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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

DOI Heft:
10./11. Heft
DOI Artikel:
Schwietering, Julius: Torques aureus
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0329

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308

SCHWIETERING, TORQUES AUREUS

VII. BAND

dieMitte des io. Jahrhunderts1) geschriebenen Bild-
handschrift der Berner Stadtbibliothek — Ms.
Nr. 264 — eine getreue Kopie dieser verloren
geg'ang-enen St. Galler Prudentiushandschrift er-
halten ist, dürfen wir aus dem Stilcharakter der
sich deutlich als Kopie erweisenden Berner Hand-
schrift sowie aus der Art der ums Jahr 880 in
den St. Galler Bibliothekskatalog erfolgten Ein-
tragung der verloren gegangenen Handschrift mit
Sicherheit schliefsen2). An der Hand dieser sorg-
fältigen Kopie sind wir daher in der Lage, die
Einwirkungen der Psychomachieillustrationen auf
Ekkehard nachzuprüfen. Es wäre eine verlockende
Aufgabe zu zeigen, wie sich der Dichter zu diesen
Kampfbildern im
einzelnen verhält.
So scheint ihm
bei der Schilderung
des Kampfes mit
Gervvit (¥,914—940),
der hoch zu Rofs
mit der anceps bi-
pennis nach dem
ihm zu Fufs ent-
gegentretenden
und später zur
Lanze greifenden
Walther haut3), die
Superbia vorge-
schwebt zu haben,
wie sie auf Bildern
der Berner Hand-
schrift gegen die
mit Stangenwaffen
ausgerüsteten
Fufssoldaten mit
der Hammer-Breit-
axt anreitet (siehe
Abb. 1; vgl. Stet-
tiner a. a. O. Taf.
148 —152), obwohl sie Prudenz selbst unbewaffnet
liefs. Denn Ekkehard, dessen Zeit die Axt als
heimische Waffe nicht mehr kannte, konnte sehr
wohl in dem weit vorragenden, zur geschweiften
Schlagfläche hin allmählich breiter werdenden
Hammeransatz an der Rückseite des Axthelms
ein zweites geschärftes Beilblatt erblicken, falls
wir bei der ma. Synonymität von bipennis und

1) A. Mertön, Die Buchmalerei in St. Gallen vom 9.
bis zum n. Jahrhundert, 1912, S. 61.
2) R. Stettiner, Die illustrierten Prudentiushand-
schriften, 1895 (Tafelband 1905), S. 78; 94H; 116.
3) Dafs in V, 918 ancipitem uibrauit. . bipennem: vibrare
nicht „schleudern“ heifst, hatW. Meyer (Münchener Sitzungs-
berichte, 1873, S. 393 f.) unwiderlegbar gezeigt.

securis4) das Attribut anceps wirklich mit „zwei-
schneidig“ übersetzen und nicht auf den doppel-
seitigen, halb beil-, halb hammerartigen Charakter
der Hammeraxt deuten dürfen. Denn die Fran-
ken, denen Ekkehard ausdrücklich diese Waffe
zuschreibt — V, 919 istius ergo modi Francis tune
arma fuere —, haben weder in der Merovinger-,
noch Karolingerzeit je zweischneidige Doppeläxte
geführt5), wohl aber die hier abgebildete Breit-
axt mit Hammeransatz, mit der nicht geworfen,
sondern gehauen wurde. Liefs sich aber der
Dichter, als er bei der Ausführung der Einzel-
kampfszenen mit grofster Kunst zu variieren
strebte, wirklich von dem Superbiabilde anregen,
so suchte er nach-
träglich die der
Gegenwart fremde
Waffe seinem Leser
historisierend zu
motivieren.
Auch in unserem
Falle scheint die
dichterische Phan-
tasie von Pruden-
tiusillustrationen
beeinflufstundzwar
zunächst von dem
Bilde zu Psych. V,
30—35 (s. Abb. 2),
das den Ausgang
des Kampfes zwi-
schen Fides und
Cultura deorum
schildert. Dem
Text der Dichtung
entsprechend hat
Fides ihren Fufs
dem zu Boden ge-
streckten Laster
auf den Kopf ge-
setzt. Nach der bildlichen Darstellung führt nun
aber nicht dieser Fufstritt den Tod herbei, son-
dern ein um den Hals gelegter Strick, der gerade
zugezogen werden soll, von dem in der Dichtung
selbst mit keinem Wort die Rede ist. Stettiner
(a. a. O. S. 241) hat bereits gezeigt, dafs es sich
um ein Mifsverständnis des Illustrators handelt,
der in seiner Vorlage die an den vittae6) ihrer
Gegnerin zerrende Fides sah, wie wir sie in der

4) Siehe z. B. A. Gefsler, Die Trutzwaffen der Karo-
lingerzeit, 1908, S. 35; Hjalmar Falk, Altnordische Waf-
fenkunde, 1914, S. in.
s) Siehe aufser Gefsler a. a.O. auch Lindenschmit,
Handbuch, 1889, S. 197.
6) Von der Cultura deorum heifst es V, 30: phalerataque
tevipora vittis.


Abb. 2. Erdrosselung der Cultura deorum.
Nach Stettiner, Die illustrierten Prudentiushandschriften. Taf. 136.
 
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