9. HEFT
R. FORRER, RÖMISCHE GESCtIÜTZKUGELN AUS STRASSBURG IM ELSASS
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wärtigen Aufstellung der Geschütze oder mit
einer seitwärtigen Lage der Munitionsmagazine
zusammenhängt, jedenfalls ist das Bestreben be-
achtenswert, die Vorräte zwar neben dem Tor
aufzubewahren, aber zugleich sie mehr gegen die
Mitte der Kastellfront zu verlegen und so die
beiden Fronthälften gleich leicht zugänglich zu
machen. Das gleiche Bestreben konnte natür-
lich auch bei der Aufstellung der Geschütze mafs-
gebend sein, desto besser beherrschten die Ge-
schütze gleichmäfsig beide Fronthälften.
Es ist mir ferner aufgefallen, dafs dieselben
beiden Punkte, die uns jene zwei Geschofsgrup-
pen geschenkt, gerade auch römischesPionier-
werkzeug geliefert haben. Schanzwerkzeug
gehörte ja zum römischen Legionär so gut wie
zum modernen Soldaten. Pickel und Schaufel
bedurfte er zum Auflockern des Bodens beim
Anlegen der Schanzgräben, des Beiles zum Be-
hauen der Pfähle für die Palissaden. Er hatte
Abb. 4. Verteilung des römischen Pioniergeräts
innerhalb Strafsburgs.
dafür besonders gut gearbeitetes und stereotyp
geformtes Gerät (vgl. die Abbildungen 5 — 7 von
in Strafsburg gefundenem römischem Pionierwerk-
zeug), Beile ähnlich Fig. 5, 1 und 2 findet man ab-
gebildet auf der Trajanssäule in der Fland von
Legionären. Um sie ohne sich und die Schneide
zu verletzen mitführen zu können, trug man sie
in besonderen Futteralen, deren Beschläge sich
mehrfach gefunden haben11). — Nun ist zu beob-
achten, dafs wie die Strafsburger Geschützkugeln
so auch unser Pionier Werkzeug in derKastell-
mitte nahezu ganz fehlt, dagegen längs des
Mauerringes häufig ist (man vgl. dazu das
Kärtchen Fig. 4, das die Verteilung der Fund-
stellen dieser Pioniergeräte veranschaulicht). Da-
bei sieht man diese Geräte sich wieder besonders
auf die Fundstelle in der Brandgasse ostwärts des
n) Vgl. Altertümer u. heidn. Vorzeit V Taf. 18 u. S. 95
und andere archäologische Zeitschriften und Werke.
Stadttores konzentrieren. Da scheint also ein
regelrechtes Magazin mit Kriegsbedarf ge-
legen zu haben.
Jedenfalls geht aus dem Gesagten mit Sicher-
heit hervor, dafs die Verteilung dieser Funde
keine blofs zufällige ist, sondern dafs sie in engem
Zusammenhang steht mit dem Fortifikationssy-
stem der römischen Festung.
Betrachten wir uns nun unter diesem Gesichts-
punkte auch die anderen Fundstellen der
römischen Geschützkugeln, so mufs zunächst
auffallen, dafs innerhalb des Kastells diese Kugeln
besonders längs der Südfront, d. h. längs der
Wasserfront auftraten. Da auf dieser Linie
nicht mehr gegraben worden ist als auf den
anderen Fronten, scheint auch hier nicht blofs
Zufall zu walten. Die gröfsere Zahl von Kugel-
fundstellen dürfte wohl mit einer stärkeren
Armierung der Südfront im Zusammenhang
stehen. In der Tat war das in römischer Zeit
die Feindesseite, denn dort führte der Weg
zum Rhein und hinüber zum badischen Ufer, wo
die Germanen safsen oder von woher sie in erster
Linie zu erwarten waren. Aufserdem waren dort
zwei Wasserläufe, die in den die Südfront be-
grenzenden Ill-Breuschflufs mündeten und ehedem
mit dem Rhein in Zusammenhang standen. Noch
im 16. Jahrhundert sind ja die Zürcher Schützen
anläfslich ihrer berühmten „Hirsebreifahrt“ auf
dem einen dieser beiden Wasserläufe, dem „Rhein-
giessen“, der heutigen Zürcherstrafse, in Strafs-
burg eingefahren. Da ist es nun wohl wieder
nicht blofs Zufall, dafs gerade diesen Ein-
fahrten gegenüber unsere Kugelfundstellen
Korduangasse und Kreuzgasse - Stephansplan
liegen. Sie werden annähernd die Punkte an-
deuten, an denen längs der Mauer Geschütze
aufgestellt waren zur Beherrschung der ein-
fahrenden Schiffe. Unmittelbarneben der Kor-
duangasse lag, wie ich eben nachgewiesen habe1-),
ein grofser runder römischer Eckturm von
rund 20 m Durchmesser, also eine förmliche
„Bastei“. Diese werden wir uns als den Stand-
ort jener römischen Geschütze zu denken haben.
Es liegen Spuren vor, dafs auch die anderen
Kastellecken mit gleich gewaltigen Turmbauten
geschützt waren13). Auf der Südfront liegt die
Fundstelle Stephansplan der südöstlichen Kastell-
ecke nahe, auf der Nordfront die Fundstelle im
Protestantischen Gymnasium dicht an der Nord-
westecke des römischen Kastells.
Auf diese Ecktürme aufgestellt beherrschten
diese Geschütze nicht nur die Nord- bzw. Süd-
12) Anzeiger f. elsäss. Altertumskunde 1915 Nr. 25/28.
13) Gleiche römische Eck-Rundtürme habe ich in-
zwischen auch in Zabern durch Ausgrabungen erschlossen.
R. FORRER, RÖMISCHE GESCtIÜTZKUGELN AUS STRASSBURG IM ELSASS
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wärtigen Aufstellung der Geschütze oder mit
einer seitwärtigen Lage der Munitionsmagazine
zusammenhängt, jedenfalls ist das Bestreben be-
achtenswert, die Vorräte zwar neben dem Tor
aufzubewahren, aber zugleich sie mehr gegen die
Mitte der Kastellfront zu verlegen und so die
beiden Fronthälften gleich leicht zugänglich zu
machen. Das gleiche Bestreben konnte natür-
lich auch bei der Aufstellung der Geschütze mafs-
gebend sein, desto besser beherrschten die Ge-
schütze gleichmäfsig beide Fronthälften.
Es ist mir ferner aufgefallen, dafs dieselben
beiden Punkte, die uns jene zwei Geschofsgrup-
pen geschenkt, gerade auch römischesPionier-
werkzeug geliefert haben. Schanzwerkzeug
gehörte ja zum römischen Legionär so gut wie
zum modernen Soldaten. Pickel und Schaufel
bedurfte er zum Auflockern des Bodens beim
Anlegen der Schanzgräben, des Beiles zum Be-
hauen der Pfähle für die Palissaden. Er hatte
Abb. 4. Verteilung des römischen Pioniergeräts
innerhalb Strafsburgs.
dafür besonders gut gearbeitetes und stereotyp
geformtes Gerät (vgl. die Abbildungen 5 — 7 von
in Strafsburg gefundenem römischem Pionierwerk-
zeug), Beile ähnlich Fig. 5, 1 und 2 findet man ab-
gebildet auf der Trajanssäule in der Fland von
Legionären. Um sie ohne sich und die Schneide
zu verletzen mitführen zu können, trug man sie
in besonderen Futteralen, deren Beschläge sich
mehrfach gefunden haben11). — Nun ist zu beob-
achten, dafs wie die Strafsburger Geschützkugeln
so auch unser Pionier Werkzeug in derKastell-
mitte nahezu ganz fehlt, dagegen längs des
Mauerringes häufig ist (man vgl. dazu das
Kärtchen Fig. 4, das die Verteilung der Fund-
stellen dieser Pioniergeräte veranschaulicht). Da-
bei sieht man diese Geräte sich wieder besonders
auf die Fundstelle in der Brandgasse ostwärts des
n) Vgl. Altertümer u. heidn. Vorzeit V Taf. 18 u. S. 95
und andere archäologische Zeitschriften und Werke.
Stadttores konzentrieren. Da scheint also ein
regelrechtes Magazin mit Kriegsbedarf ge-
legen zu haben.
Jedenfalls geht aus dem Gesagten mit Sicher-
heit hervor, dafs die Verteilung dieser Funde
keine blofs zufällige ist, sondern dafs sie in engem
Zusammenhang steht mit dem Fortifikationssy-
stem der römischen Festung.
Betrachten wir uns nun unter diesem Gesichts-
punkte auch die anderen Fundstellen der
römischen Geschützkugeln, so mufs zunächst
auffallen, dafs innerhalb des Kastells diese Kugeln
besonders längs der Südfront, d. h. längs der
Wasserfront auftraten. Da auf dieser Linie
nicht mehr gegraben worden ist als auf den
anderen Fronten, scheint auch hier nicht blofs
Zufall zu walten. Die gröfsere Zahl von Kugel-
fundstellen dürfte wohl mit einer stärkeren
Armierung der Südfront im Zusammenhang
stehen. In der Tat war das in römischer Zeit
die Feindesseite, denn dort führte der Weg
zum Rhein und hinüber zum badischen Ufer, wo
die Germanen safsen oder von woher sie in erster
Linie zu erwarten waren. Aufserdem waren dort
zwei Wasserläufe, die in den die Südfront be-
grenzenden Ill-Breuschflufs mündeten und ehedem
mit dem Rhein in Zusammenhang standen. Noch
im 16. Jahrhundert sind ja die Zürcher Schützen
anläfslich ihrer berühmten „Hirsebreifahrt“ auf
dem einen dieser beiden Wasserläufe, dem „Rhein-
giessen“, der heutigen Zürcherstrafse, in Strafs-
burg eingefahren. Da ist es nun wohl wieder
nicht blofs Zufall, dafs gerade diesen Ein-
fahrten gegenüber unsere Kugelfundstellen
Korduangasse und Kreuzgasse - Stephansplan
liegen. Sie werden annähernd die Punkte an-
deuten, an denen längs der Mauer Geschütze
aufgestellt waren zur Beherrschung der ein-
fahrenden Schiffe. Unmittelbarneben der Kor-
duangasse lag, wie ich eben nachgewiesen habe1-),
ein grofser runder römischer Eckturm von
rund 20 m Durchmesser, also eine förmliche
„Bastei“. Diese werden wir uns als den Stand-
ort jener römischen Geschütze zu denken haben.
Es liegen Spuren vor, dafs auch die anderen
Kastellecken mit gleich gewaltigen Turmbauten
geschützt waren13). Auf der Südfront liegt die
Fundstelle Stephansplan der südöstlichen Kastell-
ecke nahe, auf der Nordfront die Fundstelle im
Protestantischen Gymnasium dicht an der Nord-
westecke des römischen Kastells.
Auf diese Ecktürme aufgestellt beherrschten
diese Geschütze nicht nur die Nord- bzw. Süd-
12) Anzeiger f. elsäss. Altertumskunde 1915 Nr. 25/28.
13) Gleiche römische Eck-Rundtürme habe ich in-
zwischen auch in Zabern durch Ausgrabungen erschlossen.