4. HEFT
BERNHARD RATHGEN, FRÄNKISCHE PRUNKWAFFEN IM MUSEUM ZU NAMUR
85
Waffen im Museum zu Namur kann man zusam-
menfassend sagen:
Die fränkischen Krieger der ältesten Zeit
führten als Waffe nur Speer und Streitbeil, aber
nicht den Scramasax. Einzelne Edle aufserdem
die Spatha, das zweischneidige Langschwert. Als
Schutzwaffe diente der eisenbeschlagene Rund-
schild. Die von den Römern angesiedelten frän-
kischen Schutztruppen nahmen das römische Pilum
an, bildeten es als Ango eigenartig aus.
Der Scramasax, das einschneidige Hiebschwert,
wahrscheinlich ein häusliches Gerät der Urein-
wohner, das in den undurchdringlichen Wäldern
des Landes als Haumesser diente — man könnte
es am bezeichnendsten mit dem militärgebräuch-
lichen Namen Faschinenmesser wiedergeben —
wurde bei seiner Handlichkeit bald auch als Waffe
benutzt und verdrängte allmählich die bis dahin
typische Frankenwaffe, die Francisca. Bei den
Anführern trat neben der Lanze meist noch das
Langschwert hinzu. Das Kurzschwert, das Fa-
schinenmesser, wurde aber in später Zeit, wie es
die beschriebene Prunkwaffe beweist, auch von
den Freien, den Vornehmen, als Waffe getragen,
Nur in zwei Gräbern ist je ein Sporn ge-
funden worden. Das Streitpferd war also selten,
auch die Häuptlinge kämpften zu Fufs.
Ein gütiges Geschick hat bei der Beschiefsung
von Namur im August 1914 das Museum fast un-
beschädigt gelassen. Es ist dadurch ein rein histo-
risch, wie auch waffentechnisch bedeutendes und
unersetzbares Denkmal glücklicherweise erhalten
geblieben. Die Waffen einmal im Zusammenhänge
zu bearbeiten, wäre eine sehr lohnende Aufgabe,
der sich die Archäologische Gesellschaft von Namur
bei dem bevorstehenden Erweiterungsbau des Mu-
sums und der dadurch bedingten Neuaufstellung
der Sammlungen gewifs gern unterziehen wird.
Beiträge zur Geschichte des Geschützwesens im Mittelalter
Von Wilhelm Erben
Vor sechs Jahren hat Rudolf Schneider der
,,Artillerie des Mittelalters“ ein Buch ge-
widmet, das durch scharfe Herausarbeitung
der zwischen den Meinungen älterer Forscher be-
stehenden Gegensätze, durch entschlossene Stel-
lungnahme in den offenen Fragen und durch die
Beigabe einschlägiger Quellenstellen und Bilder
sich den Anspruch auf dauernde Freundschaft der
Fachmänner erwarb. Diese Vorzüge des Buches
sind, unabhängig von der Bewertung der Ergeb-
nisse, zu denen der Verfasser kam, mit wehmüti-
gem Danke anerkannt worden; denn es handelte
sich um das letzte Werk eines rüstigen Arbeiters,
von dem diese Seite in der Geschichte desWaffen-
wesens, wenn ihm längeres Leben gegönnt blieb,
noch sehr wertvolle Beleuchtung erwarten durfte1).
Auf den folgenden Blättern soll der von Schneider
hinterlassene Gegenstand von neuem, aber doch
in etwas anderer Weise aufgenommen werden.
Ihm, der von der Altertumswissenschaft herkam,
standen Quellen, die sich mit der Antike enge be-
rührten, wie die Schriften der griechischen Polior-
ketiker im Vordergrund; dem eigentlichen Bestand
der abendländischen Geschichtsquellen des Mittel-
b Neben den Besprechungen, welche von M.Baltzer in
der Zeitschrift f. Deutsches Altertum 53, 294h und von mir
in der Historischen Zeitschrift 109, 432f. dem Buche ge-
widmet wurden, sei an die in der Zeitschr. f. hist. Waffenk.
V, 374 abgedruckten Gedenkworte von Schramm und an die
Übersicht erinnert, welche Schneider selbst ebenda V, 231 ff
von den Ergebnissen seines Buches veröffentlicht hatte.
alters brachte er nicht den gleichen Anteil ent-
gegen. Hier wird der Ausgang von einem mittel-
alterlichen Geschichtswerk genommen und es sollen
andere verwandte Quellen damit verglichen, schliefs-
lich aber ein auf uns gekommenes Geschütz jener
Zeit genauer untersucht werden. Ich hoffeQdafs
trotz dieser veränderten Wegrichtung die grofse
Frage, die dem Buche Schneiders die besondere
Anziehungskraft gab, die Frage nach Erhaltung
oderVerlust des antiken artilleristischen Erbes in
den germanischen und romanischen Staaten der
mittleren Jahrhunderte, auch hier nicht aus dem
Auge gelassen zu werden braucht.
Mannigfacher freundlicher Plilfe, deren ich bei
diesen Studien mich erfreute, wird in den einzelnen
Abschnitten zu gedenken sein. An dieser Stelle
aber möchte ich mit aufrichtigem Dank mich der
entgegenkommenden Aufnahme erinnern, die mir
im Sommer 1915 an der Kgl. Hof- und Staats-
bibliothek zu München zuteil J wurde. . .Sie hat
wesentlich dazu beigetragen, mir den Abschlufs
der ganzen Arbeit zu ermöglichen.
I. Die Bilderhandschrift des Petrus
von Ebulo
Die Quellen zur Erkenntnis mittelalterlicher
Zustände sind sehr ungleichmäfsig verteilt. Un-
gemein dürftig in den Zeiten der Staatengründung,
schwellen sie für das karolingische Reich etwas
an, halten sich aber dann durch den gröfsten Teil
der deutschen Kaiserzeit, im 10., 11. und noch in
BERNHARD RATHGEN, FRÄNKISCHE PRUNKWAFFEN IM MUSEUM ZU NAMUR
85
Waffen im Museum zu Namur kann man zusam-
menfassend sagen:
Die fränkischen Krieger der ältesten Zeit
führten als Waffe nur Speer und Streitbeil, aber
nicht den Scramasax. Einzelne Edle aufserdem
die Spatha, das zweischneidige Langschwert. Als
Schutzwaffe diente der eisenbeschlagene Rund-
schild. Die von den Römern angesiedelten frän-
kischen Schutztruppen nahmen das römische Pilum
an, bildeten es als Ango eigenartig aus.
Der Scramasax, das einschneidige Hiebschwert,
wahrscheinlich ein häusliches Gerät der Urein-
wohner, das in den undurchdringlichen Wäldern
des Landes als Haumesser diente — man könnte
es am bezeichnendsten mit dem militärgebräuch-
lichen Namen Faschinenmesser wiedergeben —
wurde bei seiner Handlichkeit bald auch als Waffe
benutzt und verdrängte allmählich die bis dahin
typische Frankenwaffe, die Francisca. Bei den
Anführern trat neben der Lanze meist noch das
Langschwert hinzu. Das Kurzschwert, das Fa-
schinenmesser, wurde aber in später Zeit, wie es
die beschriebene Prunkwaffe beweist, auch von
den Freien, den Vornehmen, als Waffe getragen,
Nur in zwei Gräbern ist je ein Sporn ge-
funden worden. Das Streitpferd war also selten,
auch die Häuptlinge kämpften zu Fufs.
Ein gütiges Geschick hat bei der Beschiefsung
von Namur im August 1914 das Museum fast un-
beschädigt gelassen. Es ist dadurch ein rein histo-
risch, wie auch waffentechnisch bedeutendes und
unersetzbares Denkmal glücklicherweise erhalten
geblieben. Die Waffen einmal im Zusammenhänge
zu bearbeiten, wäre eine sehr lohnende Aufgabe,
der sich die Archäologische Gesellschaft von Namur
bei dem bevorstehenden Erweiterungsbau des Mu-
sums und der dadurch bedingten Neuaufstellung
der Sammlungen gewifs gern unterziehen wird.
Beiträge zur Geschichte des Geschützwesens im Mittelalter
Von Wilhelm Erben
Vor sechs Jahren hat Rudolf Schneider der
,,Artillerie des Mittelalters“ ein Buch ge-
widmet, das durch scharfe Herausarbeitung
der zwischen den Meinungen älterer Forscher be-
stehenden Gegensätze, durch entschlossene Stel-
lungnahme in den offenen Fragen und durch die
Beigabe einschlägiger Quellenstellen und Bilder
sich den Anspruch auf dauernde Freundschaft der
Fachmänner erwarb. Diese Vorzüge des Buches
sind, unabhängig von der Bewertung der Ergeb-
nisse, zu denen der Verfasser kam, mit wehmüti-
gem Danke anerkannt worden; denn es handelte
sich um das letzte Werk eines rüstigen Arbeiters,
von dem diese Seite in der Geschichte desWaffen-
wesens, wenn ihm längeres Leben gegönnt blieb,
noch sehr wertvolle Beleuchtung erwarten durfte1).
Auf den folgenden Blättern soll der von Schneider
hinterlassene Gegenstand von neuem, aber doch
in etwas anderer Weise aufgenommen werden.
Ihm, der von der Altertumswissenschaft herkam,
standen Quellen, die sich mit der Antike enge be-
rührten, wie die Schriften der griechischen Polior-
ketiker im Vordergrund; dem eigentlichen Bestand
der abendländischen Geschichtsquellen des Mittel-
b Neben den Besprechungen, welche von M.Baltzer in
der Zeitschrift f. Deutsches Altertum 53, 294h und von mir
in der Historischen Zeitschrift 109, 432f. dem Buche ge-
widmet wurden, sei an die in der Zeitschr. f. hist. Waffenk.
V, 374 abgedruckten Gedenkworte von Schramm und an die
Übersicht erinnert, welche Schneider selbst ebenda V, 231 ff
von den Ergebnissen seines Buches veröffentlicht hatte.
alters brachte er nicht den gleichen Anteil ent-
gegen. Hier wird der Ausgang von einem mittel-
alterlichen Geschichtswerk genommen und es sollen
andere verwandte Quellen damit verglichen, schliefs-
lich aber ein auf uns gekommenes Geschütz jener
Zeit genauer untersucht werden. Ich hoffeQdafs
trotz dieser veränderten Wegrichtung die grofse
Frage, die dem Buche Schneiders die besondere
Anziehungskraft gab, die Frage nach Erhaltung
oderVerlust des antiken artilleristischen Erbes in
den germanischen und romanischen Staaten der
mittleren Jahrhunderte, auch hier nicht aus dem
Auge gelassen zu werden braucht.
Mannigfacher freundlicher Plilfe, deren ich bei
diesen Studien mich erfreute, wird in den einzelnen
Abschnitten zu gedenken sein. An dieser Stelle
aber möchte ich mit aufrichtigem Dank mich der
entgegenkommenden Aufnahme erinnern, die mir
im Sommer 1915 an der Kgl. Hof- und Staats-
bibliothek zu München zuteil J wurde. . .Sie hat
wesentlich dazu beigetragen, mir den Abschlufs
der ganzen Arbeit zu ermöglichen.
I. Die Bilderhandschrift des Petrus
von Ebulo
Die Quellen zur Erkenntnis mittelalterlicher
Zustände sind sehr ungleichmäfsig verteilt. Un-
gemein dürftig in den Zeiten der Staatengründung,
schwellen sie für das karolingische Reich etwas
an, halten sich aber dann durch den gröfsten Teil
der deutschen Kaiserzeit, im 10., 11. und noch in