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1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. r,.
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hl. Martin, sondern auch zu dem jugendlichen
Johannes der Vorhallenstirnwand vorhanden.
Der Kurfürst erscheint diesen beiden sehr
verwandt und mutet wie ein Gemisch aus
diesen beiden an. Mund, Kinn und Doppel-
kinn, wie die ganze Unterpartie des Gesichtes
des Kurfürsten und ebenso die ovale Rundung
der Wangen sind vom hl. Martin entnommen.
Die Haarbehandlung mit den schneckenförmig
gedrehten
Locken und
die Behand-
lung der
Augen da-
gegen stam-
men vom
hl. Johannes.
Ich erachte
die Figur
des Kur-
fürsten von
Sachsen dem-
nach als nach
einem Ent-
würfe Hart-
manns von
einem Ge-
sellen gear-
beitet, der
mit an der
Ausführung
der 19 Vor-
hallenstirn-
wandfiguren
beschäftigt
war. — Über
das Körper-
gefühl, die
Bildung der
Beine und
die Haltung
der Glieder
wäre bei dem Kurfürsten von der Pfalz dasselbe,
namentlich auch über die Beziehungen zum
hl. Martin wie bei dem von Sachsen zu sagen.
Zum Glück finde ich für seinen Typ einen
Kopf unter den Yoihallenstimwandfiguren, der
alle nur wünsc hbaren Analogien aufweist.
Ich meine den hl. Bartholomäus dort. Die
Beziehungen sind so offensichtlich, daß sich
jedes Wort erübrigt. Die grubenförmig, tief-
liegenden Augen mit den schweren Unter-
lidern, die starke Herausarbeitung der Ober-
Abb 5.
augenknochen, die Behandlung des Schnur-
und Vollbartes, die der Stirn und der Wangen
überzeugen zur Genüge hiervon. Auch bei
dieser Figur entscheide ich mich für einen
Entwurf Hartmanns und Ausführung durch
einen an den Vorhallenstirnwandfiguren be-
teiligten Gesellen.
Sehr eigentümlich mutet die Gestalt des
Kurfürsten von Brandenburg an (Abb. 5). Ich
gebe bei ihr
fremde Ein-
flüsse gerne
zu. Ja es
scheint mir
ohne allen
Zweifel, daß
sievoneinem
Künstleraus-
geführt ist,
der burgun-
dische Pla-
stiken aus
eigner An-
schauung
sehr genau
kannte. Im
Entwurf mag
sieallerdings
von Hart-
mann her-
rühren,wofür
ihreStellung,
Haltung und
Gewandung
sprechen. Das
Neue, und
zwar spezi-
fisch Burgun-
dische sehe
ichimTypus,
der aller-
dings auch
noch Nachklänge, wenn auch nur verwischte an
Hartmannische Skulpturen aufweist, und in
der Anbringung der seltsamen, burgundischen
Mütze. Der Künstler hat sich trotz allem
aber der Formensprache Hartmanns nicht ver-
schlossen und in vielem an das ihm von
diesem gegebene Vorbild gehalten. So er-
innert die Bildung der kleinen, geschlitzten
Augen, die Ausarbeitung der Nase und der
Wange mit dem vollen Kinne und Doppel-
kinne — wie natürlich auch Gewandung und
Abb. 6.
1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. r,.
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hl. Martin, sondern auch zu dem jugendlichen
Johannes der Vorhallenstirnwand vorhanden.
Der Kurfürst erscheint diesen beiden sehr
verwandt und mutet wie ein Gemisch aus
diesen beiden an. Mund, Kinn und Doppel-
kinn, wie die ganze Unterpartie des Gesichtes
des Kurfürsten und ebenso die ovale Rundung
der Wangen sind vom hl. Martin entnommen.
Die Haarbehandlung mit den schneckenförmig
gedrehten
Locken und
die Behand-
lung der
Augen da-
gegen stam-
men vom
hl. Johannes.
Ich erachte
die Figur
des Kur-
fürsten von
Sachsen dem-
nach als nach
einem Ent-
würfe Hart-
manns von
einem Ge-
sellen gear-
beitet, der
mit an der
Ausführung
der 19 Vor-
hallenstirn-
wandfiguren
beschäftigt
war. — Über
das Körper-
gefühl, die
Bildung der
Beine und
die Haltung
der Glieder
wäre bei dem Kurfürsten von der Pfalz dasselbe,
namentlich auch über die Beziehungen zum
hl. Martin wie bei dem von Sachsen zu sagen.
Zum Glück finde ich für seinen Typ einen
Kopf unter den Yoihallenstimwandfiguren, der
alle nur wünsc hbaren Analogien aufweist.
Ich meine den hl. Bartholomäus dort. Die
Beziehungen sind so offensichtlich, daß sich
jedes Wort erübrigt. Die grubenförmig, tief-
liegenden Augen mit den schweren Unter-
lidern, die starke Herausarbeitung der Ober-
Abb 5.
augenknochen, die Behandlung des Schnur-
und Vollbartes, die der Stirn und der Wangen
überzeugen zur Genüge hiervon. Auch bei
dieser Figur entscheide ich mich für einen
Entwurf Hartmanns und Ausführung durch
einen an den Vorhallenstirnwandfiguren be-
teiligten Gesellen.
Sehr eigentümlich mutet die Gestalt des
Kurfürsten von Brandenburg an (Abb. 5). Ich
gebe bei ihr
fremde Ein-
flüsse gerne
zu. Ja es
scheint mir
ohne allen
Zweifel, daß
sievoneinem
Künstleraus-
geführt ist,
der burgun-
dische Pla-
stiken aus
eigner An-
schauung
sehr genau
kannte. Im
Entwurf mag
sieallerdings
von Hart-
mann her-
rühren,wofür
ihreStellung,
Haltung und
Gewandung
sprechen. Das
Neue, und
zwar spezi-
fisch Burgun-
dische sehe
ichimTypus,
der aller-
dings auch
noch Nachklänge, wenn auch nur verwischte an
Hartmannische Skulpturen aufweist, und in
der Anbringung der seltsamen, burgundischen
Mütze. Der Künstler hat sich trotz allem
aber der Formensprache Hartmanns nicht ver-
schlossen und in vielem an das ihm von
diesem gegebene Vorbild gehalten. So er-
innert die Bildung der kleinen, geschlitzten
Augen, die Ausarbeitung der Nase und der
Wange mit dem vollen Kinne und Doppel-
kinne — wie natürlich auch Gewandung und
Abb. 6.