6.11. HEFT
HUGO HORWITZ, DIE ARMBRUST IN OSTASIEN
159
Ch’ih Yu6 * 8) und erfand fünferlei Waffen: Stock,
Säbel, Lanze und eine grofse Armbrust9). Eine
Deutung nach der Richtung der letzten Anführung
hin gäbe auch eine der Erklärungen des chinesi-
schen Wortbildes für „Armbrust“. Dieses ist näm-
lich aus den Zeichen Bogen und Sklave (oder
Kriegsgefangener) zusammengesetzt. Man glaubt
daher dies als einen Hinweis auffassen zu sollen,
dafs die Chinesen die Armbrust von einem Volke
übernommen hätten, das von ihnen vorher durch
Waffengewalt unterjocht worden wäre. Aber ab-
gesehen davon, dafs von chinesischer Seite auch
eine andere Erklärung des Wortbildes gegeben
wurde, darf obige Textstelle nicht als unbedingt
richtig angesehen werden. Schon der Umstand,
dafs von fünf Waffen die Rede ist und nur vier
genannt sind, deutet auf eine Ungenauigkeit in
der Wiedergabe, und dieselbe Stelle nach einer
anderen ursprünglichen Quelle überliefert lautet:
„Ch’ih Yu machte fünf Waffen aus Eisen: Bogen,
Lanze, Wurfspeer, Beil und Hellebarde10). Hier
ist also von der Armbrust keine Rede, sondern
statt dessen wird der einfache Bogen genannt.
Die zweite Erklärung für das chinesische Wort-
bild von Armbrust ist Herrn Hsiao in Leipzig zu
verdanken. Danach soll die Zusammensetzung
6) Ch’ih Yu, ein berühmter Rebell, der die Macht des
gelben Kaisers brechen wollte, aber in der Schlacht bei
Cho-lu (im heutigen Chihli) geschlagen wurde. [Herbert
A. Giles, A Chinese Biographical Dictionary, London und
Shanghai 1898, S. 147.]
9) Ko-chih ching-ytian 1735, Buch 41, Blatt 13a, zitiert
aus dem Pi-shih-lei-pien, dort wieder nach dem Lung-yti-
ho-t’u.
10) K’ang-hsi-tzfl-tien, dort zitiert nach dem Shih-pen.
K’ang-hsi-tzü-tien, das mafsgebende Wörterbuch der
Ch’ing-Dynastie, verfafst 1710 — 16 auf Befehl des Kaisers
K’ang-hsi. Es ist eine verbesserte Bearbeitung des in den
beiden aus dem 17. Jahrhundert stammenden Wörterbüchern
Tzü-hui und Ch’eng-tzh-t’ung enthaltenen Materials.
Abb. 9. Visiervorrichtung
Bogen und Sklave bedeuten, dafs die Armbrust
früher mit Hilfe von Sklaven gespannt wurde. Eine
BestätigungderAnsicht, dafs Gehilfen beim Spannen
Verwendung fanden, gibt eine Zeichnung von schies-
senden Miao-tze (Abb. 3), die einem chinesischen
Werke über diesen Volksstamm entnommen ist.
Sie zeigt, wie rechts und links vom Schützen zwei
Männer mit beim Spannen behilflich sind; es scheint
aber trotzdem unwahrscheinlich, dafs als „Büchsen-
spanner“ kriegsgefangene Sklaven verwendet
wurden.
Die Miao-tze sind ein eingeborener Volks-
stamm im Süden Chinas, die dieses Land vor den
Chinesen bewohnten und von ihnen bis auf ge-
ringe Reste, die in unzugänglichen Ge-
birgstälern ihre Freiheit bewahrten, unter-
worfen wurden. Dieser Umstand deutet
allerdings wieder auf die erste Erklärung
des Wortbildes: „Sklavenbogen“.
Im Anschlüsse seien auch gleich
die Berichte aus späteren chinesischen
Werken über die Armbrüste der Miao-tze
wiedergegeben. Es wird dabei eine Holz-
und eine Bambuskonstruktion (Abb. 4 u. 5)
unterschieden. Dieser Unterschied bezieht
sich aber nur auf den Bogen, der Schaft
(Säule) ist stets aus Holz. Bei der Bam-
busarmbrust ist der Bogen aus zwanzig
einzelnen Teilen zusammengesetzt, die
Sehne besteht aus feinem Hanf, und
HUGO HORWITZ, DIE ARMBRUST IN OSTASIEN
159
Ch’ih Yu6 * 8) und erfand fünferlei Waffen: Stock,
Säbel, Lanze und eine grofse Armbrust9). Eine
Deutung nach der Richtung der letzten Anführung
hin gäbe auch eine der Erklärungen des chinesi-
schen Wortbildes für „Armbrust“. Dieses ist näm-
lich aus den Zeichen Bogen und Sklave (oder
Kriegsgefangener) zusammengesetzt. Man glaubt
daher dies als einen Hinweis auffassen zu sollen,
dafs die Chinesen die Armbrust von einem Volke
übernommen hätten, das von ihnen vorher durch
Waffengewalt unterjocht worden wäre. Aber ab-
gesehen davon, dafs von chinesischer Seite auch
eine andere Erklärung des Wortbildes gegeben
wurde, darf obige Textstelle nicht als unbedingt
richtig angesehen werden. Schon der Umstand,
dafs von fünf Waffen die Rede ist und nur vier
genannt sind, deutet auf eine Ungenauigkeit in
der Wiedergabe, und dieselbe Stelle nach einer
anderen ursprünglichen Quelle überliefert lautet:
„Ch’ih Yu machte fünf Waffen aus Eisen: Bogen,
Lanze, Wurfspeer, Beil und Hellebarde10). Hier
ist also von der Armbrust keine Rede, sondern
statt dessen wird der einfache Bogen genannt.
Die zweite Erklärung für das chinesische Wort-
bild von Armbrust ist Herrn Hsiao in Leipzig zu
verdanken. Danach soll die Zusammensetzung
6) Ch’ih Yu, ein berühmter Rebell, der die Macht des
gelben Kaisers brechen wollte, aber in der Schlacht bei
Cho-lu (im heutigen Chihli) geschlagen wurde. [Herbert
A. Giles, A Chinese Biographical Dictionary, London und
Shanghai 1898, S. 147.]
9) Ko-chih ching-ytian 1735, Buch 41, Blatt 13a, zitiert
aus dem Pi-shih-lei-pien, dort wieder nach dem Lung-yti-
ho-t’u.
10) K’ang-hsi-tzfl-tien, dort zitiert nach dem Shih-pen.
K’ang-hsi-tzü-tien, das mafsgebende Wörterbuch der
Ch’ing-Dynastie, verfafst 1710 — 16 auf Befehl des Kaisers
K’ang-hsi. Es ist eine verbesserte Bearbeitung des in den
beiden aus dem 17. Jahrhundert stammenden Wörterbüchern
Tzü-hui und Ch’eng-tzh-t’ung enthaltenen Materials.
Abb. 9. Visiervorrichtung
Bogen und Sklave bedeuten, dafs die Armbrust
früher mit Hilfe von Sklaven gespannt wurde. Eine
BestätigungderAnsicht, dafs Gehilfen beim Spannen
Verwendung fanden, gibt eine Zeichnung von schies-
senden Miao-tze (Abb. 3), die einem chinesischen
Werke über diesen Volksstamm entnommen ist.
Sie zeigt, wie rechts und links vom Schützen zwei
Männer mit beim Spannen behilflich sind; es scheint
aber trotzdem unwahrscheinlich, dafs als „Büchsen-
spanner“ kriegsgefangene Sklaven verwendet
wurden.
Die Miao-tze sind ein eingeborener Volks-
stamm im Süden Chinas, die dieses Land vor den
Chinesen bewohnten und von ihnen bis auf ge-
ringe Reste, die in unzugänglichen Ge-
birgstälern ihre Freiheit bewahrten, unter-
worfen wurden. Dieser Umstand deutet
allerdings wieder auf die erste Erklärung
des Wortbildes: „Sklavenbogen“.
Im Anschlüsse seien auch gleich
die Berichte aus späteren chinesischen
Werken über die Armbrüste der Miao-tze
wiedergegeben. Es wird dabei eine Holz-
und eine Bambuskonstruktion (Abb. 4 u. 5)
unterschieden. Dieser Unterschied bezieht
sich aber nur auf den Bogen, der Schaft
(Säule) ist stets aus Holz. Bei der Bam-
busarmbrust ist der Bogen aus zwanzig
einzelnen Teilen zusammengesetzt, die
Sehne besteht aus feinem Hanf, und