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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Münzel, Gustav: Die Zeichnung Grünewalds: Der Kopf mit den drei Gesichtern, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0140

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241

1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

242

Die Zeichnung Grünewalds: Der Kopf mit den drei Gesichtern.

(Mit 6 Abbildungen.) (Schluß.)

S^ZSfl s frag1 sich nun, ob die Typen des
&&0M dreigesichtigen Kopfes sich in den
l~mR übrigen Werken Grünewalds ähn-
J^""^"V lieh wiederfinden. Von seiner
Auffassung, daß in dem dreigesichtigen Kopf
eine Verspottung der Trinität zu sehen sei,
ausgehend, hat Schmid die drei Gesichter
mit den Darstellungen Gott Vaters in Stuppach
und Kolmar verglichen, ebenso wie mit den
verschiedenen Gestalten Christi im Leiden
wie auch in der Auferstehung. Wie sich aus
der hier vertretenen Auffassung ergibt, mußte
das Resultat so ausfallen, wie es ausgefallen
ist, nämlich negativ.16) Es ist nun eine er-
wünschte Bestätigung der hier dargelegten An-
sicht, daß sich die Typen des dreigesichtigen
Kopfes bei Grünewald wiederfinden, und zwar
dort, wo sie ihrem Wesen nach hingehören.
Bei der Verspottung Christi in München wie
bei der Kreuztragung in Karlsruhe sind unter
den Schergenköpfen Gesichter, die im ganzen
oder wenigstens in großen Teilen unverkenn-
bare Ähnlichkeit mit den Gesichtern der
Zeichnung aufweisen.

Das Gesicht links auf der Zeichnung hat
eine sehr große Verwandtschaft mit dem
Gesicht des Schergen mit dem Stecken in
der Hand auf dem Verspottungsbilde, wohl
eines Anführers der Bande, dem sein Neben-
mann die Hand auf die Schulter legt. Das
gedunsene, verquollene Gesicht mit dem
wampigen, fetten Doppelkinn, der tierisch offen-
stehende Mund, der leere, blöde Blick und
die zurückfliegende Stirn finden sich auf
beiden Datstellungen.17) (Vgl. Abb. 5.)

Gleichfalls auf dem Bilde der Verspottung
Christi findet sich ein Gesicht, das Ähnlich-
keit mit dem Kopf rechts auf der Zeichnung

'«) Schmid, a. a. O. S. 258.

") Bei Erörterung der Urheberschaft Grünewalds
an dem Bilde der Verspottung Christi sagt Schmid,
daß der fette Büttel im Kopftypus und auch in der
Haltung an den Kanonikus auf dem Bilde der Unter-
redung der Heiligen Etasmus und Mauritius ganz
frappant erinnere. (Schmid. S. 06.) Die Ähnlichkeit
bezieht sich aber lediglich auf die äußere Kopfbildung,
keineswegs auf den Gesichtsausdruck. Der hinfällige,
schwachgesiebtige Kopf auf dem Erasmusbilde ist von
ganz anderer Art wie der Scherge auf dem Verspot-
tungsbilde. Gar keine Beziehung besieht zwischen dem
Kopf des Dreigesichts und dem Gesicht auf dem Eras-
musbilde.

aufweist. Es ist der Kopf des Schergen, der
mit geballter Faust auf Christus losschlägt.
Beide Gesichter haben das spitz vorspringende,
bartlose Kinn, den gleichen struppigen Rahmen-
bart, wie auch denselben wilden Haarwuchs.
Besonders charakteristisch ist die Ähnlichkeit
der kleinen Nase und der hervorstehenden
Backenknochen.18) (Abb. 4.) Auch auf der
Karlsruher Kreuzschleppung findet sich wenig-
stens eine teilweise Ähnlichkeit mit diesem
Kopf des Dreigesichts, bei dem Kopf des vor
Christus knienden Kriegers. (Abb. 3.) Beide
Köpfe haben das gleiche, hornartig vor-
springende Kinn mit dem Randbart, wie auch
den besonders auffallenden Mund mit den tiefen
Winkeln und ebenso die starken, überhängenden
Augenbrauen.19) Eine große Ähnlichkeit liegt
auch vor zwischen dem mittleren Kopf des
Dreigesichts und dem Schergen mit dem
Knüppel, der Christus am Kleide faßt, in dem
verkniffenen Mund, der Bildung der Nase und
dem lauernden Blick der Augen. Nur daß
das starke Kinn des mageren Schergenkopfes
von kurzem, flausigem Barthaar umrahmt wird,
während das Gesicht auf der Zeichnung bart-
los ist. (Vgl. Abb. 2.)

Die Gesichter der Zeichnung sind ihrer
Bedeutung entsprechend verselbständigt und
vertieft. Während die Schergen nicht nur
durch ihre Gesichter, sondern auch durch
ihre Körper und ihre Handlung charakteri-
siert sind, muß bei der Zeichnung die Cha-
rakterisierung bei ihrer Konzentration auf das
Gesicht noch weit schärfer herausgearbeitet
sein. Tatsächlich ist auch der grausig ab-
schreckende Eindruck, der von den Gesich-
tern der Kopfes ausgeht, derart, daß er bei
intensiver Betrachtung noch stetig zunimmt.
Wenn man so in dem dreigesichtigen
Kopf ein Bild des Teufels zu erblicken hat,
so fragt es sich, ob die drei Gesichter lediglich
einen schauerlichen Eindruck im allgemeinen
erwecken sollen, oder ob jedem von ihnen
IS) Die Gesichter der Schergen auf dem Verspot-
tunglbilde sind verletzt worden, doch gerade am besten
erhalten blieben die des Faiistschlägers und des fetten
Büttels. (S c h m i d, a. a. O. S. 61.) Übrigens zeigt auch
die Wiesbadener Kopie die Ähnlichkeit der Gesichter.
") Es ist die Figur, von der Schmid, a. a. O.
S. 2,').ri sagt: .Dem Krieger, der vorne rechts kniet, ist
einmal die Kinnlade aus dem Gelenk gerissen und dann
übel geheilt worden."
 
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