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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Arntz, Ludwig: Wegekreuz und Wegebild, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0090

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147

1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 4.

148

gehalten wird und lediglich zur Aufnahme eines
Andachtsbildes bestimmt wird. Ein Beispiel
dieser Art ist zunächst aus Güttersbach
bei Erbach im Odenwald wiedergegeben, das
noch deutlich die gotische Überlieferung zeigt.
In der auf quadratischem Pfeiler vorgekragten
Nische ist in eigenartiger Weise das Bild des
gekreuzigten Heilandes maßwerkartig ein-
gefaßt (vgl. VII. 86). Diese Form leitet zu
den späteren Bildsäulen über, die unter
VII. 91—94 aufgezeichnet sind. An Stelle
des Pfeilers tritt in der Regel der Säulen-
schaft, der meist auf besonderem Sockel auf-
setzt. An Stelle des Nischenkopfes tritt eine
vorladende Nischenplatte, welche in schwäche-
rem oder stärkerem Relief ein Andachtsbild
zeigt. Besonders eigenartig ist die Bildsäule
von Möhrenhardt im Odenwald (vgl. VII.
91), welche die Jahreszahl 1535 aufweist. In
das XVI. Jahrh. dürfte auch das Brückenbild
von Miltenberg mit der edlen Darstellung
des hl. Laurentius zu setzen sein (vgl. VII. 93).
Bei der Bildsäule von Kailbach-Ernsttal
im Odenwald (vgl. VII. 92) ist der Säulen-
schaft im Tahre 1792 erneuert worden. Als
letztes Beispiel dieser Reihe sei auf Abb. 94
verwiesen. Diese Bildsäule aus dem XVII. Jahrh.
ist aus einem Sandstein gearbeitet; der Kopf
zeigt im flachen Relief auf der Vorderseite
Christus am Kreuz, auf den Seitenflächen
Maria und Johannes.

Wie die Form des Bildstockes läßt sich
auch die Form der Bildsäule sehr gut in
Württemberg, Bayern, Schlesien und Öster-
reich verfolgen, wobei die typische Form der
Epitaphien vorherrscht. Eine andere Fort-
bildung hat die Form der Bildsäulen insofern
erfahren, als Pfeiler oder Säule in einer freien
Standligur endet, die einen in dem Land-
strich besonders verehrten Schutzheiligen dar-
stellt, wie z. B. die Heiligen Martin, Florian,
Sebastian, Wendelinus, Wolfgang, Kilian, Urban,
Hubertus, Nepomuk. Die monumentalste Aus-
bildung hat die Bildsäule bekanntlich in den
Mariensäulen und sogenannten Pestsäulen des
XVII. u. XVIII. Jahrh. gefunden, welche zur
kühnsten Virtuosität in der Behandlung des
plastischen Bildwerkes angeregt haben.

Bei den behandelten Bildstöcken in Stein
waren naturgemäß der Bemessung von Pfeiler
und Nische bestimmte Grenzen gezogen. Bei
der Herstellung größerer Andachtsnischen, die
das Breitenmaß von 33 cm und ein Tiefen-

maß von 30 cm überschritten, mußte schon
eine andere Technik Platz greifen. Diese aus
größeren Quadern, Bruchstein oder Ziegeln
hergestellten Andachtsnischen, welche gemein-
hin am Niederrhein als Heil igenhäuschen
bezeichnet werden, sollen in einigen Beispielen
veranschaulicht werden. (Vgl. Tafel VIII.)
Den Übergang vom Bildstock zum Heiligen-
häuschen bezeichnet die unter 98 abgebildete
Andachtsnische von Mu ffendor f (Bonn). Es
ist eine der sieben Stationen, welche an den
Hauptzugängen des Ortes im XVIII. Jahrh.
aufgerichtet wurden, höchstwahrscheinlich als
Ersatz älterer Weichbilder.4) Auf hohem, in
kräftigen Quadern ausgeführtem Untersatz er-
heben sich in starker Vorladung die geräu-
migen Nischen, welche mit Hauptgesims und
Giebel abgeschlossen sind. In den sieben
Nischen sind jetzt neuere Bildwerke (Die
sieben Schmerzen Maria) angebracht. Die
später vorgelegte, kleinere, von einem Baluster
gestützte Allarplatte ist für den Gottesdienst,
bei Umgängen oder Bittgängen bestimmt.
Auch für die eigentlichen Heiligenhäuschen
ist ganz wesentlich das Vorhandensein einer
durchgreifenden Altarplatte, über welcher sich
unmittelbar die gemauerte Nische erhebt. Die
Entwickelung aus dem Feldaltar tritt über-
zeugend hervor bei dem romanischen Heiligen-
häuschen von Gerresheim (Düsseldorf) (vgl.
VIII 96). Unterbau und Oberbau ist in
Quadern errichtet, die Nische ist mit einem
kräftigen, ornamentierten Hauptgesims abge-
schlossen. Eine ursprüngliche, zugehörige Giebel-
abdeckung dürfte wohl zu ergänzen sein.6)
Aus gotischer Zeit haben sich nur wenige
Andachtsnischen erhalten; neben der geschlos-
senen Nische mit steilem Giebel findet sich
auch ein mehr durchbrochener Pfeileraufbau
mit baldachinartigem Abschluß. An den ein-
fachsten gotischen Typus erinnert noch das
unter 97 abgebildete Heiligenhäuschen von
Unkelbach — welches, wie leider so manche
rheinische, eine wenig geschmackvolle Beklei-
dung und Auskleidung mit Grottensteinen er-
fahren hat. Ein sehr eigenartiges, spät-
gotisches Heiligenhäuschen steht an der Land-
Straße Oberwin te r- R ema ge n , beim Ein-
gang in das Unkelbachtal vgl. VIII. 10J).
Es ist aus Bruchsteinen und Werkstücken in

*) Vgl. Kuustdenkmälerd,Rheinprovinz, EOeia Bonn.
5) Vgl. Kunstdenkmäler der Rheirjprovinz, Kreis
Düsseldorf.
 
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