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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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9. Heft
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Maesser, Wilhelm: Suhl und Lüttich als Großerzeuger von Schußwaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0276

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9. HEFT W. MAESSER, SUHL UND LÜTTICH ALS GROSSERZEUGER VON SCHUSSWAEFEN

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quebuses des Gewerbes der charpentiers (Zimmer-
leute).
Die berühmtestenBüch senmach er D eutsch-
lands lebten in Augsburg, Nürnberg, Suhl,
Solingen. Fragt man, wie kam Suhl schon
verhältnismäfsig früh zu diesem Erwerbszweig,
so geht man am besten von dem Bergbau aus,
der am Südwestabhang des Thüringerwaldes be-
trieben wurde. In einer Urkunde vom Jahre 1436
bezeugen mehrere alte Einwohner Suhls unter
ihrem Eid in einem offenen Brief (Urkunde), dafs
ihre Eltern ihr Lebtage und sie selbst von
Jugend auf Eisen gen Erfurt geführt hätten* 3).
Damals und schon geraume Zeit vorher mufs die
Eisengewinnung und -Verarbeitung bedeutend ge-
wesen sein. Die neuen reichen Erzanbrüche ver-
sprachen den Bergleuten mehr Gewinn als die
Salzgewinnung. Man gab diese Beschäftigung
ganz auf, die bis in das 13. Jahrhundert zurück-
geht, und der die Stadt Suhl ihren Namen ver-
dankt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts hatte
der Suhler Bergbau einen vorher nie geahnten
Aufschwung genommen. Es wird überliefert,
dafs es besondere Eisenbergwerke gewesen seien,
obwohl sich auch Silber und Kupfer reichlich vor-
gefunden habe. Auch noch die höheren Gebirgs-
täler wurden mit der Anlage von Hüttenwerken
von einer genügsamen erwerbstätigen Bewohner-
schaft erschlossen4). Es entstand aufs neue
Schmiedefeld, ferner 1546 Goldlauter, vor 1547
Hirschbach, nach 1585 das Dorf Vesser im An-
schlufs an einen damals „in der Vesser“, d. h. im
Vessertal bestehenden Hammer, während der
Flecken Suhl von rund 1250 Einwohnern im Jahre
1525 bis zur Stadt von rund 4500 Personen ein-
schliefslich des benachbarten Suhlerneundorfes im
Jahre 1585 an wuchs.
Am Anfang des 17. Jahrhunderts verfiel, weil
die Feuerwaffe dem Fernkampfe das Übergewicht
verschaffte, die Harnischtracht schnell, um in der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ganz aufser
Gebrauch zu kommen. In Suhl ward (nach der
Suhler Chronik) im Jahre 1499 vornehmlich nur
der Panzerer, Plattner und Elarnischschmiede Er-
wähnung getan, die für die süddeutsche Ritter-
schaft arbeiteten. Sobald im 16. Jahrhundert die
Feuerwaffen weiter vervollkommnet wurden, hat-
ten sie sich aber auf die Herstellung von Büchsen
geworfen. Das Büchsen- und Feuerschlofsmachen
war dort ebenso wie in Nürnberg eine freie Kunst
und konnte von denjenigen betrieben werden, die

3) Höhn, W., Henneberg. Bodenschätze (Schrift, d.
Henneberg. Geschichtsver. Schleusingen 1909).
4) Maefser,W., Die Bevölkerung des Kreises Schleu-
singen vornehmlich im 17. Jahrhundert, Diss., Halle 1916, S. 9.

kein anderes Gewerbe hatten. Die sich damals
wenig bewährenden Musketenzünder konnten in
Suhl noch nicht zur Zufriedenheit der Handels-
leute hergestellt werden. Diese bezogen die
Musketenzünder deshalb nicht von den am Orte
ansässigen Büchsenmachern (Schlossern), sondern
von den Steinbacher Nagelschmieden (in dem be-
nachbarten heutigen Kreise Herrschaft Schmal-
kalden). Nach dem einschlägigen Quellenmaterial
des Gemeinschaftl. Henneberg. Archivs Meiningen
beginnt das Suhler Büchsenmacherhandwerk aber
mit den Bauernkriegen 1524/25) hervorzutreten,
d. h. nach Einführung desRadschlosses, welches
dann noch durch das Schnapphahnschlofs ver-
bessert wurde. Man nimmt an, dafs die Kaufleute,
die den alten handwerksmäfsigen Waffen-
schmieden ihre Erzeugnisse abgenommen
hatten, um sie auf den Märkten und Messen feil-
zuhalten, die Organisatoren der kapitalisti-
schen Waffenindustrie wurden5). Den hohen
Anforderungen der Technik, der Lieferung von
grofsen Massen von W^affenprodukten, die rasch
und einheitlich verlangt wurden, vermochte man
nur durch Spezialisation der Arbeitsverrichtungen
gerecht zu werden. Die neuen Büchsen mit ihren
langen, ausgebohrten und polierten Rohren, mit
Rad- oder Schnapphahnschlofs, mit Ladestock
und Holzschäftung konnten in den hand werks-
mäfsigen Waffenschmieden fernerhin herge-
stellt werden, aber nicht mehr in einer Werk-
stätte. Nur vermittels des Verlagssystems, das
im Ausdruck „Fabrik“ im Sinne von fabrique
lyonnaise verstanden wird6), war man dazu viele
Jahrhunderte lang imstande. „Fabrik“ ist der
Sammelbeg'riff aller in der Stadt zerstreut liegen-
den Werkstätten, die durch einen Verlag ihre
Gewehre oder einzelne Teile vertreiben liefsen.
In der Blütezeit der Suhler wie Lütticher
Waffenindustrie7) (die für Suhl in ihrer erstaun-
lichen Höhe von 1580 bis zu dem verhängnisvollen
Jahre 1634 zu rechnen ist) begegnet man einem
regen Export von Wraffen. Für Lüttich wird
dieser von Polain schon für den Anfang des
16. Jahrhunderts nachgewiesen und erwähnt, dafs
er zuerst in den Pländen der Nägelhändler (mar-
chands de clous) lag, die seit langer Zeit Handels-

ß) Vgl. Sombart,W., Krieg und Kapitalismus, München
und Leipzig 1913, S. 92f. — Auch Mews, K., Essener Ge-
wehrfabrikation und Gewehrhandel (Zeitschr. f. hist. Waffen-
kunde, Bd. 5, S. 50).
6) An schütz, H., Die Gewehrfabrik in Suhl, Dres-
den 1811.
7) Nach Mews a. a. O. S. 49 machen der 30jährige
Krieg, die Kriege gegen Ludwig XIV., der spanische Erb-
folge- und der nordische Krieg die Blütezeit der Essener
Gewehrindustrie aus.
 
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