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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Sauer, Joseph: Eine Kreuzigungsdarstellung der "Sammlung Schnütgen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0042

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57

1912.

/.E1TSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

58

Eine Kreuzigun^sdarstellung der „Sammlung Schnütgen".

(Mit Abbildung, Tafel I.)

der ideale Goldgrund aus, gemustert mit filigran-
artig konturierten, stilisierten Blattformen. Von
diesem Hintergrund hebt sich das Kreuzesholz
ab, aus glatt gehobelten, reiche Maserungen
zeigenden schweren Balken gezimmert. Auf
einem leicht geschwungenen Pergamentstreifen
ist am Kopfe des Kreuzes der Titulus ver-
zeichnet. Sehr eigenartig ist die Haltung des
Gekreuzigten, einer langen, hageren Gestalt.
Mit straff' aufwärts gestreckten Armen und
kreuzweise übereinander gelegten Füßen hängt
Christus am Kreuz. Der Oberkörper ist weit
nach rechts und vorwärts ausgebogen, nicht
in der maniriert eckigen Haltung, welche die
Kretizigungsdarstellungen des XIV. Jahrh.
zeigen, sondern in natürlichem Schwung der
Neigung des schwer links abwärts sinkenden
Hauptes entsprechend. Der Oberkörper löst
sich förmlich vom Kreuzstamm, als wollte er
mit dem im Tode gesenkten Haupte zur Gottes-
mutter herabgleiten. In langen Strähnen fällt
das Haar zu beiden Seiten auf die Schultern,
oben zusammengehalten durch eine zweifach ge-
flochtene, mit kräftigen Spitzen besetzteDornen-
krone. Ein gazeartiger schmaler Schleier,
dessen eines Ende links abwärts fällt, legt
sich um die Lenden. Die drei Nägel für Hände
und Füße sind nicht sehr tief eingetrieben;
unterhalb ihrer starken Köpfe krampfen sich
im Todesschmerz die Finger der Hände zu-
sammen. Der ganze Körper ist über und
über mit Blutstropfen bedeckt; in mehreren
Bahnen träufelt das Blut auch schwer aus den
Fuß-, Hand- und Seitenwunden. Während
die übrigen Teile des Körpers mit Ausnahme
des geweiteten Brustkorbes wenig durch-
modelliert sind, ist die Artikulation der straff-
gespannten Arme recht gut wiedergegeben,
weniger dagegen diejenige der lang gestreckten,
fast hölzern wirkenden Beine. Zur Rechten
des Gekreuzigten steht die Gottesmutter, in
ihrer einfachen Haltung und ihrem Verhalten
des Schmerzes überaus groß und vornehm
wirkend. Ihr Oberkörper ist leicht gegen das
Kreuz hin geneigt und tief das Haupt ge-
senkt, über dessen Antlitz der Schleier des

„ ____ weißen, innen blau gefütterten Mantels fällt.

treifen gewellten und mit spärlichen Gräsern Dadurch, daß die vorn gefalteten und bis zur

und Blüten besetzten Bodens reduziert; sonst Brust erhobenen Hände in den vorderen Teil
t sich hinter der Szene bis tief herab des Mantels gehüllt sind, wird in diskreter

jlinem Bilde wie dem die nachfolgende
| Untersuchungbeschäftigenden gegen-
über empfindet man wieder einmal
*==J lebhaft das Fehlen einer gründlichen
u"d allseitig erschöpfenden Behandlung des
Kreuzigungsmotivs. Fast jedes Jahr bringt den
einen oder anderen Versuch, der mehr oder
weniger anspruchsvoll eine Lösung der Auf-
gabe in Aussicht stellt, aber über den Rahmen
der in den älteren Werken des XIX. Jahrh.
erzielten Resultate ist die Forschung kaum
erheblich hinausgekommen. Im allgemeinen
wird vor der Ausbildung der Hochgotik, vor
dem Moment, da die Differenzierungsmöglich-
keiten bei Behandlung des Motivs, je nach
den verschiedenen Schulen, zahlreicher werden,
"alt gemacht. So fehlt es gerade über die

twickelungsperiode, die unter dem Einlluß
viystik eine Fülle neuer Anregungen ver-
wertet und neue, intim persönliche Stimmungen
dem Gegenstand abzulauschen beginnt, an
jedem Orientierungsmittel. Das neueste zu-
sammenfassende Werk von Schöner mark
(Der Kruzifixus in der bildenden Kunst, Straß-
burg 1908) versagt vollständig. Programmatisch
aetmt es seinen Rahmen über das Mittelalter
,maUS aUS UIld WM auch die Probleme, die
d« spätere Zeit des Mittelalters stellt, um-
fassen aber es ist im Grunde bd dner ,es.
baren Plauderei ohne erheblichen Wissenschaft-
en Wert und vor allem ohne Vollständig-
keit gebheben. Für Fragen ikonographischer
Art, wie sie das vorliegende Bild stellt, die
selber wieder ausschlaggebend für stilkritische
Zuweisungen sind, wird man nichts daraus ge-
winnen können.

Die Kreuzigung der „Sammlung Schnfltgen"
wurde vor etwa 4 Jahren bei einem Antiquar
in Paris erworben. Weiteres über ihre Pro-
venienz hat sich nicht feststellen lassen, so daß
man vollständig bezüglich der Zuweisung auf
innere Kriterien angewiesen ist. Das Bild ist
auf Holz gemalt und 18 cm hoch und 1 1 cm
breit. Es stellt den Vorgang in der einfachen
Form eines Andachtsbildes, ohne historische
oder symbolische Begleitfiguren dar. Auch die
Andeutung der Örtlich keit ist auf einen schmalen
 
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