Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

DOI Artikel:
Sauer, Joseph: Eine Kreuzigungsdarstellung der "Sammlung Schnütgen"
DOI Artikel:
Bücherschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0045

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
63

1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. l.

64



Zeit keine anderen Beispiele namhaft zu
machen. Bis hoch ins XIV. Jahrh. drückt der
Liebesjünger unter dem Kreuze seine Trauer
in der alttraditionellen Form der an die Wange
gelegten Hand aus; noch in diesem Jahrhundert
aber wird die Schmerzempfindung durch irgend-
eine andere Handbewegung ausgedrückt, bald
durch Händeringen, bald durch einen pathe-
tischen Gestus. Am nächsten kommt unserem
Bilde die schon erwähnte Darstellung an-
geblich von Witz; hier hält Maria die Hände
ebenfalls unter dem Mantel verhüllt auf-
wärts, Johannes ringt sie unverhüllt vor seiner
Brust.

Diese kurze ikonographische Untersuchung
hat uns bestimmtere individuelle oder lokale
Züge nicht verraten können; sie läßt für die
Datierung wie die Zuweisung an eine Schule
zu weiten Spielraum. Aber auch eine stil-
kritische Prüfung gibt uns bei dem stereo-
typen Charakter dieses auf das geringste Maß
reduzierten Motivs keine ganz bestimmten An-
haltspunkte. Man hat, wie ich höre, die
Heimat des Bildes bald in Burgund, bald in
Süddeutschland, bald in Böhmen gesucht. Das
will besagen, daß sich in den Typen der
Figuren wie in der künstlerischen Behandlung
Charaktermerkmale finden, die sich in jedem
einzelnen dieser Gebiete feststellen lassen. In
Hinsicht auf Gesichtsschnitt und Ausdruck
sowie auf Haltung des Gekreuzigten dürfte am
nächsten mit dieser Darstellung verwandt sein
der wiederholt schon genannte Darmstädter
Altar. Aber das Ganze ist hier doch weniger
derb und monumental, die Gestalten viel
weniger gedrungen und plastisch durchgeführt.

An Burgund konnte wohl die Gedrungenheit
der zwei Begleitgestalten neben dem Kreuz
erinnern. Aber die verschiedenen Charakter-
eigenschaften des Bildes in vollständiger Ver-
einigung scheinen mir doch nur nach dem
Oberrhein, näherhin nach dem Bodensee zu
weisen, wo sich zu Beginn des XV. Jahrh.
böhmische und burgundische Einflüsse be-
gegneten; für den Bodensee spricht die
formale Derbheit: der heibe Realismus des
Bildes. Die Kunst dieses Gebietes aus der
Konzilszeit ist uns einigermaßen jetzt bekannt
durch die von Gramm publizierten Wand-
gemälde der Silvesterkapelle des Münsters
zu Konstanz: durch die Wandmalereien der
dortigen Augustinerkapelle, mit denen Wi n g e n -
roth und Gröber bekannt gemacht haben, vor
allem aber durch die Werke von Konrad Witz.
Und etwas von der Art von Witz, nur derb
vergröbert und stark befangen, findet sich auch
beim Meister des Kölner Bildes: die gedrungene
Plastik der Figuren, der schon weit entwickelte
Sinn für malerische Behandlungswei.se, mit dem
er durch aufgesetzte Glanzlichter ein lebendiges
Spiel zwischen Licht und Schatten in die ein-
fachen kräftigen Lokalfarben hineinbringt. Der
stark archaische Einsihlag weist das Bild aber
zweifellos vor den Bahnbrecher des Realismus
vom Oberrhein; das Verhältnis zu ihm kann
nur das eines Vorläufers sein, dessen Wirkungs-
zeit in den Anfang des XV. Jahrh. zu setzen
wäre. Freilieh sind alle Datierungs- und Zu-
schreibungsversuehe bei der Dürftigkeit stil-
kritischer Momente und anderer Indizien nur
mit großer Zurückhaltung zu machen,

Freiburg i. Br. . Joseph Sauer.

Bücherschau.

Allgemeines Lexikon der bildenden Künste '

von der Antike bis zur Gegenwart. Herausgegeben

von Ulrich T hieme. — Sechster Band: Carlini

— Cioci. Leipzig 1912. F. A. Seemann.— Pr. 27 M.

Die enorme Betriebsamkeit, der dieser Band zu

danken ist, erregt Staunen. Die Zuversicht, mit der

er hier iXXIV, 29091), also vor 3 Monaten, in

Aussicht gestellt wurde, hat sich bestätigt, so dal! da

vom Verleger angekündigte Abschluß dl9 gewaltigen

Werkes (dessen Vorläufer versagten) in 6 bis !i Jahren

mit Sicherheit erwarte! werden darf. — Ober 300 1-ach-

gelehrte, zum Teil durch ihre Unterschrift, als durch-

aus kompetente Mitarbeiter bewährt, helfen dem nur

seiner Aufgabe lebenden Baumeister durch das Zutragen

von Bausteinen, und wie sorgsam diese behauen und

eingefügt sind in den Riesenbau, kleine wie große,





beweist ein Blick in das icht ul»isiehtIleb gedruckte

Buch, welches leicht sich liest, mit Einschluß dei sein
umfänglichen Literatur in kleineren Typen. Letztere
zeigt so recht die Gründlichkeit ,lr' Forschung, In
welche die Künstler des Orients, namentlich such dir

erst in der neueren /.. it mehr aus dem Dunkel her-
vorgetretenen osl.isi.itis.il. m, umfänglich hinein."
sind.— Das Wachstum des Werkes wird ohne Zweifel
alihängen von dem Zusprach, den es Findet) es darf
auf solchen vielleicht auch in den Kreisen rechnen,

in denen sonst so bänd.rricli. Werke nullt zu Maus,
sind. Gerade hier abei mag der Gedanke in die Wsg'
schale lallen, ilali durch dieses Abonnement eine Menge
von Einzelpublikalionen entbehrlich wird, die, wenn
auch noch so zahlreich, weit entfernt sind, fiir jene»
einen Enats zu bieten. Schnitt«»
 
Annotationen