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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Witte, Fritz: Alte und neue Kirchen- und Vereinsfahnen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0048

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1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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von Bedeutung ist die Standarte des hl. Cyria-
cus in Würzburg. Aus naturfarbener Leinwand
geschnitten, zeigt sie auf der Vorderseite in
riesigen Dimensionen die aus applizierten
grünen und gelben Seidenstücken gefertigte
Gestalt des Diözesanpatrones St. Kilian, auf
der Rückseite berichtet eine Inschrift, daß am
8. August 1266 das Kapitel, um diese Fahne
geschart, über dieTruppen des Bertold v. Henne-
berg einen glänzenden Sieg davongetragen
habe2). Vielfache Abbildungen von Fahnen,
kirchlichen wie vornehmlich profanen, weisen
die deutschen und französischen Minia-
turen der Liederhandschriften des XII. bis
XIV. Jahrhunderts auf. Eine prächtige Zipfel-
fahne veröffentlichte der Herausgeber dieser
Zeitschrift in Jahrgang XV Sp. 63. Es ist
unmöglich, alle in den Inventaren Deutsch-
lands und anderer Länder aufgeführten Fahnen
hier zu nennen, die Haupttypen werden wir
demnächst vorführen. Ein prachtvolles Stück
aus dem Domschatze zu Erfurt veröffentlichte
Buschmeier seinerzeit in dieser Zeitschrift,
leider nicht nach dem Original aus dem Jahre
1531, sondern ;nach einer Kopie aus der
Mitte des XVII. Jahrh.3). Gute Exemplare
befinden sich beispielsweise noch in Frönden-
berg, im bischöflichen Museum zu Münster
u. s. f. Auffällig ist, daß ein großer Teil der
mittelalterlichen Fahnen gemalt ist. Nicht
allein der Grund der Verbilligung war hier
maßgebend, sondern auch ein praktischer:
Man wollte die Fahnentücher nicht zu sehr
durch die Stickerei beschweren und ihnen
dadurch die Möglichkeit geben, vom Winde
entfaltet zu werden. Unsere bedeutendsten
Künstler haben sich mit der Herstellung solcher
gemalten Fahnen befaßt. Eine prächtige
Kreuzfahne, vielleicht von der Hand des
Perugino, befindet sich in der Sammlung
Rocchi (Rom); gemalt ist, wie bereits erwähnt,
auch die herrliche Domfahne in Erfurt, und
von Barthel Bruyn wird uns 152Ö berichtet,
daß er für die Stiftskirche in Essen „drei
seidene karmesinfarb Fahnen, mit bylden ge-
malt und myt goldn blomen oberguylt" her-
gestellt habe4). Eine stattliche, fast unbekannte

') Gute farbige Abbildungen in „Altfränkische Hilder"
(Th. Henner) 1903.

») Ztschr. f. ehr. Kunst. VII. 206.

') Un banniere en laqurlle est dtpiint le voyage
de Sainct Louis en la terra sainete, lad. banntet« est
toute de soye. Invent. von N. D. zu Pjris anno 1648.
Mitget. b. V. Gay, Glossaire unter banniere.

Kollektion größerer Zunftfahnen birgt der
Rathaussaal in Münster in Westf., die allesamt
eine Veröffentlichung verdienten. Bedeutsam
für unser Thema und in vieler Hinsicht vor-
bildlich ist die Stichfolge des „Triumphzuges
Maximilians" von Dürer und Burgkmaier, auf
der eine ganze Reihe ornamental höchst
wirkungsvoller Fahnen zur Darstellung ge-
langte. Daneben wären in erster Linie zu
nennen die noch zahlreich erhaltenen sogen.
Schweizerscheiben, zum Teil nach Kartons be-
deutender zeitgenössischer Künstler gearbeitet,
die ebenfalls ein ganzes Musterbuch von
Flaggen und Fahnen zumeist profaner Be-
stimmung uns vorführen. W. Effmann machte
seinerzeit erstmals auf zwei bedeutende Fund-
gruben für Fahnenfabrikation aufmerksam. Die
schweizer Söldnerscharer. hatten auf ihren
vielfachen Kriegszügen im XVI. und XVII.
Jahrh. eine große Menge von Bannern und
I Standarten erobert, die als Siegestrophäen in
I den Kirchen der Heimat aufgehängt wurden.
Allmählich schadhaft geworden, gingen sie
dem Untergange entgegen. Der Rat der
Städte Solothurn und Freiburg in der Schweiz
! war klug genug, die Siegeszeichen im Abbild
der Nachwelt zu überliefern, und so ent-
standen die zwei Fahnenbücher von Solothurn
und Freiburg, die ein wahres Musterbuch für
uns sein können, einmal wegen ihrer Reich-
haltigkeit, dann auch wegen des durchweg
mustergültig behandelten Schmuckes. Sie
bilden eine willkommene Ergänzung zu den
Darstellungen der Schweizerscheiben.

Auch die Stadt Köln besitzt in ihren Mu-
seen und im Rathause noch eine stattliche
Anzahl von überaus reichen, künstlerisch be-
deutsamen Fahnen, die sich aus älterer Zeit
herübergerettet haben (s.Taf. II). So fehlt es uns
eigentlich nicht an guten Vorbildern, an denen
zu lernen wäre. Doch, merkwürdig genug,
man weiß vielfach nichts von der Existenz
dieser köstlichen Reliquien, und wo man sie
kannte, hielt man es nicht für notwendig, von
ihnen die Vorzüge abzulesen und für unsere
Zeit erneut zur Anwendung zu bringen.

Wir werden demnächst versuchen, die
Richtlinien herauszuschälen, die vorerst maß-
gebend sein müssen bei der Anfertigung von
Fahnen ; der freien künstlerischen Erfindung füi
Form und Technik ist gerade hier ein ungewöhn-
lich weiter Spielraum geboten. (Schluß folg! )
Köln. Friti Witte.
 
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