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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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5. Heft
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Stockhammer, Gustav: Ennser Tartschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0150

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130

GUSTAV STOCKHAMMER, ENNSER TARTSCHEN

VII. BAND

Ennser Tartschen
Von Gustav Stockhammer

In Band II S. 224ff. der vorliegenden Zeit-
schrift findet sich ein von Eduard von Lenz
verfafster Aufsatz „Pavesen und Tartschen aus
dem 15. Jahrhundert“, in welchem unter 1. ein Setz-
schild des 15. Jahrhunderts, deutsche Arbeit be-
schrieben wird, der sich in der Renaissance-
abteilung der kaiserlichen Eremitage zu St.
Petersburg befindet und bei den Österreichern
deshalb besonderes Interesse wachzurufen geeig-
net erscheint, weil er das Wappen der Stadt Enns
in Oberösterreich, als das seiner ursprünglichen
Eigentümerin, aufweist.
Lenz sieht, im Gegensatz zu Basilewski, aus
dessen Sammlung die besprochene Tartsche (Abb.i
S. 13 2) in die kaiserl. Eremitage zu St. Petersburg ge-
kommen ist, die auf ihr dargestellte Gestalt nicht
als die des heil. Michael, sondern als die des heil.
Georg an, und gibt weiter der Meinung Aus-
druck, dafs die Anfertigung dieser Schutzwaffe
um 1437, d- i. um jenes Jahr herum erfolgt sein
wird, in dem Herzog Albrecht V. von Österreich
als Nachfolger des Kaisers Sigismund die Herr-
schaft über Böhmen angetreten hat.
Ist nun im allgemeinen auch zuzugeben, dafs
die Herstellung dieser Tartsche in die Regierungs-
zeit des obengenannten Herzogs fällt, so können
doch die übrigen Annahmen Lenz’ nicht als
zutreffend erkannt werden, wenn man gleich-
zeitig die anderen zwei mit dem Ennser Wappen
gekennzeichneten und im Ennser Museum auf-
bewahrten Tartschen des 15. Jahrhunderts in Be-
tracht zieht, von denen der genannte Autor zur Zeit
der Niederschrift seines Aufsatzes die eine nur ober-
flächlich, die andere aber gar nicht gekannt hat.
Schon bei flüchtigem Beschauen dieser letzteren
gewahrtmandaleicht,dafsdie eine derselben (Abb.2)
eine männliche, die andere aber (Abb.3 S. 132),
scheinbar wenigstens, eine weibliche Gestalt ab-
gebildet zeigt, beide Gestalten jedoch, sowie die,
welche auf der nach St. Petersburg gekommenen
Tartsche dargestellt ist, als Drachentöter dar-
gestellt sind.
Bei dieser Wahrnehmung könnte man für den
ersten Augenblick leicht der Anschauung zu-

neigen, dafs man es bei den drei Tartschen mit
den drei Drachenheiligen (St. Michael, St. Georg
und St. Margaret) zu tun habe. Bei weniger flüch-
tigem Beschauen aber wird man bald des Um-
standes gewahr, dafs wohl die beiden männlichen
Gestalten Heilige darstellen, nicht aber auch
die scheinbar weibliche, indem nur die ersteren
zwei mit einem Nimbus versehen sind und sich
von dem gestirnten Himmel abheben, beides aber
bei der dritten nicht der Fall ist. Dafs bei allen
drei Tartschen der Drache das heidnische Wesen1),
ebenso aber auch Un- und Aberglauben symbo-
lisiert, leidet keinen Zweifel, und es ist wohl ebenso
klar, dafs die zwei Tartschen mit den Heiligen-
gestalten, die ihrer durchwegs übereinstimmenden
Beschaffenheit und gleicher Signierung wegen zu
gleicher Zeit entstanden sein müssen, zwei ver-
schiedene Heilige darstellen werden, da es sonst
kaum zu verstehen wäre, dafs ein und derselbe
Heilige — etwa als Patron verschiedener Waffen-
gattungen — zu gleicher Zeit verschieden, und
zwar das eine Mal als den Drachen mit dem
Schwerte und das andere Mal als ihn mit der
Lanze bekämpfend abgebildet worden sein sollte.
Dafs die Anfertigung der beiden Heiligen-Tart-
schen gleichzeitig erfolgt ist, beweist schlagend
die Gleichartigkeit der Schablonen, mit deren
Zuhilfenahme ihr Schildrand bemalt wurde, und
aufserdem auch die Signierung beider mit Sß auf
der Rückseite. Dieser Buchstabe bezeichnet wahr-
scheinlich den Namen des Malers Meissauer,
der laut einem im Museum Francisco-Caro-
linum zu Linz a. d. D. verwahrten Ennser Steuer-
eingangs-Verzeichnisse vom Jahre 1430 neben drei
anderen Malern, deren Namen aber nicht mit Sß
beginnen, als Einzahler genannt ist.
Hat man eingesehen, dafs die zwei Heiligen-
Tartschen verschiedene Personen darstellen, dann
ist zu der Erkenntnis, dafs man in jenem der zwei
Heiligen, der den Drachen mit dem Schwerte be-
kämpft, den heil. Michael, in dem anderen aber
!) M. Fastlinger, die Kirchenpatrozinien in ihrer Be-
deutung für Altbayerns ältestes Kirchenwesen. München
1897, S. 63.
 
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