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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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1. Heft
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Rathgen, Bernhard von; Schäfer, Karl Heinrich: Feuer- und Fernwaffen beim päpstlichen Heere im 14. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0026

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BERNH. RATHGEN U KARL SCHÄFER, FEUER- U. FERNWAFFEN IM 14. JAHRH. VII. BAND

Neues, Schreckliches bezeichnet, dem keine
Rüstung Widerstand leisten könne. So in den
Annalen von Gent (Pertz XVI. 580) für das Jahr
1304. „Assumptis quibusdam tormentis bellicis
terribilibus .... quibus nulla armatura resistere
potest et vocantur vulgariter Spingale.“ Damit
würde denn das Auftreten des Schiefspulvers
auch mindestens in dieselbe frühe Zeit gesetzt
werden. Eine Theorie, die besonders von den
französischen Schriftstellern wiederholt anfgestellt
worden ist. — Guglielmotti lehnt es ganz aus-
drücklich ab, dafs die Spingarda „una machina a
corda“ gewesen sei
Ducange in seinem Glossaire gibt bei den
einzelnen Artikeln zu Spingarda, Springaldus,
Springardella, Arganella, Ballista reiche urkund-
liche Nachweise. Soweit sich dieselben auf die
älteste Zeit beziehen, sei ihr Inhalt kurz an-
gegeben. Guillemus Guiart spricht von Ver-
wendung der Espringale im Jahre 1304 auf
Mauern, Türmen, Schiffen; als Geschosse nennt
er „garros“-Bolzen. Chron. Fland. cap. 110 er-
wähnt das Mitführen von „Trebus et Espringales“
auf (Transport-)Wagen. —: Guillelmus de Gui-
nevilla spricht von dem Mifserfolge einer Be-
schiefsung, soviel auch gefeuert haben ,,Malevoisine
ses sajetes. ne espringale ses mouschetes“ -
„die Schleudermaschine ihre Pfeile, die Espringale
ihre Brandpfeile“. — 'Historia Obsidionis
Jadrensis lib. 1. cap. 38 sagt, dafs aufser Fertig-
stellung von mehr wie 15 „trabuchos“ auf der
Stadtumwallung „architestant multos Spingardos
in gyro civitatis“. Also auch hier die Gegen-
gewichtsschleuder — trabuco — wie oben-—- trebus
— zusammen mit der springarda verwendet, eines
zur Ergänzung der Wirkung des anderen, Bogen-
wurf und Flachschufs. „architectant“ bezeich-
net das Aufrichten, Herstellen eines nicht ein-
fachen Gerätes, eine derartige Bezeichnung würde
für das Aufstellen von kleinen Feuerrohren kaum
gebraucht worden sein. — Genealogia Comit.
Flandr. apud Martern, tom 3. anect col 410 be-
richtet, dafs Philipp der Schöne (J- 1314) den
Flanderern „sagittis et telis, machinis minutos
lapides projicientibus et Springalibus mirabi-
liter“ zugesetzt habe. Die Spingarda also auch
hier im Gegensatz zum Wurfgeschütz, als flach-
schiefsend gekennzeichnet, genau wie es oben durch
die Geschosse „garros“, „mouschetes“ geschah.
Angelucci sagt Documenti inediti Seite 58
No. 116: Spingarda era una machina nevrobal-
listica, specie di grona balestra, ein Torsions-
geschütz, vor der Verwendung des Schiefspulvers,
erst später der Name einer Feuerwaffe.
General Schramm hat mit seiner klassischen
Rekonstruktion der Griechisch-Römischen Ge-

schütze, deren vollste Genauigkeit durch die
neuerdings bei Emporion in Spanien gefundene
römische Catapulte glänzend bestätigt worden ist,
das Interesse an all diesen Fragen in den Vorder-
grund gestellt. Sein gelehrter philologischer Mit-
arbeiter, der leider so früh verstorbene Rudolf
Schneider, hat bis zuletzt mit zäher Energie,
besonders gestützt auf die Arbeiten Napoleons,
den Satz aufrecht erhalten, dafs das Mittelalter
Torsionsgeschütze nicht gekannt habe.
Cr us ca erklärt spingarda als „strumento
bellico da trare e rompere muraglie“, also ver-
steht er darunter ein Flachschufsgerät.
Die ältesten Quellen sprechen von der Neu-
heit und der gewaltigen Wirkung der spingarda.
Etwas Neues war es auch, und zwar bestand dies
in dem Wiederaufleben der seit Jahrhunderten
verloren gegangenen Kunst, die Torsionskraft
als Treibmittel für den Flachschufs auszunutzen. —
Ein deutscher Meister, Johann Gui von Metz,
übte diese Kunst in Avignon. Die von Wolfram
veröffentlichte Metzer Chronik über den Vier-
herrenkrieg vom Jahre 1324 (Quellen der Lothrin-
gischen Geschichte IV.) besitzt für diese Frage
eine besondere Bedeutung. — Die Wirkung der
Espingole, die sich auf einem vor die Stadt-
befestigung vorgeschobenen Schiffe befand, war
bezüglich Schufsweite und Durchschlagskraft ihrer
Bolzen so gewaltig, dafs sie die Belagerer zwang,
sich aus dem Wirkungsbereiche dieses Geschützes
zurückzuziehen und eine andere Front der Stadt
für die Fortsetzung des Angriffes zu wählen. —
Eine spätere Handschrift hat dann aus dieser
gewaltig wirksamen Fernwaffe „une Serpentine
et un canon“ gemacht, also, wie Hoyer sagt, das
Alte nach dem nun Bekannten genannt.
War es also vielfach umstritten, ob die
„Spingala“ ein Pulver- oder ein Seil-Geschütz
gewesen sei, wird bezweifelt, dafs Torsions-
geschütze im Mittelalter bekannt gewesen wären,
so liefern die Rechnungen aus Avignon vom Jahre
1346, die also aus einer Zeit stammen, in welcher
Pulvergeschütze schon länger im Gebrauche waren,
den unumstöfslichen Beweis dafür, dafs die dor-
tigen Spingalen keine Feuer-, sondern Maschinen-
und zwar Torsionsgeschütze gewesen sind.
Johann Gui von Metz fertigt (zu 6.) in
Avignon 1346 wohl nach dem Vorbilde der in
seiner Vaterstadt von 1324 her bewährten Ge-
schütze, eine Espingale neu an, stellt deren drei
wieder her. (Zu 7. und 8.) werden 1348 wiederum
2 Spingalen neu gefertigt. Die genauen Angaben
über die einzelnen hierbei verwendeten Materialien,
über deren Gewichte und die für dieselben be-
zahlten Preise geben im Zusammenhalt ein klares
Bild von der Gesamtkonstruktion der Spingale.
 
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