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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Raspe, Theodor: Kirchlicher Kunstbesitz des Oldenburgischen Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0164

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1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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übrigen ist die Hinterseite nur im Übergang
flüchtig durchgearbeitet. Die Tracht des
Maxentius ist bis auf den Gürtel, der den
lockeren Kragenkittel einschnürt, aus der Ab-
bildung zu erkennen.

Ein äußerliches Kennzeichen für die enge
Zusammengehörigkeit der Katharina und der
weiblichen Heiligen mit der Kapp che n-
tracht ist die Sockelbildung in den noch
erhaltenen Teilen:"'). Um das Erdreich an-
zudeuten, ist die Oberfläche durch rauten-
förmige Gravierung belebt, wie es beispiels-
weise an einem niederrheinischen Schnitzwerk
des Berliner Museums:'7) zu finden ist. Die-
selbe eingeritzte Musterung kehrt auf der
Kappe wieder, übrigens auch auf dem Mantel-
kragen des hl. Herzogs, d. h. auf einer Figur
der älteren Gruppe. Weiter sind beiden
Figuren die mit Perlen besetzten Unterhauben
gemeinsam. Der Perlbesalz an sich entspricht
dem Zeitgeschmack, findet sich ebenso am
Hut des hl. Pantaleon wie an süddeutschen
Schnitzwerken der spätesten Gotik38). Da-
gegen muß die völlig gleiche ßemalung an
beiden Figuren erwähnt werden: das üppige
Goldbrokatkleid hat Blumenmusterung in kirsch-
roten Lasurfarben und der grüne, goldumsäumte
Mantel ist mit Goldpunkten in rosettenförmi/er
Anordnung verziert Daß der Schnitzer ab-
sichtlich der jugendlichen Heiligen einen etwas
/(•zierten, weiblichen Reiz verliehen hat, geht

34) Auf der Abbildung nicht sichtbar, da der
Sockel vorn beschädigt ist.

37) Vöge, Katalog a. a. O., Nr. 313.

M) Beispiel im Germ. Nat.-Mus. „Krönung
Marias" (Josephi „Plastik d. G. Nat.-Mus." 1910,
Taf. XXVII).

schon aus dem Putz und dem kokett in die
Stirn hängenden Kränzchen hervor; außerdem
sind die Mundwinkel zum Lächeln hoch-
gezogen, die Lippenspitze geht ein wenig nach
unten und unter diesem schnippischen Mund
ist das Grübchen durch einen Einstich an-
gedeutet.

Wirklicher Ernst, dabei höchste weibliche
Anmut zeichnet den Ausdruck der letzten
Heiligen aus, der noch die gotische Körper-
biegung eigen ist. Die Tracht könnte beinahe
älter sein als die der beiden anderen Figuren.
Die Heilige trägt wieder Brokatstoff mit
schwärzlicher Musterung; dem Mantel von
ziegelroter Farbe fällt indessen das Hauptspiel
zu. Die langen modischen Zöpfe sind ver-
goldet.

Man wundert sich, daß eine Dorfkirche im
Besitze so kostbarer umfangreicher Schnitz-
arbeiten war. Dies findet in der Bedeutung
des Kirchspiels für das übrige Jever-
land seine Erklärung; das Dekanat Hohen-
kirchen umfaßte Sämtliche Gemeinden des
alten Wangerlandcs.

Neben diesen Meisterwerken treten alle
anderen kirchlichen Kunstschätze des Museums
zurück. Die kirchliche Bildhauerkunst erreicht
im Oldenburger Lande selber erst ein Jahr-
hundert später ihren Höhepunkt: in Ludwig
Münstermann.

Den schon anfangs et wähnten Taufstein
des Museums können wir nur noch zum Schluß
abbilden: er erfordet im Zusammenhang mit
den anderen Steinarbeiten und mit den klas-
sischen Schöpfungen der französischen Früh-
gotik eine besondere Studie (Abb. 2.'i).

Oldenburg (Grolih.). Dr. Th. Raspe.
 
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