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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Witte, Fritz: Alte und neue Kirchen- und Vereinsfahnen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0047

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Abhandlungen.

Alte und neue Kirchen- und Vereins-
fahnen.

wart I. (Mit Abbildung, Taf. II.)

?l£E®M | ii den letzten Jahren ist bereits des
= öfteren darauf hingewiesen w.>r-
\ den, wie notwendig es sei, der
| Herstellung von Fahnen größere
Aufmerksamkeit zu schenken. Es
gibt nicht viele Zweige des kirch-
lichen Kunsthandwerks, die relativ
so häufig in Anspruch genommen
werden, wie die Stickerei für neue
Fahnen, kirchlicher wie profaner
Bestimmung. Überall schießen
mannigfache Vereine empor, die, unter
der geistlichen Leitung eines Pfarrers oder
Kaplans stehend, zumeist bald dazu über-
gehen, für einen mehr oder minder hohen
Preis sich ihre Standarte zu beschaffen, um
die sie sich bei öffentlichen Anlässen, bei
Vereinsfesten und Prozessionen, zu scharen
pflegen. Die Fahne ist der Stolz des Ver-
eines, die reiche Ausstattung eine Ehrensache
und vielfach die des Ehrgeizes. Es wäre be-
dauerlich, wenn man für die Zukunft in der-
selben Unsicherheit, in derselben Uniformität
auf diesem Gebiete weiterarbeiten wollte. In
keiner Angelegenheit wird man häufiger um
Rat gefragt als gerade in dieser, und so
scheint es, daß man allmählich in einsich-
tigen Kreisen zu der Überzeugung gekommen
ist, daß viel gesündigt wurde, und viel zu
bessern ist. Wir nehmen deshalb Gelegenheit.
unseren Lesern einige praktische Winke an
die Hand zu geben, die unter allen Um-
ständen bei der Beschaffung von Fahnen im
Auge zu behalten sind. Wir tun das, indem
wir zunächst durch einen Rückblick auf die
1 reschichte der Fahne einen festen Boden zu
gewinnen suchen für unsere Leitsätze; in
einem zweiten Artikel soll dann unter Bei-
gabe von Illustrationen die rein praktische
■s< ite behandelt werden.

Wir finden die Fahne bereits bei den
Römern, du sogen, vexülum. In den christ-
lichen Gebrauch ging sie über als Nachbil-
dung zunächst dieses römischen Kriegs- oder
Heeresbanners, indem Konstantin der Legende
gemäß sem leidzeichen mit dem Monogramm

Christi schmückte und so zugleich auch zum
Siegesbanner des Christentumes überhaupt um-
gestaltete. „Vexilla regis prodeunt", „des Königs
Fahnen tritt hervur", singt Venantius Fortu-
natus in seinem Hymnus. Die Liturgiker des
Mittelalters erwähnen des öfteren die Fahnen
in den Kirchen, wo sie an den Wänden auf-
gehängt, oder, wie uns der Liber pontificalis be-
reits berichtet, neben und hinter den Altären,
oder in der Mitte des Hauptschiffes aufgestellt
wurden1). Sie dienten nicht nur dem litur-
gischen Gebrauch, sondern wurden auch als
Wehr- und Wahrzeichen von den Altären
ins Feld den Feinden entgegengetragen, viel-
fach sogar von der Hand tapferer Kirchen-
fürsten. Die alte Michaelsfahne des deutschen
Heeres, die in den Hunnenschlachten seiner-
zeit eine große Rolle spielte, ist uns allen aus
der Geschichte bekannt, sie hat uns vielleicht
gar den noch heute zugeteilten Ehrennamen
vom „Deutschen Michel" eingebracht. Daß
Fahnen aus dem frühesten Mittelalter nicht
auf uns gekommen sind, nimmt nicht wunder
bei Berücksichtigung der Vergänglichkeit des
Materiales und der zumeist nicht schonenden
Behandlung derselben bei Prozessionen und
im Kampfe in Sturm und Regen. Die ältesten
in Deutschland noch bewahrten Stücke sind
wohl die aus der Zeit der Kreuzzüge stam-
menden Fahnen byzantinischen Ursprungs im
Schatz der Domkirche zu Halberstadt, die
Bischof Konrad 1205 aus dem Orient mit
heimbrachte. An sie schließen sich an ein
Stück in der Sammlung des Prinzen Karl von
l'reußen und ein bedeutsamer Rest in der
Schatzkammer des Kölner Domes. Es sind
das alles Fahnen ausgesprochen kirchlicher
Bestimmung, reich mit Seide und Gold ge-
bückt, mit figuralen Darstellungen und ver-
hältnismäßig viel Schriftornament. Besonders
interessant und lür die Geschichte der Fahne

') Durandut, Ration, cap, 102, n, 8: portantur

etiarn vexilla ad repraescntanduni victoriain resurrectio-
du et uceniionii Christi . . . quod von ctuces et
vexilla portantur, ■ Cotutantino lumpait initium.

Gregoi v Touri (Hiit cap, 4. IIb, V.): . . hie
l>"st cruceni praecedentibui rignis, aquo laperpotitui
ferebator.

Ordinär. M. S. eccl. Senon.: . . . non ett defe-
renda crux sine vexilla ad procesiionem, nisi ad offi-
cium mortuorum.
 
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