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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Raspe, Theodor: Kirchlicher Kunstbesitz des Oldenburgischen Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0156

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271

1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 8.

272

Kunstwerk erscheint, der auch dem Heiligen-
bilde einen für unser modernes Empfinden21)
ernsten, feierlichen Zug verleiht. Die Furchen-
fältelung findet sich in gleicher Ausbildung
mehrfach, besonders gut am Kruzifix zu Erp
vom Ende des XII. Jahrh. (im Holzstil-
charakter), ferner am Marienaltar zu Brau-
weiler und bei Steinskulpturen der Rhein-
provinz22). Der Mantel der Madonna fallt
über den linken Arm und ist unterhalb der
Handwurzel tief unterschnitten ; entsprechend
trägt das Christkind über dem Hemd einen
Schoßrock, der schurzartig in Wulstform ober-
halb der Hüften herumläuft. Man sieht stark
die kräftige, derbe Art des Schnitzmessers.
Es ist kaum mehr als eine Grenzlinie; mehr
bedeuten indessen auch manche Falten der
Zeitskulptur
kaum, es ist
der line-
are S t il,
der die

Metall- und
Steinarbei-
ten, das
XII. Jahrh.,
vorzüglich
charakteri-
siert23). —
Das Kind
bewahrt die
übliche Hal-
tung mit der segnenden — jetzt fehlenden —
Rechten und dem Buch in der Linken. Das
Abstemmen des rechten Fußes verrät eine
erste, freilich sehr schwache Regung; im übrigen
ist kaum eine Verbindung mit der Maria ver-
sucht. Die Krone besteht aus einem einfachen
Spitzzackenreif, unter dem die Haare einen
Lockenkranz bilden; solche Haarperlreihen
finden sich u. a. am Turmrelief in Gustorf24),
das um die Mitte des XII. Jahrh. angesetzt
worden ist.

Abb. 11. Apostelrelief aus Edewecht. Westfälisch, um 1500.

*') Das sei betont, da man leicht mittelalterlichen
Künstlern Gefühle zuschreibt, die ihnen ganz fern-
gelegen haben.

--) »Kunstdenkm. d. Rheinprov.« III, ,r> Seite 35 ;
IV, Tafel II und IV, 1.

2') Erfurter Madonna: Abbildung in Ov ermann
„Die älteren Kunstdenkm. Erfurts'1 und beiCreutz,
a. a. O. Dort auch Darstellung der Stilentwicklung.

u) »Kunstdenkm. d. Rheinprov. III, 5 Seite 35.
Die Auffassung der dortigen Skulpturen ist im übrigen
eine wesentlich andere, weniger starre, derbe, boden-
ständige.

Leider hat das Schnitzwerk, dessen Höhe
1,04 m beträgt, in der feuchten Marschkirche
gelitten, aber bedauerlicher ist das Fehlen der
Bemalung. Als Farbspuren sind neben Gold
hauptsächlich Purpurrot, das auch den ganzen
Thron überzogen hat, Blau und ein dunkles
Grasgrün zu erkennen; das Grün war die Farbe
des Marienkleides, das auf dem Oberkörper
und wiederum über den Füßen zutage tritt
und scheinbar Goldmusterung besaß.

Romanische Holzmadonna.

Westfälisch, nach 1200. (Abb. 5 u. 6.)
Wesentlich freier und mit feineren Kunst-
mitteln gearbeitet, gehört die zweite Sillen-
steder Madonna stilistisch in die Zeit um
1200 oder ganz in den Anfang des XIII. Jahrh.,

da sie be-
reits die
Stilhöhe er-
reicht hat,
die Gold-
schmidt zu-
erst fest-
legte25).
Ihren Ur-
sprung hat
sie wahr-
scheinlich in
dem p1a-

s t i s c h
weit vor-
geschrittenen Westfalen, obwohl sie
einen geringen Einfluß der rheinischen Kunst-
weise verrät25). Die Farben sind größtenteils
abgefallen, doch sind genügend Reste neben
der alten Vergoldung, die z. B. auch unter
dem roten Anstrich der Krone hervortritt, auf
dem Kreidegrund erhalten. Nur die Gesichter
sind in späterer Zeit, augenscheinlich im XVIII.
Jahrh, übermalt, so daß der jetzige Ausdruck, vor
allein die Augengegend mit Brauen und großen
Pupillen, irreführen kann: die Profilansicht ist
daher zur Beurteilung mitheranzuziehen.

Wenn auch in der Haltung und im Kleid'
der Madonna die Gebundenheit und die

2S) „Studien z. Gesch. d. llchl. Plastik" (Sonder-
abdr Berlin 1902), Seite 12.

-6) Vgl. den sitzenden Kugel d. Berliner Museums,
Kala], v. Y.igr (1910), Nr :t ein Vergleich mit den
in d. Kunstdenkm. d. Rheinprov. veröffentlichten Ma-
donnen lehrt aber andererseits den abweichenden, mehr
kühlen, vornehmen und antikisierenden Cbar&ktei der
rheinischen Arbeiten.
 
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