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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Schubring, Paul: Italienische Bilder des XIV. und XV. Jahrhunderts im Museum Schnütgen in Köln, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0082

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131

1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNSl' _ Nr 4.

132

Fülle der Innerlichkeit darzustellen. Solch ein
Aufsatzstück eines Altars saß vermutlich mit
anderen Giebelstücken über der Haupttafel,
wo die Hauptkomposition, meist eine Ma-
donna mit Heiligen, dargestellt war. Zu dem
feierlichen Klang der Hauptfiguren flüsterte
die kleinfigurige Predella eine zarte Neben-
weise, und die Akkorde verklangen in eben
diesen mit Halbfiguren geschmückten Giebel-
aufsätzen. Man muß diese alten Altarbilder
im vollen Glanz ihres alten Rahmens,
im starken Rhythmus großer und kleiner,
steiler und wagerechter Flächen sehen, um
den Sinn solch eines
„goldenen Hauses"
zu würdigen. Nichts
ist Zufall, alles ist
klug eingeordnet in
die Welt des Ver-
klärten. In den
Museen hängen meist
nur die Reste, die
Mitteltafeln oder die
eine und andere Pre-
della. Denn der alte
Rahmen ist längst
zerschlagen, das go-
tische Gehäuse mußte
einem Barockaltar
weichen, und manche
Predella hängt heute
in einem schot-
tischen Schloß. Eine
gut erhaltene, alte
Ancona findet man
z. B. noch in der
Kirche der Impru-
neta bei Florenz,
wo Pietro Nelli 1871 das Ganze gemalt und
gerahmt hat. Auch der Rinuccini-Altar in
der Sakristei von Sa Croce von 1.-577 ist noch
gut erhalten. Den Meister unseres Franz-
bildes suche ich in der Schule Simone
Martinis; einige Details weisen jedenfalls
deutlich auf Siena und nicht auf Florenz.

Ikonographisch äußerst interessant ist das
Madonnenbild (Abb. 2) im dreieckigen Ab-
schluß (ursprünglich wohl die Mitte eines
Hausaltärchens), wo die thronende Madonna
von Catharina, Bartholomeus, Ambrosius und
einem Bischöfe umstanden und von zwei
Engeln verehrt wird, während vor dem Thron
auf dem Rasen die mit leichten Schleiern

Abb. 1.

Schule Simone Martinis, um 184U.
Köln. Schnütgen-Museum.

kaum verhüllte Eva liegt mit ihren Kindern
Kain und Abel. Der achteckige Heiligen-
schein weist auf das Unvollkommene der
Heiligung. Ihr Schriftband enthält die Worte:
CONDOLOR ■ PAV . . . . Offenbar handelt
es sich um eine Illustration des Protevan-
gcliums, um das Thema von Sünde und Er-
lösung.

Diese kleine Darstellung geht auf ein
größeres Mutterfresko zurück, das Ambrogio
Lorenzetti in der Abtei von S. Galgano
bei Siena um 1330 gemalt hat. (Photogr.
Lombardi, Siena.) Hier erscheint auf der

großen Lunette die
thronende Maria,
umgeben von 1 ~2
Heiligen und 8 En-
geln, vor den Stufen
des Thrones liegt die
in ein Fellhemd ge-
kleidete Eva (ohne
die Kinder). Sie hält
in der Linken eine
Feige, in der Rechten
ein Spruchband mit
der Inschrift: Fei
/iecca/0 per che passio ne
sofferse (liristo che
questa rc/ta sorte per
eins ventrem a mo-
stni rtdtntiont. Trotz
mancher Fehler ist
der Sinn klar: Eva
ist die Schuldige, die
den Tod Christi ver-
anlaßte, Maria ist
die Gnadenbringerin.
Dieses große, dog-
matische Fresko Ambrogio Lorenzettis hat
viel Nachahmung gefunden. So findet sich
in der Galerie von Altenburg Nr. 49 ein dort
ebenfalls Ambrogio Lorenzelti zugeschriebenes
Bild mit 8 Heiligen und 6 Engeln, "über der
halbrund abschließenden Haupttafel ein spitz-
bogiges Oberstück mit der Kreuzigung. Hier
wird die Schlange neben Eva sichtbar, und
letztere wehrt die alte Muhme ab mit den
Worten: serpens ine deeepit et comedi. Die
Versuchungsworte der Schlange stehen rechts
und links am Rand des erhöhten Fußbodens.
Dieselben Worte kehren in dem Bild des Louvre
Nr. 1621 wieder, wenigstens der Satz serpens
me deeepit. Außerordentlich ist hier der

S. Francesco.
 
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