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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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5. Heft
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Erben, Wilhelm: Beiträge zur Geschichte des Geschützwesens im Mittelalter, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0137

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Beiträge zur Geschichte des Geschützwesens im Mittelalter
Von Wilhelm Erben
(Fortsetzung und Schlufs)

III. Der Onager bei Ammian
Mit den Quellen zur Geschichte der griechisch-
römischen Artillerie haben sich die Erforscher
des klassischen Altertums und des alten Kriegs-
wesens schon seit langer Zeit vielfach beschäftigt.
Hier kann nicht daran gedacht werden, sie alle
nochmals durchzusprechen, nur an den spätantiken
Bericht des Geschichtschreibers Ammianus Mar-
cellinus, der, gerade in den Übergangsjahren zur
mittelalterlichen Geschichte, um 390, geschrieben,
am ehesten Aussicht auf einen Gewinn für die
Erkenntnis der weiteren Entwicklung bietet, seien
hier einige Worte geknüpft. Ammian hält es an
einer Stelle, wo er von dem im Jahr 363 unter-
nommenen Feldzug Kaiser Julians gegen die
Perser spricht, für angemessen, eine kurze, be-
scheiden eingeleitete Abschweifung auf das Gebiet
des Geschützwesens zu machen (XXIII, 4). Er
handelt zuerst von der Balista, einem Pfeilgeschütz,
auf das hier nicht eingegangen werden soll, dann
von dem Skorpion, den man, wie er sagt, jetzt
Onager nenne. Ammians Beschreibungen berühren
nicht alle wissenswerten Punkte und es sieht aus,
als ob ihm trotz seiner militärischen Vergangen-
heit das volle Verständnis des Gegenstandes ge-
fehlt hätte. So ist leicht zu begreifen, dafs die-
jenigen neueren Forscher, die auf Grund seiner
Worte, ohne die Hilfe gleichzeitiger Abbildungen,
nach einer brauchbaren Vorstellung vom Onager
strebten, nicht zu genau übereinstimmendem Er-
gebnis gelangt sind. Drei verschiedene Versuche
dieser Art spielen in den Schriften über römisches
Kriegswesen eine nennenswerte Rolle. Der fran-
zösische Genieoffizier G. H. Dufour handelte 1840
in einer für Geschichte der Artillerie sehr wich-
tigen Schrift auch über den Onager und entwarf
von ihm ein Modell, das in seinem Werke durch
zwei Zeichnungen veranschaulicht wird65). Drei-
zehnjahre danach haben ein deutscher Philologe
5B) Dufour, Memoire sur l-’artillerie des anciens et sur
celle du moyen äge (Paris, Genf 1840) S. 44—48, Taf. V,VI,
Fig. 10, 11 und Erklärungen zu den Tafeln S. 120h

und ein preufsischer Offizier, beide aus politischen
Gründen in der Schweiz wirkend, gemeinsam die
griechischen Kriegsschriftsteller herausgegeben
underklärt; siehaben auch jene Ammianusstelle ein-
bezogen und, von manchen Willkürlichkeiten Du-
fours absehend, eine neue Ansicht aufgestellt, die
sich lange Zeit hindurch des gröfsten Ansehens er-
freute56). Indem endlich seit dem Jahre 1903, an-
knüpfend an bei Haltern gefundene Pfeilspitzen,
der jetzige Generalleutnant Erwin Schramm sich
den antiken Geschützen zuwandte, baute auch er
nach Ammians Schilderung mehrere Onager, die
wiederholt wirklich erprobt und allmählich zu be-
deutenden Wirkungen gesteigert wurden; er er-
reichte damit ohne volle Kraftausnutzung Wurf-
weiten von 350 m, was den Schilderungen, die
Vegez an mehreren Stellen (besonders IV, 22 u. 29)
von der Stärke des Onager gibt, gut entspricht. Be-
richte und Abbildungen davon sind von Schramm
selbst sowie von seinem verdienten Mitarbeiter
auf diesem Gebiet, dem im Eingang dieses Auf-
satzes genannten Professor Rudolf Schneider, und
von anderen mehrfach veröffentlicht worden57).
36) Köchly und Rüstow, Griechische Kriegsschriftsteller,
i.Teil (Leipzig 1853) S. 408— 411 der Text Ammians mit
deutscher Übersetzung, dazu S. 416 — 418 die Anmerkungen
und Tab. VII Fig. 1 die Zeichnung. — Einen Mittelweg
zwischen den Konstruktionen von Dufour und von Köchly-
Rüstow scheint der EngländerPayne-Gallwey einzuschlagen,
von dessen Modell in der Ztschr. f. hist. Waffenk.V, 198 eine
Abbildung zu finden ist.
B7) Schramm im Jahrbuch der Gesellschaft für lothrin-
gische Geschichte und Altertumskunde 16 (1904), 159 h,Taf. IV;
18 (1906), 276ff.; 21 (1909) 86; Schneider in der Berliner philo-
logischen Wochenschrift 24 (1904) Nr. 283 in der Umschau
(Frankfurt 1905); Kalinka, Das römische Kriegswesen in
Cäsars gallischen Kämpfen (Wien-Leipzig 1906) S.44 Fig. 37,
als Funda librilis zu Cäsar Debello Gallico7,81; Schneider, Die
antiken Geschütze der Saalburg, Erläuterungen zu Schramms
Rekonstruktionen 2. Auflage (Berlin 1910 S. 22!!.); Feldhaus
in der Ztschr. f. hist Waffenk.V (1909—1911) 52, dazu Schnei-
der ebenda V, 93 u. 233; Gohlke ebenda V,'193, 197f.; Feld-
haus, Die Technik der Vorzeit (Leipzig-Berlin 1914) S. 390,
Abb. 249; Diels, Antike Technik (Leipzig-Berlin 1914) S.89L
mit weiteren Literaturangaben S. 84 Anm. 2.
 
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