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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Bücherschau
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349

1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

350

Bücherschau.

Tempel maße. Das Gesetz der Proportion in den
antiken und altchristlichen Sakralbauten. Ein Bei-
trag zur Kunstwissenschaft und Ästhetik. Von
Odilo Wolff, O. S. B. Wien 1912 (Anton
Schroll & Co.). Preis 15 Kr.
Sicherlich werden viele an dieses Buch herantreten
mit einer gewissen Scheu, nicht mit heiliger, als viel-
mehr mit der Furcht vor mathematischem Formelkram,
der der Kunst zu Leibe rücken will. Es ist aber
nicht so schlimm; mit einiger Überwindung arbeitet
man sich durch. Wolffs Resultate leugnen zu wollen
wäre widersinnig, sie sind da, sind bewiesen. Ich
habe wehleidig das Buch beiseite gelegt, deshalb, weil
mir nun so mancherlei bei den guten alten Baumeistern
ganz, ganz klein erschien: hatten sie doch das „Re-
zept" vom Vater und Großvater geerbt und selbst
nicht mehr wie Handlangerdienste geleistet. — „Man
nehme das Hexagramm und baue einen Tempel." so
ungefähr lassen Wolffs Resultate schließen. Er kann
nicht dafür, denn es ist nun mal so! — Noch dummer
und rückständiger kommt man sich vor, wenn man
die schönen Verse und Verslein liest, die Wolff seinen
Kapiteln an den Kopf setzt: Von Reichensperger,
Gutberiet, Keppler, Bötticher, Lionardo, Cornelius,
I'laten — Philosophen, Ästheten, Dichter und selbst
Kunstler werden hier unter Zeugeneid genommen. Das
hätte ich nicht getan; einmal: wer will ihren Äuße-
rungen /um Teil mehr Bedeutung beilegen als die eines
gelegentlichen Heraenauguaaca, den der eine im Fuße
da Pyramiden, der andere vor dem Tempel von Paeatum
in feierliche] Stunde von sich gab. Doch das alles
tut Wolff nur, weil ihm — wenn auch ganz leise —
ein künstlerisches Gewissen schlägt: Dusollst die Kunst
nicht zum Schema machen. Wolff hätte freiweg seine
Resultate bieten sollen, seine philosophischen Spazier-
gänge durch die Ästhetik sind wirklich nicht genull-
reich, weii sie eine unheimlich nüchterne Katheder-
weisheit und Theorie verabreichen. — Ich bin gar
nicht sicher, daß noch ein weiterer Rechenkünstler
kommt und über das Hexagramm weg eine noch kompli-
ziertere Figur als konstruktives Einheitsmaß auf den
Thron erhebt, ein Mal', das Doch öfter aufgeht in den
alten Bauten, und wenn's an Beuron allein lag. be-
kämen wir auch noch das Schrittempo der ägyptischen
und klassischen Figuren kanonmäßig, als Polizeircgle-
tnenl bewiesen, „ro fji'ifjor «pioroi", man predige
das nur nicht zu sehr den Künstlern von heute, wir
könnten ins Gähnen kommen. Wer nun aber glaubt,
da Li Wolff künstlerische Direktiven geben wollte
durch seine Feststellungen, der ist im Irrlume, er lese

S SS die !<-----nUe, die der Verfasser macht. Nun

aber eine wichtige I . n Beantwortung wir

Wolff überlassen müssen: Dürfen wir die au- einigen
Mutzend Gmnd •hmluh gewonnenen Re-

sultate veiallgeiiiei:,. in, odet -tirnmt's bei vielen auch
nicht? DJ daü bei hervorragenden Tempel-

bauten das Hexagramm die ihm von Wolff zudiktierte
Rolle gsapiell hat, ist nicht wegzuleugnen, auch die
nicht, daß, wie lingsl angenommen wurde, auf den
Hohenwegen, du dir- Kun-t ging, unter dem Mantel
■'" Schonheu das nüchterne Untergewand der Be-,
rechnung, -:ecke, aber auch die

andere Weisheit und Wahrheit steht wohl fest, daß
das vielfach ohne Zirkel und Richtscheit aus dem
künstlerischen Empfinden und Müssen produziert
wurde. Man zeige uns Risse und Skizzen. Selbst
Vitruvs und Lionardos Theorierereien erbiingen allein
noch nicht den Beweis, daß die Baumeister von einst-
mals zugleich auch geriebene, nüchterne Mathematiker
gewesen seien. Wolffs Resultate sind meines Erachtens
unanfechtbar, das werden die Proben erweisen, die auf
sie gemacht werden. Sein Buch stellt eine überaus
verdienstvolle Leistung dar, an der vornehmlich die
Haumeister und Kunsthistoriker nicht vorbeigehen können.
Einzig vor falschen, zuweitgehenden Schlüssen muß
man warnen und — vor der Nachahmung der ganz
persönlichen Dialektprobe seines Stiles. Die fleißige
Arbeit wird viel Anerkennung finden. Witte.

Jahrbuch der Bilder- und Kunstblätter])reise.
Verzeichnis der wichtigsten Versteigerungsergebnisse
des deutschen Kunstmarktes. Herausgegeben von
E. Mennbier. Bd. 2. 1911. Wien 1912 (F. Ma-
lota). Preis 20 Kr.
Ungleich vollkommener,aber— infolgedessen wohl —
auch bedeutend stärker erscheint der zweite Band des
Jahrbuches. Kleine Ungenauigkeilen und Mängel, die
sein Vorläufer noch hatte, so das Fehlen der Maße
usf. sind gründlich behoben. Man fragt sich nur, ob
es nicht auch möglich zu machen wäre, die Währung
einheitlich, und nicht einmal in Kronen, das andere Mal
in Mark anzugeben ? Von Seiten der Museen und
Kunsthandlungen sollte man das verdienstvolle Unter-
nehmen des Jahr hm lies nachdrücklicher unterstützen
durch Angabe von wissenswerten Notizen auch aus
dem Privathandel, sowie vorerst durch Abonnement
auf das Jahrbuch, damit es uns als überaus wertvolles
Handbuch für die Zukunft erhalten bleibe. Dem
Herausgeber gebührt für die mühevolle und undankbare
Arbeit vollste Anerkennung. Witte.

Overmann A., Die älteren Kunstdenkmäler der Plastik,
der Malerei und des Kunstgewerbes der Stadt Er-
furt. Erfurt o.J. (1911 Richter,. 21 M.
Eine ungemein fleißige Arbeit eines Historikers
bringt uns eine Fülle Materiales, begleitet von den
subtilen historischen Forschungsergebnissen eines ge-
wissenhaften Archivars. Das gibt solchen Büchern
den großen positiven Wert, der alles stilkritische Ge-
rede mundtot macht. — Overmann gibt zunächst in
gedrängte) Kurze einen Gesamtüberblick über das Er-
furter Kunstschaffen und konstruiert damit den Rahmen,
in den die Einzelobjekte hineingeboren. Dabei unter-
stützt ihn die eingehende Kenntnis der städtischen
Archivalien ganz wesentlich. Der beschreibende Teil
ist mit großer Sorgfalt durchgeführt. Über die An-
ordnung und Gruppierung des Stoffes läßt sich aus
verschiedenen Gründen streiten. Erstmals sind vielfach
kurze Beschreibungen ohne größeren Wert, wenn die
bildliche Wiedergabe fehlt; dann wird man bei der
Aufzählung nach „Plastik, Malerei, Edelmetall usf."
von einer Ecke Erfurts in die andere geführt, was
buchstäblich ermüdet. Das wird sich aber kaum ganz
vermeiden lassen, wenn man die Lokalkunstgeschichte
eine- i tatet schreiben will. Fs ist ganz nebensächlich,
 
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