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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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2./3. Heft
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Rose, Walther: König Johann der Blinde von Böhmen und die Schlacht bei Crécy (1346)
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0053

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König Johann der Blinde von Böhmen
und die Schlacht bei Crecy (1346)
Von Walther Rose

Zu den glanzvollsten Erscheinungen des Mittel-
alters gehört das herzerfreuende Bild eines
vom Rittergeist der alten Zeiten beseelten
Mannes, dessen Ruhm als eines der gröfsten Helden
und einflufsreichsten Monarchen des 14. Jahrhun-
derts damals durch ganz Europa erscholl: Es ist
dies Johann, genannt der Blinde, König von Böh-
men, Graf von Luxemburg und Marquis d’Arlon,
ein unerschrockener tapfererKrieger und glänzen-
der Turnierheld, dessen erprobtes Feldherrntalent
und hervorragende diplomatische Gewandtheit auf
alle wichtigen Ereignisse seiner Zeit einen so ent-
scheidenden Einflufs ausübte, dafs es im ganzen
westlichen Europa zum Sprichwort wurde: „Ohne
des Königs von Böhmen Hülfe vermag Niemand
etwas auszurichten, er erhöht und erniedrigt, wen
er will“1). Sein Lebensgang ist aber um so inter-
essanter, weil sich während seiner zahlreichen
kriegerischen Unternehmungen nicht nur das erste
Auftreten der neu erfundenen Feuergeschütze bei
Belagerungen und in offener Feldschlacht und so-
mit das Entstehen der neuen Waffengattung der
Artillerie nachweisen läfst, sondern weil auch in
der für die historische Waffenkunde hochbedeut-
samen Schlacht bei Crecy, die seiner Heldenlauf-
bahn ein Ziel setzte, der alte Wettstreit zwischen
den beiden mittelalterlichen Fern waffen, dem Bogen
und der Armbrust, zum ersten Male entscheidend
zum Austrag gebracht wird.
Johann Graf von Luxemburg war der am
10. August 1296 geborene einzige Sohn des Grafen
Heinrich, späteren römischen Königs und Deut-
schen Kaisers Heinrich VII. und dessen Gemahlin
Margaretha, Herzogin von Brabant2). Schon in
seinem 14. Lebensjahre erhielt er von seinem König-
*) Chronicon Aulae regiae p. 447: „Jam enim volat
proverbium: sine rege Bohemie nemo valet expedire fina-
liter suum factum, quem vult exaltat, quem non vult, ipse
recalcat“; Chronicon Francisci Pragensis, p. 167; Chronicon
Benesii de Weitmil, p. 259; Chronicon Petri Sithaviensis, p.76.
2) Schotter: Johann, Graf von Luxemburg und König
von Böhmen. 2 Bde. (Luxemburg 1865). Bd. I S.58 Anm. 1.
Demgegenüber nennt Lenz in seinem Werke: „Jean
l’Aveugle, Roi de Boheme, Comte de Luxembourg, Marquis
d’Arlon (Gand 1839!“ als Geburtsjahr 1295. Auch Jede seiner
vier Schwestern ehelichte in der Folge einen ebenbürtigen

liehen Vater die Grafschaft Luxemburg, und noch
in demselben Monat auf dem Reichstage zu Speyer
(31. August 1310) unter Entfaltung königlichen
Prunkes die Belehnung mit dem Königreiche Böh-
men, mit dessen Erbin, der Prinzessin Elisabeth,
Tochter Königs W enzelas II., er am nächst! olgenden
Tage vermählt wurde3). Gleichzeitig ernannte ihn
König Heinrich vor dem Antritt seiner Römerfahrt
zur Kaiserkrönung auch zum Reichsverweser, und
um ihm die Krone Böhmens zu erringen, die in-
zwischen Herzog Heinrich von Kärnthen, der Ge-
mahl der älteren .Schwester Elisabeths, in Besitz
genommen hatte, rüstete er für ihn aus der Blüte
der deutschen Ritterschaft ein starkes Heer aus,
an dessen Spitze als Ratgeber des jungen Königs
der hochberühmte Erzbischof von Mainz Peter von
Aspelt oder Aichspalter und Graf Berthold von
Henneberg traten4). Trotz hartnäckigen Wider-
standes erfolgte schon am 3. Dezember 1310 die
Eroberung der Landeshauptstadt Prag-, wobei sich
namentlich der Mainzer Erzbischof durch seine
Mannhaftigkeit auszeichnete5), und die feierliche
Krönung Johanns (am 7, Februar 1311) zum König
von Böhmen sicherte diesem den Besitz des Landes,
Fürsten, nämlich: Beatrix den König Carl II. von Ungarn,
Marie den König Karl den Schönen von Frankreich, Agnes
den Pfalzgrafen zum Rhein Rudolf von Bayern, und Katha-
rina den Landgrafen im Elsafs Albrecht von Österreich.
s) Chronicon Aulae regiae p.225—234 enthält eine an-
schauliche Beschreibung der hierbei entwickelten Pracht:
Bei der Belehnung safs König Heinrich im königlichen Or-
nate, das Reichsszepter in der Hand und eine goldene
Krone auf dem Haupte auf einem hohen Throne vor der
Kathedralkirche, während Johann inmitten einer glänzenden
Ritterschar hervorragte, die ein Wald von böhmischen
Fahnen mit dem weifsen Löwen im roten Felde umflatterte.
Auch bei der Hochzeitsfeier stand vor dem purpurnen Seiden-
zelte ein grofses böhmisches Banner, und die Festlichkeiten
und Turniere, bei denen sich die böhmischen Ritter besonders
auszeichneten, dauerten eine ganze Woche hindurch.
4) Chronicon Aulae regiae p. 259: „Erat autem exer-
citus horum magnus et fortis valde, electus ex omni florida
milicia germinantis Germaniae.“
5) Chronicon Aulae regiae p. 268—274: „Dixerat nam-
que saepius Moguntinus: „Etiamsi cuspides, lanceae et la-
pides ruant de coelo more nivis et pluviae, ad hoc nos, quos
sanctum imperium misit pro reformatione istius regni Bo-
hemiae. illa non poterint terrere!“
 
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