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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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12. Heft
DOI Artikel:
Forrer, Robert: Gotische und exotische Stangenbüchsen in Drehgabeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0356

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Gotische und exotische Stangenbüchsen in Drehgabeln
Von R. Forrer

Aus den mancherlei Neuerwerbungen für
meine Sammlung mittelalterlicher Feuer-
“ waffen mögen die hier in Abb. i und 2
abgebildeten zwei schmiedeeisernen Feuer-
rohre durch kurze Besprechung herausgehoben
werden. Ihre seltene Form rechtfertigt das um-
somehr, als in der Fachliteratur dieser Typ bis
jetzt nicht zu Wort gekommen ist.
Es handelt sich um zwei nach der verschie-
denen Art der Bearbeitung zwar ersichtlich an
getrennten Orten entstandene, aber doch typo-
logisch eng zusammengehörende Rohre. Beide
zählen in die Gattung der Stangenbüchsen in-
soweit, als das Rohr nicht nach Art der Ge-
wehre der Renaissance- und der Neuzeit in einen
Holzschaft gelagert ist, sondern nur mit einem
hinten in das Eisen eingesteckten hölzernen
Stangengriff versehen war. Eine Form der Schäf-
tung, die wir gemeinhin nur bei Handfeuerwaffen
finden, bei frühen Hakenbüchsen und bei haken-
losen Handfeuergewehren des 15. Jahrhunderts1).
Hier aber liegen die beiden Rohre in „Dreh-
gabeln“, d. h. in einem eisernen Gestell, das nach
unten sich zu einem starken Eisenzapfen ver-
dichtet, nach oben in zwei Aste gabelt, in deren
Ringenden die wagrecht abstehenden Querzapfen
(Schildzapfen) des Feuerrohres eingreifen. Der
senkrechte Zapfen ermöglichte Drehung der Rohre
in horizontaler Richtung, die beiden wagrechten
Zapfen verschiedene Rohrstellung in vertikaler
Richtung. Es war dies ein besonders bei Rohren
mit Kammerverschlufs übliches System2), das aber
auch bei stärkerkalibrigen gotischen Vorderladern
gelegentlich zur Anwendung gelangt ist3) — er-
sichtlich in der Hauptsache da, wo das Geschütz
in Burgen oder auf Schiffen an bestimmte
9 So z. B. Thierbach-Festschrift „Beiträge zur Ge-
schichte der Handfeuerwaffen“, Fig. 3, p. 26,6. p. 28,1, p. 43,-5,
p. 52,11, Taf. 2, 3 und 4, Taf. 5. Essenwein „Quellen“ B I,
Fig. d, B. IV, Fig. a—f, B V.
2) Vgl. Essenwein „Quellen“, Abbildung Seite 52 aus
Schlofs Bonoignes (Belgien), und Strafsburger Waffenaus-
stellungskatalog 1903, Sammlung Forrer, Nr. 7, p. 19.
3) So Essenwein, Fig. b, Taf. A X, Thierbach-Fest-
schrift Fig. 38, Taf. 3.

Stellen gebunden war, am Bug des Schiffes oder
auf einer Burgturmzinne auf einem fest einge-
bauten oder nur mäfsig fortbeweglichen Gestell
auflag. Ebendeshalb findet sich diese Gattung
von „Geschützen mit Drehgabeln“ vornehmlich in
oder bei Burgen und in Seehäfen, endlich in
fremden Ländern, wohin diese Geschütze wohl
meist durch verschlagene Kauffahrteischiffe ge-
langt sind. An der Feldschlacht dürfte sich diese
Art von Geschützen nur selten und dann fest
installiert auf Kriegswagen, wie sie z. B. Essen-
wein Tafel I, III und lila'' abbildet, beteiligt haben.
Alte Handzeichnungen oder Miniaturen,
welche dergleichen Geschütze laffetiert zeigen,
habe ich bis jetzt keine gefunden, so sehr ich
alles mir verfügbare Material daraufhin durch-
geprüft habe. Eine Lösung, wie ich sie an dem
Hinterlader in Drehgabel Nr. 7 meines Kataioges
der Strafsburger Waffenausstellung von 1903 ver-
sucht habe (ebd. S. 19), d. h. ein auf vier kleinen
Rädern fahrbarer vierbeiniger Bock mit Richt-
hörnern nach Art des Landshuter Zeughaus-
inventars von 1485, kann g~anz sicher nicht die
Regel gebildet haben. Wir werden im allge-
meinen an einfachere Gestelle denken müssen,
ohne Richthorn und ohne Räder, blofs ein senk-
rechter Klotz, dem seitliche Querbalken festen
Stand gaben, oben zur Aufnahme des Zapfens
der Drehgabel durchbohrt und diese Durch-
bohrung durch Eisenbeschläge vor zu rascher Ab-
nutzung geschützt; oder ein zweibeiniger Holz-
bock, dessen nach unten gebogener Schwanz
das dritte Standbein bildet und dessen Kopf zur
Aufnahme der Drehgabel senkrecht durchbohrt
ist. Originale der erstem Art sind mir bis jetzt
nicht begegnet, dagegen fand ich im Bayrischen
Nationalmuseum zu München einen alten, aus
einem krummen Baumstamm geschnittenen Holz-
bock (No. 363), der ersichtlich für derartige Rohre
mit Drehgabeln bestimmt war. Um den Kopf des
Bockes gegen Spaltung infolge des Gewichtes
und Druckes des Rohres zu schützen, ist das
Kopfende mit einer starken Eisenschiene um-
schmiedet; ebenso hat man, um das Zapfenloch
 
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