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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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9. Heft
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Maesser, Wilhelm: Suhl und Lüttich als Großerzeuger von Schußwaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0275

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254

W. MÄESSER, SUHL UND LÜTTICH ALS GROSSERZEUGER VON SCHUSSWAFFEN VII. BAND

Suhl und Lüttich als Großerzeuger von Schußwaffen
Von W. Maeßer

Als im 14. Jahrhundert die Feuerwaffe aus
Italien nach Deutschland kam, war Suhl
am Südwestabhang- des Thüringerwaldes
ein unbedeutender Ort. Augsburg und Nürnberg
stellten die Donnerbüchse her, wohl auch in
kleinem, tragbaren Format, und weit später rückte
Suhl an die Stelle der auf dem Gebiete der Feuer-
waffen — freilich nur für den Handgebrauch —
meist genannten deutschen Stadt. Lüttich da-
gegen, ohnehin bedeutend als Grofsstadt ihrer
Zeit und reich an Gewerbe, erscheint von Anfang
an stark in der Industrie der Trutzwaffen, die
nach zwei Jahrhunderten die Kriegführung von
Grund aus umgestalten sollten.
Im Gebiete der Somme spielen sich heute
die furchtbarsten Erscheinungen des Feuerge-
brauches für das Völkerringen ab, wie sie nie-
mals zuvor die Welt erlebt hat. ln demselben
Flufsgebiete, nahe der Mündung, hatte Crecy 1346
die Blüte des französischen Adels von Engländern
vernichtet gesehen, wobei zum ersten Male auch
grobes Geschütz mitwirkte. Lüttich war zweifel-
los an der Herstellung dieser Schufswaffen be-
teiligt1). Die Handfeuerwaffen kommen erst im
15. Jahrhundert auf. Anregend und fördernd auf
den neuen Industriezweig Lüttichs können, ganz
abgesehen von der frühzeitigen Entwicklung- der
alten Bischofsstadt (schon seit Anfang des 8. Jahr-
hunderts) vor allem das 14, Jahrhundert mit seinen
fortwährenden Kämpfen zwischen der Einwohner-
schaft und den Bischöfen, das 15.Jahrhundert mit
den von ihren Beschützern Karl dem Kühnen
(1464/68) und Erzherzog Maximilian I. (1482/84)
blutig unterdrückten Aufständen des mächtig
emporstrebenden Stadtwesens eingewirkt haben.

x) Vgl. Polain, J. Recherches historiques sur l’epreuve
des armes ä feu au pays de Liege, Liege 1891.

Bei dem steigenden Bedarf an „Haken-
büchsen“ konnten zwei neue industrielle Stände
Nahrung finden, die garnisseurs des canons und
die faiseurs de bois d’arquebuses. Jene stellten
die Eisen- und Stahlteile der Handfeuerwaffen
her, diese gaben ihnen durch Anfügung des
Schaftes und Kolbens die Handlichkeit. Das
Rohr der Hakenbüchse ruhte in einem plumpen
Schaft, der auf einer der Gabel ähnlichen, meist
von einem zweiten Mann bedienten Vorrichtung
auf lag. Ihr Gewicht schwankte zwischen 25 bis
50 kg. Um dem Zielenden noch das gleichzeitige
Abfeuern zu ermöglichen, bedurfte es erst der
Erfindung des gewöhnlichen Lunten Schlosses
(etwa um 1420), das dann in demLuntenschnapp-
schlofs und Radschlofs (um 1515)2) sich zu dem
sogenanntenMusketen(mousquetons)-Zünder weiter
entwickelte. An Stelle der Arkebuse wurde der
ganze Haken unter dem Namen der Muskete
eingeführt. (Das Gewicht der Muskete gestattete
den freihändigen Anschlag nicht. Die Musketiere
führten daher eine Gabel mit, auf die sie beim
Feuern den vorderen Teil der Waffe stützten,
während sie die Schulter durch ein Kissen gegen
den Rückstofs sicherten). Die Nachfrage nach
diesen verbesserten Handfeuerwaffen, mit denen
bald in ganz Europa die Auslese der Schützen
bewaffnet wurde, war grofs. Die beiden mit dem
Aufkommen der Llandfeuerwaffen entstandenen
Gewerbe waren in Lüttich der Zunft Verfassung
der 32 bons metiers unterworfen und blieben
„selbständige Unterabteilungen“ der Gewerbe,
aus denen sie herausgewachsen waren, die
garnisseurs des canons des Gewerbes der for-
gerons (Schmiede), die faiseurs de bois d’ar-

2) Vgl. Boeheim, W., Handbuch der Waffenkunde
(1890) S. 4506
 
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