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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Schubring, Paul: Italienische Bilder des XIV. und XV. Jahrhunderts im Museum Schnütgen in Köln, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0081

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Abhandlungen.

Italienische Bilder des XIV. und XV.

Jahrhunderts im Museum 'Schnütgen

m\ Köln.

(Mit 6 Abbildungen, Tafel IV und V.)
I.

ie Sammlung Schnütgen hat
ihren Schwerpunkt im deut-
schen Mittelalter. Aber auch
das, was dem eifrigen Spür-
sinn des Vaters dieser schönen
Sammlung nebenher in die
Hand fiel, verdient Beachtung.

Schon seit Jahren hatten mich einige
kleine italienische Bilder, die mitten zwischen
gotischen Bildwerken und Kruzifixen in dem
Hause des Besitzers versteckt hingen, inter-
essiert. Jetzt erst in der neuen Aufstellung
der Sammlung kann man die Tafeln voll
würdigen, und ich mache gern von der Auf-
forderung des Direktors Gebrauch, einiges
über diese Bilder zu sagen. Alle Bilder hängen
im Raum XIV, meist an der Längswand, nur
das erste steht in der Vitrine.

Zu den frühesten Stücken gehört ein be-
maltes, 60 cm hohes, hölzernes Vortragskreuz,
das, wie stets bei solchen auf hohem Stab
vorangetragenen Prozessionskreuzen, auf beiden
Seiten bemalt ist. Die Vorderseite zeigt den
Gekreuzigten mit gesenktem Haupt im Augen-
blick des Todes; auf den langen, gelben Locken
lastet die Dornenkrone. Über dem Kreuz
leuchtet die rote Inritafel mit den goldenen
Buchstaben fast festlich; darüber das leisere
Still leben des Pelikans. Auf den Vierpässen
sieht man oben den jungen Christ mit rotem,
geschlossenem Buch; links weist Maria mit
der rechten Hand zu Christus hinauf, rechts
ringt Johannes im Schmerz die gefalteten
Hände. Unter dem Kreuz grinst der Adam-
schädel. Zeigt dieser Kiuzifixus den schon
verstorbenen Herrn, so wird der der Rück-
seite noch lebend dargestellt, wie er in den
Verzweiflungsruf: Eli Eli lama sabathani
ausbricht. Hier erscheint Gottvater im oberen
Vierpaß, aus dem geöffneten Buch die
ksalsworte vorlesend. Seitlich nehmen
die Evangelisten Matthäus und Lukas das
Diktat auf

Dies feine Stück ist zweifellos in Siena
um 1380 gemalt worden, wahrscheinlich von
dem Meister Francesco di Vanuccio, von
dem sich ein ähnliches Stück in der Privat-
sammlung Kauffmann in Berlin (44 cm hoch;
vgl. Katalog der Sammlung Kauffmann Abb.
Tafel 51) befindet. Verwandte Stücke, z. B.
von Sano di Pietro, in der Dresdener Galerie.
Siena war die Stadt des feinen, zieren Dekors in
jener Zeit. Aus unscheinbaren Aufgaben
erwuchsen Kunstwerke seltenster Zartheit.
Durch den leisen Rhythmus, der bei unserm
Stück durch den Gegensatz des schon ge-
storbenen zu dem noch lebenden Christus er-
zeugt wird, wächst das kleine Stück in ergrei-
fendem Vortrag: auf der einen Seite ein Vater,
der seinen Sohn sterben sieht und den Schrei
hört, auf den er nicht antworten darf; auf
derandern der Kontrast des jungen, blühenden
Helden, dem wie einem Kronprinz die Welt
offensteht, zu der ach so frühen, marter- und
schandvollen Todesstunde. Nun denke man
sich dies bunte Kreuz in blitzender Sonne,
schwebend über den Köpfen eines Mönch-
zugs, über Nonnenkutten oder Flagellanten-
hemden.

Aus der gleichen Zeit, vielleicht etwas
früher, und der gleichen Schule von Siena an-
gehörend, stammt der 16X20,5 cm große,
dreieckige Altaraufsatz mit der Halbfrgur des
hl. Franz (Abb. I), der mit der Rechten auf
die Seitenwunde zeigt, während die Linke das
kleine Rohrstabkreuz hält. Meist pflegt die
Wunde des Stigmatisierten an der Herzseite
zu sein; aber die Wendung des Heiligen nach
rechts gibt der rechten Körperseite hier den
Vorzug. In solchen Fragen waren die Maler
sorglos; der Louvre hat kürzlich ein herrliches
Bild des Gekreuzigten aus der Jugendzeit
Giov. Bellinis erworben, auf dem ebenfalls die
Wunde auf der falschen Seite sitzt. Doch
dies ikonographische Detail ist nebensächlich
für die feierliche Gesamtwirkung dieser auf
dem Goldgrund in der braunen Barfüßerkutte
SM mild und still erscheinenden Figur. Die
Maler des Trecento wissen mit wenig Bewegung
Ungemeines zu erreichen. Ein Oberkörper
genügt ihnen, um daran die Klarheit der
Erscheinung, die Würde der Person und die
 
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