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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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8. Heft
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Gessler, Eduard Achilles: Das "Sturmfäßslin", eine merkwürdige Feuerwaffe
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0248

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8. HEFT

ED. A. GESSLER, DAS „STURMFÄSSLIN“, EINE MERKWÜRDIGE FEUERWAFFE

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Frönsperger zeigt allerdings eine so grofse
Höllenmaschine wie das Basler Sturmfäfslein nicht,
hingegen lassen uns seine Beschreibungen und
Abbildungen kleinere Waffen dieser Art ersehen,
welche wie diese grofsen eingerichtet und ver-
fertigt waren (Abb. 2). Frönsperger kennt augen-
scheinlich das gröfsere Sturmfafs noch nicht; er
gibt zwar etwas ähnliches, diesist aber mit der blofsen
Hand zu werfen, was bei dem Basler Sturmfafs
nicht möglich war. Die Beschaffenheit dieser
Waffen schildert er in dem folg'enden Abschnitt
„Was gestalt die Sturmbrügel oder Kolbe / dareyn
der vorg'emeldt zeug zu füllen / g-emacht werden /
Und wie die auss oder in die Besatzung (darmit
was von Holtzwerck anzuzünden) zu werffen.“ Es
würde hier zu weit führen, darauf näher einzugehen:
„Diese Brügel sollen zum Sturm / zu dem Anlauffe /
gebraucht werden / auch wo man Gräben mit Holtz
eynfüllt / können sie mit diesen Kolben angezündt
werden / Es mögen auch schüss und schläg in diese
Kolben gethan und verborgen werden / doch wo
dise schläg ligen / sollen die Kolbe gezeichnet seyn
usw.“ Die folgenden Abbildungen zeigen uns die
verschiedenen Arten Feuer- oder Sturmringe, die
mit dem in Basel aufbewahrten beinahe gleich sind.
Die Lektüre des Kriegsbuchs lehrt uns die Einzel-
heiten aller dieser Waffen genau kennen. Auch
die Feuerkugeln entsprechen den in Basel und Zürich
aufbewahrten Stücken (Abb. 4). Zum Schlufsseinoch
zitiert „WTie die schläg / schüss / und auch schröt /
bereit und geschmidt werden“: „Zu dem ersten sollen
die schleg mit Schüssen von gutem / starcken und
zähem eysen / oder aber sonst von gutem metall ge-
schmidt oder gegosse werden / ungefährlich in der
gröfse / lenge / breite / unnd dicke / wie man dann
die kleinen feustling pflegt zu schweifsen/ungefähr-
lich einer spannen lang / oder nicht gar/hinden ein
Zündtlöchlein und zugespitzt / darnach wie ein
andere Büchssen gelade / alssdann in die Kugeln /
raiff / ring oder ander Säck / gethan / un geschlage.
Solche schleg sollen auch / wie oben gemeldt /von
ganzem eysen geschweist oder wol gelöt werden.“

Abb. 4. Lienhard Frönsperger.
„Von Kayserlichen Kriegsrechten usw.“
Frankfurt 1566, VIII. Buch, S. 185


Abb. 5. Lienhard Frönsperger.
„Von Kayserlichen Kriegsrechten usw.“
Frankfurt 1566, VIII. Buch, S. 184
Die Schläge an dem Basler Sturmfäfslein sind
auf gleiche Weise aus versägten Gewehrläufen
gefertigt (Abb. 5). Die in den Basler Zeughaus-
inventaren neben dem Sturmfafs vorkommenden
Waffen dieser Art, also die Feuerkugeln, die
Sturmpfähle (= Sturmkolben), die Sturmkränze
und die Sturmballen, finden wir bei Frönsperger
genau wieder. Nicht vorhanden ist jedoch bei ihm
der Sturmspiefs, wohl einfach ein Sturmkolben an
einem Langspiefs und ähnlich die Sturmhalbarte.
Das Basler Sturmfäfslein scheint nach den Er-
wähnungen in den Inventaren nicht vor 1591 ent-
standen zu sein, da in dem Inventar dieses Jahres
die Zahl der Schläge nur für Feuerkugeln an-
gegeben ist; 1648 kommen noch die Handgranaten
hinzu und erst 1662 die Sturmkolben. Da wir
aber wissen, dafs 1709 die Sturmfässer nicht im
Zeughaus aufbewahrt wurden, sondern alle in
einem Turm der Befestigung, konnten sie auch
nicht in den Verzeichnissen des Zeughausinhalts
angeführt werden. Mit dem Vorkommen von
Schlägen dürften auch alle diese „Feuerwaffen“
vorhanden gewesen sein. Das Sturmfafs, wie es
in Basel aufbewahrt wird, ist bei Frönsperger 1564
und dann in der vermehrten Ausgabe von 1573
noch nicht vorhanden. Bei der Genauigkeit, mit
der er solche Waffen mit allen ihren Abarten an-
führt, wäre ihm eine solche Schufswaffe nicht ent-
gangen, wenn sie damals schon vorhanden gewesen
wäre. Wir haben also die Erfindung des Sturmfasses
in die Zeit nach 1573 zu setzen: das Basler Stück
dürfe zwischen 1591 und 1648 gearbeitet worden
sein, die äufserste Grenze nach oben wäre 1662.
Es wäre erwünscht zu erfahren, ob noch andere
Stücke dieser merkwürdigen Feuerwaffen irgend-
wo vorhanden sind.
 
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