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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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5. Heft
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Engel, Bernhard: Waffengeschichtliche Studien aus dem Deutschordensgebiet, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0158

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138

BERNHARD ENGEL, WAFFENGESCHICHTLICHE STUDIEN

VII. BAND

zeuges, nur an einer Stelle sehen wir, dafs es
an den Helm angeschnallt ist. Die Ellbogen-
kacheln haben zum Teil statt einer Spitze ein
auf einem Stiele sitzendes Knöpfchen. Das linke
Unterarmzeug endet in eine steife Hentze, welche
bei zwei Rüstungen ein aufgenietetes Verstär-
kungsstück zeigt. Die rechte Hand wurde nicht
durch einen Handschuh, sondern durch die grofse
Brechscheibe geschützt, welche auf die Stech-
stange gestreift wurde. Hier ist jedes Stechzeug
mit zwei solchen Scheiben ausgestattet. Je eine
sitzt an einem rot-weifs bemalten Stangenstumpf,
während die andern unterhalb der Rüstungen auf-
gehängt sind. Die meisten sind glatt, nur eine
spiralförmig gekehlt. Diese Scheiben wurden an
die Stangen wohl nicht angenagelt, sondern nur
lose übergestreift. Dadurch wurde ein leichteres
Abgleiten des gegnerischen Stangenstofses er-
möglicht. Tatsächlich sieht man auch an diesen
Scheiben keine Nagellöcher.
Auf der linken Brustseite finden wir zwei
Löcher zum Durchziehen der Schnüre, mit denen
die Stechtartsche aufgebunden wurde. Hier ist
dieser Schild unter der zweiten Brechscheibe auf-
gehängt. Ich habe einen herabholen können. Die
geschweifte Form ist aus den Abbildungen er-
sichtlich. Die Rückseite ist beledert und zeigt
drei durchgehende Löcher, zwei für die Schnüre,
das dritte zum Annieten eines Riemens, an wel-
chem die Tartsche zu gröfserer Festigkeit auf-
gehängt wurde. Dieser Riemen ging über die
linke Schulter und war auf dem Rückenteil be-
festigt. (Vgl. Böheim, Waffenkunde S. 537.) Die
Vorderseiten unserer vier Tartschen sind mit be-
malter Leinwand beklebt, welche auf rot-blau ge-
viertem Felde einen goldenen Löwen mit Doppel-
schwanz zeigt. Da alle vier Schilde das gleiche
Wappen zeigen, ist vielleicht der ganze Überzug
spätere Zutat. Jedenfalls ist das Aufkleben erst
nachträglich erfolgt, da die Löcher von rückwärts
her nur bis an die Leinwand gehen; diese selbst
ist nicht durchlocht, so dafs ein Auf binden der
Tartsche garnicht möglich gewesen wäre. Ich
bin auch der Ansicht, dafs ehemals die mit den
Wappen bemalten Stoffüberzüge garnicht —
wenigstens nicht immer — fest auf den Tartschen
angebracht, sondern nur für das jeweilige Ge-
stech lose über die Tartschen gehängt wurden.
Daraus erklärt es sich, dafs wir auf Turnier-
darstellungen oftmals den Tartschenbezug lose
um den Rand herumflattern sehen, z. B. Böheim
S- 553-
Der an der rechten Brustseite sitzende Rüst-
haken ist verdeckt, die nach rückwärts gerichtete
Rasthakenstange ist offenbar abgeschraubt, da
sie beim Aufhängen der Rüstung störend ge-

wesen wäre. Hier scheint die Stange hinter dem
Helme angebracht zu sein.
Zu Seiten der Stechzeuge endlich sehen wir
je eine getörte Rofsstirn mit aufgenieteter, teils
glatter, teils gefächerter Scheibe und beweglichem
Genickstück. — —
An der Aufsenwand des Artushofes neben
dem Eingangsportal, ein wenig durch die späteren
Zutaten des 16. Jahrhunderts verdeckt, sehen wir
einen eingemauerten, aus Stein gemeifselten
B. Fratzenkopf und ein Original-Krön-
lein, dreizackig, an kurzer eiserner Kette hängend
(Abb. 3). Bezüglich des Anlasses dieser Einmauerung
fehlt jede Überlieferung. Vielleicht hängt sie mit
einem Vorgänge aus dem Jahre i486 zusammen.
Damals führte das übliche Fastnachtsstechen zu
einem erheblichen Streite innerhalb der Bürger-
schaft. An dem Stechen war auch ein Auswär-
tiger beteiligt, er wurde von Einheimischen „aus-
gemacht“; einer lieh das Pferd, ein anderer den
Harnisch, einer gab ihm die „leimet zur rosdeken
mit ballen geschwertzt“, endlich einer ein „karten-
spiel, das er sich mitte behing“. Die Rofsdecke
bestand also aus Leinwand, die „mit ballen“
geschwärzt war; das soll wahrscheinlich heifsen,
dafs sie mittels Ballen schwarz bedruckt war.
Der Stecher selbst hatte wohl die einzelnen Karten
auf Fäden gezogen an der Rüstung angebracht,
so dafs die Karten beim Anreiten im Winde
flatterten. —
Auch im Artushofe selbst mag es nicht immer
friedlich hergegangen sein, da man es für nötig
hielt, in die „Artushofordnung“ über den Gebrauch
von Waffen Bestimmungen aufzunehmen. Die
älteste Artushofordnung ist leider nur in einer
späteren Abschrift erhalten, auch ihr Entsteh ungs-
jahr ist nicht sicher. Dort heifst es: „Und Nie-
mand soll ingewonlich (ungewöhnliche) waffen oder
Wehren einer kegen den andern tragen, er sei
bürger oder Gast bei [Strafe] einer halben last
birs.“ In der Ordnung von 1421 heifst es: „Fort-
mer sal nymandt unwonliken wapenne edder
lenger meszer denne eyne eie (Elle) up den hoeff
dregen . . .“ Die Worte von „edder“ bis „eie“
sind von späterer Hand durchstrichen und am
Rande steht „efte messer“. Aber auch die Ord-
nung von 1527 besagt: „Vort mehr sali niemandt
ungewonlicke wapen effte messere dregen, de
baüen (über) eine ehle lang sien, bi der pene einer
halüen lasthe Behres.“ — —
C. Da die Georgsbrüderschaft die Stifterin
des Artushofes war, fehlte es natürlich auch nicht
an einer Darstellung dieses Heiligen in Gestalt einer
grofsen Holzschnitzerei (Abb.4). Er trägt eine
gotische Vollrüstung. Den Kopf deckt eine Schal-
 
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