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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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9. Heft
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Fachnotizen / Vereinsnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0284

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9. HEFT

FACHNOTIZEN

263

noch wiederholt. Überall tragen diese Krieger
unter dem Helm einen Ringelpanzerkragen, welcher
auf dem Rücken an die untere Harnischplatte an-
geschnallt ist (Abb. a, d, e), der Nacken bedurfte
also noch jenes besonderen Schutzes. Ganz eigen-
artig aber sind einige wenige Helme, die aus einer
runden oder in eine Spitze ausgezogenen Glocke
bestehen, an welche rechts und links je eine recht-
eckige, abgerundete Platte derart angenietet ist,
dafs Gesicht und Hinterkopf frei bleiben. In einem
Falle (Abb. e) ist das Gesicht durch ein Visier ge-
schützt; bei Abb. a, d, h, welche die Hinteransicht
zeigen, scheint das Gesicht wie bei f frei zu sein.
Der Ausschnitt am Hinterkopf hatte offenbar den
Zweck, beim Vorstrecken des Kopfes, wie es bei
einem Angriff zu Rofs mit eingelegter Lanze er-
forderlich war, ein Aufstofsen des unteren Helm-
randes auf den Nacken bezw. Rücken zu verhin-
dern. Den gleichen Zweck hatte ja auch das
Ausziehen des Helmrandes nach hinten zu einer
Spitze, wodurch die Schallern entstand. Ebenso
tragen noch heute die Seeleute beim Rudern,
welches ebenfalls ein weites Vorbeugen des Ober-
körpers erfordert, Lederhüte mit rückwärts nach
hinten ausgezogener Krempe, die sog. Südwester.
Die Schallern hatten aber den Nachteil, dafs bei
geradem Sitz des Trägers ein Stofs von hinten
unter den Helm den Hinterkopf treffen konnte.
Bei unseren Helmen nun erscheint der Hinterkopf
ebenso wie auf dem Turnierteppich von Valen-
cienne in doppelter Weise geschützt: einmal durch
den bereits zu Abb. b erwähnten geschobenen
Nackenstreifen (bei Abb. e ist er nicht erkennbar)
und zweitens durch eine Stielscheibe, deren Be-
deutung' ich bereits oben dargelegt habe. Bei
Abb. a sehen wir sogar noch eine zweite gleiche
Scheibe auf der linken Seite; für die rechte ver-
deckte Seite ist eine ebensolche dritte Scheibe
anzunehmen. Diese zwei Seitenscheiben sitzen
dort, wo sonst die Ohrenscheiben angebunden
sind, welche uns zuweilen bei spätmittelalterlichen
Helmen begegnen. Hier können es aber keine
Ohrenscheiben sein, da die Ohren bereits durch
die steife abfallende Krempe geschützt sind, aufser-
dem sehen wir deutlich die Niete. Man mufs da-
her ebenfalls Stielscheiben annehmen, welche die
auf die Seitenwände des Helms niedergehenden
Schwerthiebe auffangen und am Abgleiten auf
das weniger widerstandsfähige Panzergeflecht des
Halsschutzes verhindern sollten. Dagegen sind
die zwei Scheiben ohne Nieten auf dem Rücken
von Abb. e als hintere Achselhöhlenscheiben an-
zusprechen, wie sie auch vorn und ebenso an Ell-
bogen und Knieen Vorkommen.
Schliefslich möchte ich auf einen Helm auf-
merksam machen, der eine Stielscheibe vorn über

der Nase hat (Abb. h). Diese kann doch wohl auch
nur den Zweck gehabt haben, das Gesicht und ins-
besondere die Nase gegen seitliche Schwerthiebe
zu schützen. (Jahrb. der kunsthistor. Samml. des
allerh. Kaiserhauses XX. Wien 1899 S. 195 ff. Die
Chronik von Jerusalem. Eine für Philipp den Guten
(um 1450) verfertigte Miniaturhandschr. Taf. XXVI
oben.)
Ebenfalls eine Stirnscheibe finden wir bei Paul
Durrien: Les antiquites Judaiques et le peintre
Jean Foucquet, Paris 1908, PI. XVII nach dem
Manuscr. francais 21013 der Pariser National-
bibliothek; ebenda Ohrscheiben an einer italieni-
schen Beckenhaube, die schon die ganzen Wangen
deckt, so dafs die Scheiben eben nur den Zweck
haben können, Hiebe von den Schultern abzu-
halten. Das gleiche gilt für zwei Beckenhauben
bei Durrien PI. XIII und XIV nach dem Manuscr.
247, während eine weitere Beckenhaube auf PI.
XIII eine Stielscheibe hinten zeigt.
Die Croniques et conquestes de Charlemaine,
reproduction des 105 miniatures de Jean le Taver-
nier, d’Audenarde (1460), par J. van den Gheyn,
Bruxelles 1909, bringen ebenfalls einige Helme
mit Stielscheiben: PI. 7 sehen wir z. B. einen be-
reits den ganzen Kopf einhüllenden Turnier-
Spangenhelm noch mit Ohrscheiben ausgestattet.
PI. 35 und 67 zeigen Beckenhauben mit hinteren
Stielscheiben (z. T. zugleich mit Ohrscheiben), eine
Haube hat daneben den geschobenen Nacken-
schutz. Letzteren, jedoch ohne Stielscheiben, be-
sitzt auch ein Helm PI. 35 mit viereckigen Ohr-
scheiben. Bernhard Engel.
Orgelgeschütz im Kirchenkastell zu Tartlau
in Siebenbürgen. Eines der interessantesten und
beachtenswertesten Merkmale, die dem eben be-
freiten Siebenbürgen einen energischen Stempel
aufdrücken, ist das nahezu jede Ortschaft krönende
und diese weit überragende Kirchenkastell — die
befestigte Kirche.
Diese Verteidigungsbauten im weitesten Sinne
mit ihrem befestigten, breiten Kirchturm, den stark
und wuchtig hingesetzten Torzugängen, die einen
fast barocken Eindruck machen, den hohen Mauern
und flankierenden Türmen, die mit zahlreichen
Schiefsscharten und Gufslöchern versehen sind,
bilden das Wahrzeichen und Zentrum der Sachsen-
dörfer, die behaglich und echt deutsch aus den
Obstbäumen und Maisfeldern hervorragen.
DieBefestigungen umgeben dieKirchein meist
kreis- oder ellipsenartiger, doch auch manchmal
rechteckiger Form. An die Ringmauern lehnen sich
ein- bis zweistöckige Bauten an, die in Räume, sog.
Speckkammern, von denen jeder seine Stiege hat,
 
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