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1912.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.
100
Dort sind sie zwar weniger bewegt in ihrer
Haltung als hier, aber die Art, wie sie ihre
Rauchfässer halten, die einzelnen Bewegungs-
motive ihrer Arme kehren hier genau wieder,
und auch die Stellung der Flügel ist fast die
gleiche wie dort. Zweifellos hat das Straß-
burger Tvmpanon hier als Vorlage gedient.
Von einem so rohen Werk, wie es diese
Kaysersberger Portalskulpturen sind, auch
Übereinstimmung in den Gesichtstypen zu
verlangen, würde zu weit gehen, da dieser
Künstler Mühe genug hatte, seinen Köpfen
überhaupt etwas Menschenähnlichkeit zu geben.
Dagegen beachte man, wie er versucht hat,
die wunderbar feine Faltengebung des Straß-
burger Meisters auf seine Weise nachzubilden.
Man vergleiche z. B. auf beiden Werken die
Faltenschlingen zwischen den Beinen Christi
oder die straff angezogene Gewandung über
den Knien der Madonna. Offenbar hatte es
ihm die freie, leicht fließende Gewandbehand-
lung des Straßburger Meisters angetan. So
ist ein ganz merkwürdiges Faltengeriesel ent-
standen.
Voraussetzung für unser Kaysersberger
Tvmpanon ist nach allem dem, daß zur Zeit
seiner Entstehung die Straßburger Portal-
skulpturen bereits existierten.7) So wird es
sich nun für uns darum handeln, das Kaysers-
berger Portal, wenn irgend möglich, genauer
zu datieren.
Aus der Figur des Cunradus scheint sich
dabei kein Anhaltspunkt gewinnen zu lassen.
In den allerdings nicht übermäßig zahlreichen
Urkunden aus dieser Zeit läßt sich nirgends
ein Cunradus, sei es als Pfarrer, sei es auch
als Laie nachweisen, der vielleicht mit dem
auf unserem Portal Dargestellten zu identi-
fizieren wäre.8) So bleiben uns nur die archi-
'■\ Man darf vielleicht in diesem Kaysersberger
Tvmpanon ein Zeugnis dafür erblicken, welchen Ein-
druck die Skulpturen des Slraliburger Meisters zur
Zeit ihrer Entstehung ajn Oberrhein gemacht haben
müssen, wo man noch stark in den romanischen Tradi-
tionen befangen war.
*) Eine Urkunde König Heinrichs von 1227
(K. Albrecht, »Rappoltsteinisches l'rkundenbuch«,
Kolmar 18**] ff>. ' S 71) nennt einen Konrad von
Hotburg Walter und Konrad von Hoiburg
Anselm und Ulrich von RappolUtein verkauften in
diesem Jahre alle ihre Rechte in der Burg K
berg und in dem Ort selbst an Heinrich unter der
Bedingung, dal' die Gemeinde kein Stadtrecht erhielte.
An diesen Konrad könnte man als Stifter der Kirche
denken und in ihm den an unserem Portale Darge-
tektonischen Formen und das ornamentale
Detail des Portales zur Beurteilung seiner
Entstehungszeit.
Das Kaysersberger Portal ist jedenfalls
gleichzeitig mit der übrigen spätromanischen
Kirche entstanden, die sich trotz späterer
gotischer Erweiterungen in dem heutigen Bau
noch erkennen läßt. Die Westfassade zeigt
noch deutlich die Umrisse einer dreischiffigen
Basilika mit erhöhtem Mittelschiff. Erst später
hat man alle drei Schiffe unter einem einzigen
Dache vereinigt. Im Inneren haben sich die
alten Mittelschiffswände erhalten, wenn auch
mit späteren Veränderungen. Es läßt sich
feststellen, daß die ursprüngliche Kirche drei
Joche im Mittelschilf und je sechs in den
Seitenschiffen zählte. °j Sie war in allen
Teilen mit Rippengewülben überwölbt. Von
den Stützen haben sich nur die Hauptstützen
erhalten. Die Zwischenstützen hat man später
beseitigt und große Spitzbögen von Haupt-
pfeiler zu Hauptpfeiler gespannt. So läßt sich
nicht mehr bestimmen, ob die ursprünglichen
Scheidebögen rundbogig oder spitzbogig waren.
Die Pfeiler selbst bestehen aus einem quadra-
tischen Kern, an den sich vier kräftige Halb-
säulen anlehnen, zeigen also noch durchaus
romanische Gliederung.
Man hat die Kaysersberger Kirche langt
Zeit zu früh datiert. Kraus1") wies sie dem
Übergangsstil des ausgehenden zwölften, Po-
laczek" bereits dem dritten Vierte! des
zwölften Jahrhunderts zu. Neuerdings setzt
man sie etwas später an. Dehios Handbuch
bringt ihre Erbauung mit der Gründung der
Stadt durch Kaiser Friedrich II., 1227, in
Verbindung.12) Doch beruht diese Angabe
auf einem Irrtum. Kavsersberg erhielt erst
1293 von Adolf von Nassau Stadtrecht.,;')
1 - -" erfolgte nur der Ankauf der Burg durch
den Kaiser, wobei dieser ausdrücklich geh'Un
mußte, die Ansiedelung, die sich am Fuße
stellten vermuten. Doch scheint es mit durch i
Iracht und Attribute ausgeschlossen. Aueli wird ja
dieser Konrad von Horburg hier nur neben drei
anderen als Mitbesitzer dir Kaysersbergei Burg g'-
nannt, die nicht der StammiiU seines I Luises war.
•l Vgl. den GrtindriB bei Kraus a. a. < >. S. l'.i.'i.
l0l a. a. I I. S. 19.V
"> ... .,. I'. s. |4.
■-'i IV s. 17«.
") Vgl. »Das Keichsland Elsaß-Lothringen«, Straß-
1901—03, II S, Ü08, ferner oben Anmerkung 8
und A. Meister, »De- riohenstauferj im I
Strasburg l-
1912.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.
100
Dort sind sie zwar weniger bewegt in ihrer
Haltung als hier, aber die Art, wie sie ihre
Rauchfässer halten, die einzelnen Bewegungs-
motive ihrer Arme kehren hier genau wieder,
und auch die Stellung der Flügel ist fast die
gleiche wie dort. Zweifellos hat das Straß-
burger Tvmpanon hier als Vorlage gedient.
Von einem so rohen Werk, wie es diese
Kaysersberger Portalskulpturen sind, auch
Übereinstimmung in den Gesichtstypen zu
verlangen, würde zu weit gehen, da dieser
Künstler Mühe genug hatte, seinen Köpfen
überhaupt etwas Menschenähnlichkeit zu geben.
Dagegen beachte man, wie er versucht hat,
die wunderbar feine Faltengebung des Straß-
burger Meisters auf seine Weise nachzubilden.
Man vergleiche z. B. auf beiden Werken die
Faltenschlingen zwischen den Beinen Christi
oder die straff angezogene Gewandung über
den Knien der Madonna. Offenbar hatte es
ihm die freie, leicht fließende Gewandbehand-
lung des Straßburger Meisters angetan. So
ist ein ganz merkwürdiges Faltengeriesel ent-
standen.
Voraussetzung für unser Kaysersberger
Tvmpanon ist nach allem dem, daß zur Zeit
seiner Entstehung die Straßburger Portal-
skulpturen bereits existierten.7) So wird es
sich nun für uns darum handeln, das Kaysers-
berger Portal, wenn irgend möglich, genauer
zu datieren.
Aus der Figur des Cunradus scheint sich
dabei kein Anhaltspunkt gewinnen zu lassen.
In den allerdings nicht übermäßig zahlreichen
Urkunden aus dieser Zeit läßt sich nirgends
ein Cunradus, sei es als Pfarrer, sei es auch
als Laie nachweisen, der vielleicht mit dem
auf unserem Portal Dargestellten zu identi-
fizieren wäre.8) So bleiben uns nur die archi-
'■\ Man darf vielleicht in diesem Kaysersberger
Tvmpanon ein Zeugnis dafür erblicken, welchen Ein-
druck die Skulpturen des Slraliburger Meisters zur
Zeit ihrer Entstehung ajn Oberrhein gemacht haben
müssen, wo man noch stark in den romanischen Tradi-
tionen befangen war.
*) Eine Urkunde König Heinrichs von 1227
(K. Albrecht, »Rappoltsteinisches l'rkundenbuch«,
Kolmar 18**] ff>. ' S 71) nennt einen Konrad von
Hotburg Walter und Konrad von Hoiburg
Anselm und Ulrich von RappolUtein verkauften in
diesem Jahre alle ihre Rechte in der Burg K
berg und in dem Ort selbst an Heinrich unter der
Bedingung, dal' die Gemeinde kein Stadtrecht erhielte.
An diesen Konrad könnte man als Stifter der Kirche
denken und in ihm den an unserem Portale Darge-
tektonischen Formen und das ornamentale
Detail des Portales zur Beurteilung seiner
Entstehungszeit.
Das Kaysersberger Portal ist jedenfalls
gleichzeitig mit der übrigen spätromanischen
Kirche entstanden, die sich trotz späterer
gotischer Erweiterungen in dem heutigen Bau
noch erkennen läßt. Die Westfassade zeigt
noch deutlich die Umrisse einer dreischiffigen
Basilika mit erhöhtem Mittelschiff. Erst später
hat man alle drei Schiffe unter einem einzigen
Dache vereinigt. Im Inneren haben sich die
alten Mittelschiffswände erhalten, wenn auch
mit späteren Veränderungen. Es läßt sich
feststellen, daß die ursprüngliche Kirche drei
Joche im Mittelschilf und je sechs in den
Seitenschiffen zählte. °j Sie war in allen
Teilen mit Rippengewülben überwölbt. Von
den Stützen haben sich nur die Hauptstützen
erhalten. Die Zwischenstützen hat man später
beseitigt und große Spitzbögen von Haupt-
pfeiler zu Hauptpfeiler gespannt. So läßt sich
nicht mehr bestimmen, ob die ursprünglichen
Scheidebögen rundbogig oder spitzbogig waren.
Die Pfeiler selbst bestehen aus einem quadra-
tischen Kern, an den sich vier kräftige Halb-
säulen anlehnen, zeigen also noch durchaus
romanische Gliederung.
Man hat die Kaysersberger Kirche langt
Zeit zu früh datiert. Kraus1") wies sie dem
Übergangsstil des ausgehenden zwölften, Po-
laczek" bereits dem dritten Vierte! des
zwölften Jahrhunderts zu. Neuerdings setzt
man sie etwas später an. Dehios Handbuch
bringt ihre Erbauung mit der Gründung der
Stadt durch Kaiser Friedrich II., 1227, in
Verbindung.12) Doch beruht diese Angabe
auf einem Irrtum. Kavsersberg erhielt erst
1293 von Adolf von Nassau Stadtrecht.,;')
1 - -" erfolgte nur der Ankauf der Burg durch
den Kaiser, wobei dieser ausdrücklich geh'Un
mußte, die Ansiedelung, die sich am Fuße
stellten vermuten. Doch scheint es mit durch i
Iracht und Attribute ausgeschlossen. Aueli wird ja
dieser Konrad von Horburg hier nur neben drei
anderen als Mitbesitzer dir Kaysersbergei Burg g'-
nannt, die nicht der StammiiU seines I Luises war.
•l Vgl. den GrtindriB bei Kraus a. a. < >. S. l'.i.'i.
l0l a. a. I I. S. 19.V
"> ... .,. I'. s. |4.
■-'i IV s. 17«.
") Vgl. »Das Keichsland Elsaß-Lothringen«, Straß-
1901—03, II S, Ü08, ferner oben Anmerkung 8
und A. Meister, »De- riohenstauferj im I
Strasburg l-