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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Lange, Wilhelm: Die Willibrordiarche in Emmerich
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0182

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Abhandlungen.

Die Willibrordiarche in Emmerich.

(Mit 2 Abbildungen, Taf. IX.)

ie Kirche St. Martin in
Emmerich bewahrt in
ihrem Schatze zwei
Werke, die künstlerisch
wie ikonographisch von
gleich großem Interesse
sind: Die Willibrordiarche
und einen völlig bekleideten romanischen
Kruzifixus. Dieser hat bereits durch Wüscher-
Becchi eine eingehende Untersuchung erfahren,
wenngleich seine Folgerungen nicht immer ganz
befriedigend sind.1) Auch die Arche hat seit
langem das Interesse der Kunstfreunde er-
regt. Da aber die Ansetzungen fast sämtlich
nicht überzeugend sind, dürfte es angebracht
sein, sie einer neuerlichen Beachtung zu unter-
ziehen.2)

In ihrer heutigen Gestalt stammt die taschen-
förmige Arche aus verschiedenen Zeiten. (Vgl.
die Beschreibung bei Genien a. a. O.) Das
alte Reliquiar ist uns leider nicht völlig un-
versehrt überkommen, da durch ein später
eingesetztes Verschlußeisen der Gekreuzigte
auf der Rückseite zum größten Teile zerstört
ist. (Auf der Abbildung der Rückseite ist das
Schloß entfernt. Im Inneren sieht man Säck-
chen aus arabischem Seidendamast, die die
Reliquien enthalten.) Der Kern der Arche be-
steht aus Eichenholz, das auf der Vorderseite
mit vergoldeten Silberplatten beschlagen ist, in
die die vier Evangelistensymbole getrieben sind.
Die einzelnen Felder werden durch breite Gold-
bänder getrennt, die mit Edelsteinen, Glas-
flüssen und Gemmen, zum Teil byzantinischen
Charakters geschmückt und durch Goldfiligran
verbunden sind. Auf der Rückseite ist eine
Kupferplatte angebracht, auf der in Schmelz-

') Rüm. Quait. Schrift XV. 1901. Weitere Lite-
ratur bei Cl einen, Kreis Rees, S. 45.

'-) Als wichtigste Untersuchungen vgl. Kinkel,
»Christliches Kunstblatt« 18-16: Kreuser, .Christi.
Kirchenl.au« II, S. 40; Piper, »Evang. Kalender
auf das Jahr 1867« S. 46; aus'm Weerth, »Kunst-
denkm. des ehr. Ma.« Tf. II, 9, III, 1 u. 2, Text I,
S. 7; v. Quast, »Zs. für ehr. Arch. u. Kst.« II, 1858,
S. 45 u. 188«: Münz, «Nassauer Annalen« V11I,
1866, S. 403, Abb.; Ciemen, »Kreis Rees«, S. 46,
Tf. 1 u. Fig iO (mit weiterer Literatur) und Creutz,
»Kunstgesch. der edlen Metallen S. 115.

firnis'1) der Gekreuzigte mit den Evangelisten-
symbolen dargestellt ist. Die Schmalseiten sind
nur zu einem Teile alt.

Die Ansichten über die Entstehungszeit
der Arche gehen stark auseinander. Aus'm
Weerth setzt sie in die erste Hälfte des
VIII. Jahrh., also noch in die merowingische
Epoche. Ihm schließen sich die meisten
älteren Forscher an. Ciemen nennt das Werk
,,eines der wertvollsten und jedenfalls das
früheste und interessanteste Goldschmiede-
werk des Niederrheins" und hält es in seinen
Hauptteilen für karolingische Arbeit des VIII.
oder IX. Jahrh. Bereits v. Quast hatte gegen
die Ansetzung aus'm Weerths Bedenken ge-
äußert und neuerdings hat Creutz in einem
allerdings sehr kurzen Hinweis das Reliquiar für
das Ende des X. Jahrh. in Anspruch genommen.
Für die zeitliche Bestimmung ist vor allem
die Inschrift von Bedeutung, die um die Rück-
seite herumläuft, unten halb von dem Verschluß-
eisen verdeckt. Sie lautet: HE\ SVNTjREEI-
QVIAEI.QVAS I SlJS / WlLLlBRORDUSj
ROME I A I PAPA I SERGIO / A CCEP1T/
ETI EMBRIKAM / TRANSPORTA VIT.')
Aus dieser Inschrift geht sofort hervor,
daß die Arche nicht zu Lebzeiten Willibrords
angefertigt sein kann, da dieser als „sanetus"
bezeichnet ist. Willibrord ist 739, angeblich
am 7. November, gestorben. Mit „Sergius
papa" kann nur der erste Papst dieses Namens
gemeint sein, der von (>78 bis 701 geherrscht
hat. Außerdem ist in der Inschrift auch nur
von den Reliquien die Rede, die Willibrord
empfangen habe und nicht von der Arche. Somit
sind die Ansetzungen Kinkels, Pipers und auch
aus'm Weerths und seiner Nachfolger hinfällig.
Weit größere Beachtung verdient die An-
setzung Clemens, der vor allem aus stil-
kritischen Gründen zu seiner Ansicht kommt.
Er sagt, „das Werk stehe in einer Linie mit
stilistisch nahe verwandten merowingischen
Goldschmiedearbeiten" und führt als Parallelen
an : Reliquienkästchen in St. Benoit-sur-Loire,5)

8) Über die Technik des Schmelzfirnis (email brun),
vgl. Schnütgen, »Kunst und Gewerbe« XX, 1886,
S. 194.

*i Die Lesung aus'm Weerths, v. Quasts
Münz' u. a: EMBRIKE ist unrichtig.

l) »Bullet, monumental« XLV1, 1880, S. 849,
Abb. nach S. 8f>4; Creutz, a. a. O. S. 78.
 
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