrhein, woher die
andere gekommen, ist nicht mehr festzustellen:
vermutlich war sie stets in dem heutigen Kloster-
besitz.

Das Material, der Alabaster, legt natürlich
von vornherein die Vermutung nahe, daß wir
es mit englischer Importware zu tun haben.
Bei einer stilkritischen Beurteilung von Nr. 5
würde aber kaum jemand an England denken,
wenn ihm das Material nicht bekannt wäre.
Am ehesten ließe sich bei dem Oud-Zevenaarer-
Grüppchen eine eventuelle Herkunft aus
den englischen Alabaslerwerkstätten vertei-
digen. Deutsch ist sein Stil nicht, und das
heimische Holland bietet m. W. keine Paral-
lelen zu dieser stark persönlichen Auffas-

sung und ihrer Ausdrucksform. Zwei Teile
sind es, die hier für die lokale Festlegung
ausschlaggebend sein könnten: der Kopf der
Madonna, sowie der des Heilandes und die
eckigen, an Bronzeguß erinnernden Beine und
Hände. Die Pieta Nr. 5 weist auf der Unter-
seite ein Zeichen X auf, die des Kunstge-
werbemuseums in Köln dagegen eine den
späteren Brüsseler Marken nicht ganz fern-
stehende zweimal auftretende Giavur nIIV.
Es ist aber möglich, daß diese vertieften Linien
einzig dazu dienen sollten, bei der Befestigung
der Gruppe auf dem Sockel der Klebemasse
größeren Halt zu geben. Ich möchte mich
für die Lokalisierung nicht festlegen, aber doch
Flamland, speziell Gent nennen, wo die Ala-
basterplastik lange heimisch war.

Die Oud-Zevenaarer Gruppe ist unzweifel-
haft die älteste. Sind die anderen Nach-
bildungen dieses Wallfahrtsbildes !J Es wäre
nicht so übermäßig gewagt, das anzunehmen,
da die Grüppchen ihrem Fundort nach in
Analogie mittelalterlicher Wallfahrtsorte sehr
wohl als innerhalb der Einflußsphäre von Oud-
Zevenaar liegend betrachtet werden können.
Auf alle Fälle bilden die Grüppchen eine ge-
schlossene Familie, die wenigstens von einer
außerordentlich intensiven und nachhaltigen
Werkstatttradition sprechen. Als Importware
würde man ihnen ohnehin einen ähnlichen
Einfluß und die gleiche Bedeutung wie einem
Wallfahrtsbilde zuerkennen müssen.

Köln.

Witt e.

Bücherschau.

Die Colonna Bilder aus Roms Vergangenheit von

Gräfin Luise Roß. 2 Bände mit 32 Tafeln.

(M. II bzw. 12.) BLIinkhardt & Biermann in Leipzig
Die Geschichte der Stadt Kom seit den Tagen des
Mittelalters im Sternbild eines berühmten Geschlechtes
cn schreiben, ist ein großes Wagnis und, wenn es ge-
lingt, ein Meisterstuck. Denn es set/t ganz ungewöhn-
liche Beherrschung des Stoffes voraus, liefen Einblick
in die politischen und kirchlichen Verhältnisse, auch
Vertrautheit mit der Topographie der Stadt, wie sie
,„„ ,1,,^-!, v.ifcnlhalt in ihr zu gewinnen ist.

Da/u muß große Kombinationsgabe, vorurteilsloser
Sinn und gl Schmbait die Feder führen —

Da« alles findet sich vereinigt bei der viels itig
gebildeten, geschichtlich geschulten, literarisch »er.
Sterten Dame, die als die reife Frucht ihrer lang-
jährigen ernsten Beobachtungen und Studien dieses

Weil; vorlegen kann, als eine inhaltlich wie formell
ungemein anregende genußreiche Lektüre, auch wegen

| der vornehmen Diktion, bei der die flotten glatten
Wendungen die Gedanken nicht verbergen, sondern
verkünden. — Die berühmte Familie Colonna tritt
bereits in der karolingischen Periode in die Erscheinung
und beherrscht bis zum Schluß des XVI.Jab.rh. nicht
selten die Geschicke der Ewigen Sladt durch die mar-
kantesten, zum teil sehr kriegerisch gerichteten Persön-
lichkeiten in den höchsten kirchlichen und weltlichen
Stellungen. Sehr verschieden sind die einzelnen Ver-
treter, ihre Bestrebungen und Leistungen im Bannkreise
von staatlichem und gesellschaftlichem Leben, von
Wissenschaft und Kunst: und bis heute ist das Ge-
schlecht nicht erloschen, dessen Zweig Paliano noch in

! dem alten Palaste neben der Apostelkirche fortlebt,
in dem vor Jahresfrist Marc Antonio Colonna starb, von
 
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