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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Münzel, Gustav: Die Zeichnung Grünewalds: Der Kopf mit den drei Gesichtern, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0126

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215

1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 6.

21ö

Die Zeichnung Grünewalds: Der Kopf mit den drei -Gesichtern

(Mit 6 Abbildungen.)
rünewald gehört zu jenen Geistern

die bei der Eigenart ihrer Werke
und der Spärlichkeit der Nach-
richten über ihre Lebensumstände
besonders gereizt haben, das Nichtgewußte
durch eine Reihe von Vermutungen zu er-
gänzen. Es wird ein Hypothesengebäude er-
richtet, das keine Rücksicht mehr auf den
Grundriß nimmt, den die Werke und die ge-
sicherten Lebensdaten bilden. So entstehen
Darstellungen, die von Grunewalds Person
und Werk eine ganz falsche Vorstellung
geben.2)

Nun gibt es insbesondere ein Werk Grüne-
walds, das Veranlassung zu einer falschen Auf-
fassung des Meisters werden kann. Es ist
die Zeichnung: Der Kopf mit den drei Ge-
sichtern, im Kupferstichkabinett zu Berlin.
Die Deutung dieser Zeichnung ist nicht ohne
weiteres gegeben. Bock läßt die Frage nach
der Auslegung des Blattes offen.'-) Hingegen
gibt Schmid eine, wenn auch hypothetische Er-
klärung.'1) Er hält diese Zeichnung Grüne-

') Es sind ganz wilde Phantasien, in denen
M. Escherieb (Ein Beitrag zu Mathias Grünewald,
Repertorium für K. W. Bd. 31. 1908. S. 215 f.
und: Mathias Grünewald. Ein Beitrag zur Symbolik
des Lichtes. Deutsche Rundschau, Bd. 136. 1908.
S. 387 f.) Grünewald mit Böhmen, den Böhmischen
Brüdern, der Hüttensymbolik und dem Lichtkult der
Waldenser in Verbindung bringt. Da die Grundlagen
dieser Aufstellungen, nämlich die Abhängigkeit der
Architekturen auf dem Madonnenbilde in Stuppach und
auf dem Engelskonzert des Iscnhcimer Altars von der
Liebfrauenkirche in Mainz, unrichtig sind — die wirk-
lichen Abhängigkeiten der Architekturen bei H. A.
Schmid, Die Gemälde und Zeichnungen von Matthias
Grünewald, Straßburg. 1911. S. 47, 160 f., 212 f. —
so ist es unnötig, auf diese, selbst unter Annahme der
Richtigkeit ihrer Voraussetzung gänzlich haltlosen Be-
hauptungen einzugehen.

*) Bück (Die Werke des M. Grünewald, Studien
zur Deutschen Kunstgeschichte, .r>4- Heft, Strasburg
1904, S. 131 f.) spricht von der Zeichnung als von
einer Trinität. Er hält eine Erklärung für sehr
schwierig, nur so viel sei überhaupt sicher, dal! keine
frivole Absicht zugrunde liegen könne, wohl aber eine
bitter satirische. In seinem späteren Werk IM. Grüne-
wald I. München 1009. S. 102. Anmerk. 20«)
kommt er auf die Zeichnung zurück und sagt:,,...
die unerklärte Berliner Kohlezeichnung, die ich faute
de mieux ,Trinität' genannt habe." Er betont, daII
ähnliche Physiognomien sich bei den Schergen der
Kreuztragung Grünewa'ds in Karlsruhe finden.

') Schmid, a. a. O. S. 4M. ,,Die Zeichnung in
Berlin mit den drei Köpfen in einem Nimbus Taf. 10

walds für eine Verspottung der Dreieinigkeit.
Im folgenden soll gezeigt werden, daß diese
in ihrer Wirkung auf die Beurteilung Grüne-
walds weit über die Interpretation der Zeich-
nunghinausgehende Erklärungunhaltbar ist,und
daß eine andere Deutung an ihre Stelle ge-
setzt werden muß. (Vgl. Abb. 1.)

Die göttliche Dreieinigkeit wurde in der
mittelalterlichen Kunst in den verschiedensten
Formen dargestellt. Einmal in symbolischen,
wie Buchstaben, Ringen, Kreis-en, Dreiecken,
verschlungenen Bändern, Kleeblättern u. a.
Außer in diesen Symbolen wurde die Drei-
einigkeit durch menschliche Gestalten wieder-
gegeben und zwar in doppelter Form. Einmal
finden sich drei Gestalten nebeneinander, ent-
weder gleich oder verschieden gebildet; oder
es wurden, um die Perichorese mehr anzu-
deuten, diese drei Personen zu einer Einheit
verbunden. Hierher gehört dann die Dar-
stellung der Dreieinigkeit in einem Kopf mit
drei Gesichtern.

Der Gedanke der Dreieinigkeit hatte eine
solche Bedeutung, daß er von seinem eigent-
lichen Anwendungsgebiet, seiner Beziehung
auf die Gottheit, *) auch auf das Gegenbild

(richtig 41) sieht aus wie eine Verhöhnung der Drei-
einigkeit." „Die Entstehungssell dei Zeichnung ist
schwer zu bestimmen, lie kann auch erst in den
Reformationsjahren entstanden sein. Nun gab es wirk-
lich schon unter den Wiedertäufern der zwanziger Jahre
Antitrinitarier, wenn auch die antitriniiarischen Sekten
sich erst späler bildeten." Kr verweist auf die Anti-
trinitarier unter den Wiedertäufern in den /wan/ig'-i
Jahren, auf Hans Denk, der in den Prozeß gegen die
Nürnberger .gottlosen" Maler, die beiden Beham und
Pencz, verwickelt war, und auf Ludwig Ilät/er. ,,Ks
waren das Leute, die Grünewald leicht konnte kennen
gelernt haben. Allein mit Sicherheit ist die Zeichnung
schon deshalb nicht als ein Zeugnis dieser Gesinnung an-
zusehen, weil sir doch eigentlich eher wie eine Verspottung
der göttlichen Personen sich ausnimmt, die alle drei auch
den Wird'it;iufein und Antittinitaricrn hedig waren,
und nicht wie eine Verspottung des 1 lognias. Als ein
Dokument, das nicht für die Oflentlichkeil bestimm!
war, konnte man sich die Zeichnung immerhin vor-
stellen. Merkwürdig ist dann nur, dal', getad
signiert ist."

') Es finden sich merkwürdige Beispiele, dall auch
für die /weite Person der Gottheit, Christus, 'ine Art

von Trinität angenommen wurde. Die kirchliche Lehn

von da /.weihen der Naturen in Christus, der mensch-
lichen und göttlichen, wird dahin erweitert, dafl die
menschliche Natur selbst in eine körperliche und eine
seelische /erlegt wird. So zeigt auf einem Holzschnitt
 
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