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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Raspe, Theodor: Kirchlicher Kunstbesitz des Oldenburgischen Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0152

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263

1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Ni 8.

264

mit einer der Maaswerkstätten oder den Grenz-
gebieten in Verbindung bringen müssen, deren
Einflußgebiet genau abzustecken heute noch
nicht möglich ist. Das Oldenburger Reliquiar

fortlaufende Nadelstiche erzeugt hat6). Neben
dem Punktstich, den der Graveur mit einem
scharfen Dreikantinstrument vor allem auf Um-
rahmungen, Arkaden und Friesbändern, dann

steht im Zusammenhang mit zwei in dieser i auch auf den Beinen angebracht hat, ist die

Zeitschrift veröffentlichten Stücken:1), von denen
sich das eine im Germanischen Nationalmuseum,
das andere im Viktoria- und Albert-Museum
zu London befindet. Schon die Herkunft des
Nürnberger Stückes, das in Maastricht erworben
wurde, spricht für eine Werkstätte der Maas-
gegend. Durch Gruppierung der zahllosen
Bronzekruzifixe, von denen auch das Museum
ein romanisches vom Ende des XII. Jahrb..
besitzt, und an denen vor allem die Sammlung
Schnütgen (vgl. das große verdienstvolle Werk

mit besonderer Punze hergestellte Kreisver-
zierung wichtig; sie kehrt auf den Dächern
der Ecktürme, auf den Seitenbügeln, den
Wickelbändern des Christkindes, den Kleider-
säumen der Madonna und endlich als er-
starrte Lockenstilisierung am Rande ihres
Kopfhaares wieder und weist zugleich aul die
Verwandtschaft mit den romanischen Gold-
schmiedearbeiten hin7). Wenn die Liebe zur
Buntheit in Form einer Abneigung gegen
leere Felder den mehr naiv schaffenden Meister

über die „Skulpturen" der Sammlung von ! bezeugt, so erweist sich die Kreisverzierung

Fr. Witte) reich ist, wird
sich die Kenntnis der ein-
zelnen Werkstattgegenden
ergeben.

Das Reliquiar besitzt alle
Merkmale einer alten, durch
die Technik diktierten Über-
lieferung, so daß manches
daran geradezu veraltet er-
scheint. Der Konservator
der Sammlung Schnütgen,
Fr. Witte, macht mich auf
einen bei Victor Gay4) ab-
gebildeten Reliquienkasten
aufmerksam, der offenbar
eine reichere Ausbildung und Fortführung des
Oldenburger Stücks sei. Auch als Herkunft
dieses Kastens wird „Maas" angegeben.

Die Technik ist schlicht aus dem Material
entwickelt und sehr urwüchsig, man sieht den
etwas rohen Guß fast unverhüllt, obwohl die
Gravierung in naiver Weise alles zu verfeinern
sucht und bald in einfacher Strichelung, bald in
tiefen Furchen, vereint mit einer reichen Pun-
zierung die Formen und Flächen überzieht.
Auch die Bodenunterseite, deren Mittelfeld in
Zackenbandform durchbrochen ist6), wird durch
eine ganz flüchtige Gravierung in Zickzack- oder
Leiterform gegliedert, wobei das Instrument

s) Jahrgang 1909. Sp. 303.

4I „(ilossaire" I, S. 342: damals im Besitze des
Verfa-

•l Eine Verzierungsart ganz im frühromanischen
Geschmack, z. B. auf dem KreuzfuU in Offer, den
Creutz jetzt dem XI. Jahrh. zurechnet (Abb. in l.ü. i -
Creutz „Gesch. d. .Metallkunst'- I, Seite 302 und
• Kunstdenkm. Westfalens, Kr. Münster-Land«, Taf. 30).

Abb. 3. Aquamanile. XIII. Jahrh

als uraltes Erbteil8). Anders
übrigens, nämlich aus freier
Hand, sind die Kreisorna-
mente auf beiden Seiten des
Hauptbügels hergestellt. Die
Gravierung der frfihroma-
nischen Blätter findet sich
eben falls häufiger, z. B. auf
Leuchtern Westfalens (Her-
ford, Münster)9). Aus allem
ergibt sich mithin, daß die
etwas primitive Technik doch
mehr die Folge einer rück-
schrittlichen Arbeitsweise ist
und nicht zu einer allzu-
frühen Datierung Anlaß geben darf.

Der Aufbau setzt sich aus lauter be-
kannten Einzelmotiven (Löwenfüßen, Eck-
türmen mit Bogenfenstern, Arkaden, Blattwerk
Bügeln und dem byzantinischen Schema der
Geburtsdarstellung) zusammen und bewahrt im
großen ganzen die Form der älteren roma-
nischen Reliquiare. Auch die fehlende Be-
k r i") n u n g wird sich ungezwungen in der

*) Die Gravierung, «rie !>■ i Goldachmiedearbeiten,

ist ganz nebensächlich und äul'.eist flüchtig, kommt in

Ltüniüeritchei Form auf Arbeiten der kogkeroswerk-
itltte vor; vgl, i mit/ „Die Anfinge des monu-
mentales Stils In NorddeuöchUnd" (1910), Ü*. 8
und 9.

') ScheduU dlv, art. die einschlägigen Kapitel.

"i Aulier auf prähistorischen Aib'iten vielfach aul
koptischen Kämmen und Pyxiden (Ana. d. Genn.
Nat.-Mus. IV, 11)06, S. 31 ff.), fernei auf Elfenbein-
reliefi In St Gereon und St. Andreal tu Köln, auf
dem romanischen Taufstein in dei Kathedrale n
Canterbury, m tieaaingarbeiten u. dgl.

») »Kunstdenkm. Westfalen*, Ki. Herford« l, 32.
 
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