Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

DOI Artikel:
Arntz, Ludwig: Wegekreuz und Wegebild, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0050

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
71

1912. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

72



oder es sind Zeichen, die dem Andenken
oder der Andacht gewidmet sind (Stiftungs-
urkunden). In jedem Falle findet die un-
bedingte Achtung vor Recht und Gesetz und
vor der Majestät des Todes in einem Sinn-
bild des christlichen Glaubens sprechenden
Ausdruck. Nach uraltem Herkommen und
Gebrauch hat man am Wegerand oder an
der Wegescheide als Zeichen der Hoheit und
Gerichtsbarkeit, wie zur Bezeichnung gesetz-
lichen Eigentums, Kreuze gesetzt. Spricht
doch schon Papst Leo III. (i. J. 779) den
ausdrücklichen Wunsch aus, — „man möge
an Wegesecken, wo man sich zu begegnen
pflegt, Kreuze errichten 1)". Unter die Hoheits-
zeichen entfallen auch die Mark- oder Grenz-
steine, die Bann- und Friedsäulen sowie die
Marktkreuze, von denen sich eine Anzahl in
einigen Städten (u.a. in Trier, Nideggen) erhalten
haben. Außer den Marktplätzen wurden auch die
Gerichtsstätten mit bestimmten Kreuzen be-
zeichnet. Nachweislich wurden noch i. J. 1271'
am Niederrhein Kreuze „als Zeichen des
öffentlichen oder Gottesfriedens" aufgestellt
und nach Beendigung der Markt- und Send-
gerichtstage in Verwahr genommen2). Es
wird sich dabei in der Regel um hölzerne
Kreuzstöcke gehandelt haben, die in einem
festen steinernen Untersatz oder Sockel vor-
übergehend eingesetzt wurden. Ein bemer-
kenswertes Kreuz dieser Art mit angehefteter
Schwurhand und angehängtem Richtschwert
hat sich in Neustadt i. O. erhalten (vgl. Abb. 1.1).
Nach allgemeinem Gebrauch hat man auch
die Marken oder Grenzen gemeindlichen Be-
sitzes an den gegebenen Wegscheiden, vor
allem am Anfang der Ortschaft oder des
Dorfes mit Kreuz oder Bild bezeichnet. Aus
dieser bildlichen Grenzbezeichnung der Ge-
meinde hat sich der spätere Rechtsbegriff des
Weichbildes zwanglos entwickelt. Es ist ver-
ständlich, daß man im Laufe der Zeit bei
Begrenzung des Eigentums den ursprünglichen
(hölzernen) Grenzpfahl durch den dauerhaf-
teren Grenzstein oder das steinerne Grenz-
bild, den Markpfahl durch den Markstein,
den Bannpfahl durch die Bannsäule ersetzte.
Eine besondere rechtliche Bestimmung liegt
den Sühnezeichen zugrunde: Dem Sühne-
geld, das nach altgermanischem Rechtsgebrauch

l) Vgl. Libri Carolini von Alkuin.
l) Cbartolarium Joh Episc Tnüect. bei Du Cange,
Glossarium II. 680.

auf Mord und Totschlag stand, wurde durch
Urteilspruch ein sichtbares Zeichen der Sühne
beigefügt, welches der Mörder an der Blut-
stelle setzen mußte, Sühnekreuz oder
Sühnebild. Auf dem Denkstein wird in
der Regel ein auf den Mörder oder den Er-
schlagenen bezügliches Zeichen eingeritzt oder
eingehauen, entweder die Mordwaffe (Schwert,
Dolch, Beil, Pfeil, Hammer usw.) oder das
Handwerkzeug (Pflugschar, Kelle, Löffel, Schere,
Schild, Hippe, Spaten, Schuh, Weberschiff
usw.) oder auch das Bild des Ermordeten oder
Erschlagenen. Als sich die ursprüngliche Be-
deutung der Sühne- oder Mordkreuze im
Volksbewußtsein verwischte oder verlor, hat
man diese Wegezeichen häufig mit dem An-
denken an frühere Kriegsbedrängnis verknüpft
und die Denksteine am Wege vielfach als
Hussiten-, Türken-, Russen-, Franzosen-,
Schwedenkreuze bezeichnet; in Hessen werden
sie Bonifazius- oder Zehntkreuze genannt:l).
Diese Sühnekreuze leiten zu verwandten Wege-
zeichen über, die zur Erinnerung an plötzlich
am Wege Verstorbene oder Verunglückte er-
richtet werden — ein Gebrauch, der noch
heute im Mittel- und Hochgebirge in Bild-
stöckel, Marterl oder Totenbrettern beredten
Ausdruck findet.

Eine besondere Stellung nehmen der Be-
stimmung nach diejenigen Wegezeichen ein,
die dem Andenken an bestimmte Erlebnisse
oder Geschehnisse oder der christlichen An-
dacht im allgemeinen gewidmet sind. Schon
in der Vita St. Ludgeri (im IX. Jahrh.) wird
von Kreuzen erzählt, die zur Erinnerung an
ein bestimmtes Wunder errichtet wurden4).
Noch im XIII. Jahrh. war es üblich, daß bei
größeren Leichenbegängnissen Kreuzeszeichen
an den Stellen des Weges errichtet wurden,
an denen die Leiche längere Zeit niedergesetzt
wurde5). Aus dem schlichten Zeichen per-
sönlicher Erinnerung haben sich oft im Laufe
der Zeit Stalten regelmäßiger Andacht heraus-
gebildet. Wegekreuz oder Wegebild dienten
bei Bittgängen oder Pilgerfahrten als Ruhe-
punkt, indem für die Aufnahme einer Kreuz-
partikel oder der Monstranz geeignete Vor-
kehrungen durch Nische, Kragstein oder Altar-
platte getroffen wurden. I'.is einfache Feld-

') Vgl. Bergner, »Bürgerliche KuntialtertUmei .
*) Vgl. ActJ s s Benedict. a»ec. 4. part [.pag.48.

;,| Libei Miracul. M. S. S. S. ad annuin 1271 bei

Du Cang.- Gloauriutn II. lisn
 
Annotationen