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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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5. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0170

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150

LITERATUR

VII. BAND

besonders angegeben sind. Die Zeitbestimmung
der einzelnen Waffen ist in weitem Rahmen ge-
halten und erstreckt sich auf einen Zeitraum von
manchmal zwei Jahrhunderten, eine genauere Da-
tierung wäre bei vielen Stücken mit Sicherheit
möglich gewesen; bei den Schwertern ist zwar
der Versuch an einigen Stellen gemacht, jedoch
nicht durchgeführt worden.
Die ältesten und für die waffengeschichtliche
Entwicklung wichtigsten Stücke finden sich unter
den Stangenwaffen der Sammlung Boissonnas.
Sowohl an Zahl wie an Formenreichtum findet
sich hier eine einzigartige Reihe. Alle diese
Stücke sind mit wenigen Ausnahmen in der Schweiz
gefunden worden. Vom 14. Jahrhundert an bis zu
Anfang des 16. Jahrhunderts treffen wir in gene-
tischer Folge die einzelnen Typen der Halbarte
(Kriegshippe). Als Vergleichs- und Studienmate-
rial sind diese Tafeln unentbehrlich. Daneben
treten die anderen Stangenwaffen trotz ihrer guten
Qualität zurück, von den meisten vorkommenden
Arten sind bezeichnende Vertreter vorhanden. Be-
sonders erwähnt sei Nr.47 Taf. XII: „Glefe-Hippe
von der Leibwache Karls des Kühnen mit ge-
ätzter Klinge und der Initiale K(arolus). Sehr
schönes Stück flämischer Arbeit. Rührt wahr-
scheinlich von der Beute her, welche die Schweizer
1476 in der Schlacht bei Murten machten, die
gravierten Stellen der Klinge sind vergoldet,
15. Jahrhundert.“ Der Ausdruck Glefe-Hippe ist
nicht sonderlich glücklich; das Stück ist eine dem
Rofsschinder verwandte Glefe, welche man, wenn
das Blatt nicht zu schmal wäre, sogar noch zu
den Halbarten zählen könnte. Boeheim nannte
solche Waffen „italienische Helmbarten“. Ihrem
ganzen Aufbau nach gehört diese Waffe sicher
nicht zu der Beute der Eidgenossen von Murten,
auch das „K“ samt seiner Umrahmung ist im Ge-
schmacke einer späteren Zeit ausgeführt, zudem
schrieb sich Karl der Kühne nie Karolus, sondern
Carolus oder aber Charles. Stilistisch ist diese
Waffe in die Mitte des 16. Jahrhunderts zu setzen;
es war eine Trabantenwaffe, aber sicher nicht von
der Leibgarde des Herzogs Karl von Burgund aus
dem 15. Jahrhundert Wahrscheinlich bezieht sich
das „K“ auf den Herzog Karl IV. von Lothringen
und seine Schweizer Leibgarde, um 1550. Nr. 81
ist kein Spiefs, sondern eine Gabel, wie sie beim
Salmenstechen gebraucht wurde, ein Fischerei-
gerät. Auch Nr. 60 ist kein Spiefs, sondern ein
Bootshaken (Taf. 33 und 34). Interesse bieten die
drei Tafeln mit den „Bauernwaffen“. Der Ver-
fasser hat hier eine Anzahl Halbarten (Kriegs-
hippen) und Streitäxte von manchmal ganz ab-
sonderlichen Formen zusammengestellt. Man darf
diese Stücke mit einigem Recht so benennen, da

sie kein Erzeugnis eines zünftigen Waffenschmieds
sind und wohl ad hoc von einem gewöhnlichen
Grobschmied verfertigt wurden. Die vorgeschicht-
lichen Waffen seien hier nicht berücksichtigt.
Unter den karolingischen Waffen finden sich zwei
Exemplare der Spata von ausgezeichneter Arbeit.
Die vorhandenen Schwerter und frühen Säbel,
„Schweizersäbel“, würden jedem Museum zur Zier
gereichen; auch hier hat Boissonnas mit Kenntnis
und Geschick gesammelt. Eines dieser Schwerter
(Taf. XXIX, Nr. 125), das eine Inschrift aufweist:
,,ARIAS • PANTMER IN URI“ auf der einen,
und „VLRICH DIEFSTETER • INMANACI“
auf der andern Seite, konnte von mir identi-
fiziert werden. Den Waffenschmied Ulrich Dief-
stetter von München kennen wir bereits (vgl. diese
Zeitschrift B. V. S. 291 und B. VI. S. 277). Einen
Arias Pantmer in Uri oder einen ähnlich lauten-
den Namen finden wir unter den Urner Geschlech-
tern nicht. Bei näherem Zusehen springt einem
aber ein anderer Name eines Urnergeschlechts in
die Augen „Puntiner oder Püntinner“. Der Be-
steller des Reitschwerts hat dem Meister Dief-
stetter seinen Namen eben undeutlich aufge-
schrieben oder es erfolgte bei der Gravierung
eine Verwechslung, „u“ statt „a“ und „m“ statt „in“.
Arias ist der Name Azarias (Asarja); das Schwert
gehörte daher dem Azarias Puntiner, der 1558
Landsfähndrich von Uri war, dann 1564 Landvogt
zu Lauis (Lugano) und 1577 Ritter und Päpst-
licher Garde Hauptmann zu Bologna wurde (Leu,
schweizer. Lexik. B. XIV, S. 681, 1747). Die den
Schwertern folgenden Dolche, worunter gute
Stücke von Schweizerdolchen, aber ohne die
übliche Prunkscheide, können übergangen werden.
Unter den verschiedenen Stücken sei als merk-
würdiges Beispiel der späteren Verwendung von
Schutzwaffen eine zu einem Kochkessel umge-
änderte Sturmhaube erwähnt. Damit sind wir
am Schlüsse des Werkes angelangt. — Trotzdem
darf der Referent nicht schliefsen, ohne eine Kritik
zu erwähnen, welche Neuhaus im Anzeiger des
germanischen Nationalmuseums (Jahrg. 1914, Heft 3
und 4, S. 73 und 74) dem Boissonnas’schen Werke
widmet. Neuhaus klagt lm Anfang seines Refe-
rates darüber, dafs wirklich brauchbare Waffen-
kataloge zu den Seltenheiten gehörten und zählt
dann einige bekannte auf, neben diesen scheinen
aber z. B. nicht erwähnt der ausgezeichnete „Cata-
logo de la Real Armeria de Madrid“ von dem
Conde de Valencia de Don Juan, Madrid 1898,
ferner der Katalog der Waffen und Rüstungen
des Musee de la Port de Hai in Brüssel, von Edg.
de Prelle de la Nieppe, Brüssel 1902, ferner der
Katalog von R. Forrer, Schwerter und Schwert-
knäufe der Sammlung Carl von Schwerzenbach,
 
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