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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Falke, Otto von: Pariser Seidenstoffe des XIII. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0041

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55

1912.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Ni. 1.

56

talische Arbeit des XII. Jahrh. bezeichnet sind);
das andere aus ähnlich gezackten, dreilappigen
Blättern zwischen ebenso langgcstielten Lilien,
dazu Vögel und Sterne (Abb. 2); auf dem dritten
sind in besterntem Grund überreich befloßte
Fische ins Kreuz gestellt (Abb. 3).

Auch in der Berliner Stoffsammlung ist die
Gattung mit drei Mustern vertreten; davon sind
zwei, mit handgroßen
Greifen, Lilien, Wein-
blättern und Sternchen
wieder in Gold auf
blaßgrün, eins mit
Greifen in Silber auf
blau gewebt. Weitere
Fragmente sind im
Textilmuseum von
Lyon (abgeb. Cox,
L'art de decorer les
tissus Taf. 17'), in
Clunymuseum (abgeb.
Venturi.Storia dell'arte
ital. V Fig. 815) und
in der ehemaligen
Sammlung Miquel y
Badia (Katalog von
Pasco Taf. 17, Fig.33)
vorhanden. — Textur,
Einzelmotive und Stil
sind mit den Kloster-
neuburger Stücken so
vollkommen identisch,
daß alles aus einer
Werkstatt herrühren
muß. Es ist ohne
weiteres ersichtlich,
daß die Stoffe nicht im
XII. Jahrh. entstanden
sein können; die Zu-
weisung an den hei-
ligen Leopold ist nur
ein Beispiel mehr für
den weitverbreiteten
Brauch, sehr alte Gewebereste oder Meß-
gewänder unbekannter Herkunft auf den Orts-
patron oder Kirchenstifter zurückzuführen.
Der fortgeschrittene Naturalismus der Wein-
blätter, eines erst im XIII. Jahrh. in die
Seidenornamentik eintretenden frühgotischen
Motivs, der Hähne und besonders der un-
gemein lebendig aufgefaßten Hasen weist viel-
mehr deutlich aufdie Frühgotik des XIII. jahrh.
hin. Demnach kann nur abendländische Arbeit

Abb. 4

in Frage kommen; im ganzen italienischen
Denkmälerbestand — vom muslimischen und
ostasiatischen nicht zu reden — ist jedoch gar
nichts Ähnliches zu finden. Nicht allein die
auffallend magere, offene, streumusterartige
Zeichnung, sondern auch die ganz eigentümlich
gerippte Bindung der Goldmuster ist voll-
kommen unitalienisch. -■ Dies negative Er-
gebnis würde zur Zu-
weisung an Paris noch
nicht genügen, ob-
schon der Naturalis-
mus an einen der
Wiege derGotik nahen
Betriebsort denken
läßt; auch die für
Frankreich deutbaren
Motive der Fische
und Lilien sind keine
ausreichende Stütze.
Beweiskräftig aber ist
die Wiederkehr ver-
wandter Muster auf
einem zweifellos fran-
zösischen Kunstwerk
vom Ausgang des
XIII. Jahrh. Auf der
Elfenbeingruppe der
Marienkrönung im
Louvre.diedem I 'unser
Kunstkreis angehört
(Molinier, Ivoires Taf.
15), ist von der ur-
sprünglichen Gold-
musterung derGewän-
der noch so viel erhal-
ten, daß man auf dem
Mantel die um heral-
dische Lilien ins Kreuz
gestellten Fische mit
den überzähligen Flos-
Sen, auf der Brust die
langgestielten dreilap-
pigen Weinblätter deutlich erkennen Kami
(Abb. 4). Es ist kein Zweifel, daß dem Bemaler
der Gruppe Stoffe der fraglichen Gattung als
Modell vorgelegen haben. Damit ist nicht nur
eine zuverlässige I >atiei ung der Gewebe, n indei n
auch, im Zusammenhang mit ihrer stillst!» h< d
Sonderstellung und der urkundlichen Nachricht
über die Pariser Seidenweberzunft, ein brauch*
bares Herkunftszeugnis gewonnen,

Berlin. Otto v. Fall.'
 
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