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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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10./11. Heft
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Lauffer, Otto: Die Nahkampfmittel des 18. Jahrhunderts als Vorläufer heutiger Kampfesweise
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0341

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320

DIE NAHKAMPFMITTEL DES 18. JAHRHUNDERTS

VII. BAND

Fug dem höllischen Feuer verglichen, dann ein
einiger Funk kann den Menschen um das Leben
bringen.“
Brandkugeln, die mit drei bis fünf eisernen
Flaken oder Ankern versehen waren, damit sie
an dem Ort, wo sie hingeworfen wurden, hängen
blieben, wurden als Klebkugeln oder Ankerkugeln
bezeichnet.
Von besonderem Interesse für uns ist aber
ein Vorläufer des heutigen Flammenwerfers, über
den Jacobsson mit folgenden Worten berichtet:
„Man hat im Jahre 1759 in Havre eine Probe ge-
macht, welche dem griechischen Feuer sehr ähnlich
war. Eine ölichte und flüssige Materie ward mit
einem Druckwerk, wie bei einer Spritze, durch
Röhren getrieben und entzündete sich beim
Fierausfahren aus denselben an einer brennenden
Lunte, so vorn an der Mündung hing. Die Ma-
terie fuhr zuerst aus dem Rohre in der Gestalt
eines Dampfschweifes heraus, die Flamme ent-
wickelte sich aber immer mehr und mehr, und es
brannte dieses Feuer mit der gröfsten Heftigkeit.
Eine Schaluppe, worauf man dieses Feuer warf,
wurde bis in den Grund verbrannt.“ Erheiternd
wirkt auf uns dann freilich wieder der Schlufssatz,
in dem berichtet wird, dafs man sich zum Löschen,
wie bei dem griechischen Feuer, einer Feuchtigkeit
bedient habe, „so aus Essig und Wein bestand“.
Wie stark die Wirkung dieses Flammen-
werfers tatsächlich gewesen ist, und vor allem,
woran seine weitere Ausnutzung und Verbreitung
scheiterte, scheint sich heute nicht mehr beurteilen
zu lassen. Der Wirkung des modernen Flammen-
werfers war sie sicher nicht zu vergleichen. Noch
weniger aber lassen die Vorläufer unserer Gas-
flaschen den Vergleich mit heutigen Verhältnissen
zu. Wie harmlos mutet es uns an, wenn wir von
den „Gestankkugeln“ des 18. Jahrhunderts erfah-
ren: „Dergleichen werden bei Stürmen der Fe-
stungen unter die Feinde geworfen; sie werden
verfertigt: wenn man Schwefel 10 Teile und Harz
1 Teil zerläfst und eine Quantität Teufelsdreck,
Colophonium und Horn von Pferdehufen dazu
einträgt und davon Kränze macht; es kann vor
Gestank fast kein Mensch stehen.“ Und schon
bei diesen harmlosen Mitteln sagt Jacobsson, dafs
sie „eben so wenig unter den christlichen Armeen,
als die vor diesem üblichen vergifteten Pfeile ge-
brauchet werden“.
So weit der Weg ist von der Ablehnung der
stinkenden Kugeln bis zu der allgemeinen Ver-
wendung der modernen Gaskampfmittel, so weit

haben sich im Laufe von nicht viel mehr als einem
Jahrhundert die Anschauungen über die Erforder-
nisse der Kriegführung geändert. Je mehr die
moderne Technik die Kampfmittel des Gegners
vermehrt und verfeinert hat, um so schärfer und
rücksichtsloser müssen die Gegenmittel sein, die
dagegen aufgewandt werden. Wo es sich um das
Leben oder den Untergang des eigenen Volkes
handelt, da wird jede menschliche Rücksichtnahme
auf den Gegner zur Torheit. Den Gegner zu
vernichten, das ist das einzig folgerichtige Ziel
jeder starken Kriegführung, und diesem Ziel
mufs jedes Kampfmittel recht und jede andere
Rücksicht untergeordnet sein.
So sehr wir aber auch den Abstand der Kampf-
mittel des 18. Jahrhunderts von unserem eigenen
Waffen wesen empfinden, wir sehen doch überall
die gleichen Gedanken an der Arbeit. Das gilt
von den Nahkampfmitteln, und das ist auf allen
Gebieten des Waffenwesens ebenso. So hat sich
jene Zeit schon mit dem Gedanken des Untersee-
bootes beschäftigt, und ein holländischer Ingenieur
mit Namen Drebbel hat damals schon ein „Taucher-
schiff, ein Schiff, so unter Wasser geht“, kon-
struiert. So befafste sich Meerwein, wenn auch
unter dem ausgesprochenen Mifstrauen seiner Zeit-
genossen, mit dem Bau einer Flugmaschine mit
schwingenden Flügeln. Und so mufste auch Ja-
cobsson zugeben,dafs das Luftschiff „eineMaschine,
worauf man vermittelst gewisser befestigter grofser
und luftleerer Kugeln in der freien und obern
Luft von einem Ort zum andern fahren kann,“
wenigstens in der Theorie ganz richtig sei, wenn
er sie auch in der Ausübung für unmöglich erklärte.
Je mehr wir diese Vergleiche fortsetzen, je
mehr wir hier wie dort die gleichen Absichten,
die gleichen schöpferischen Gedanken wiederfinden,
und je mehr wir erkennen, dafs der Unterschied
zwischen damals und jetzt im wesentlichen auf
dem Abstande zwischen den jeweils verfügbaren
technischen Mitteln beruht, um so mehr werden
wir bei den Ergebnissen heutiger Kriegführung
auch der Verdienste gedenken, die sich die deutsche
Technik nach dieser Richtung erworben hat. Und
es wird uns klar werden, dafs neben der Ent-
schlufskraft und der Zielsicherheit der Heeres-
führung und neben der Ausbildung und dem Geist
der Truppe es mit in erster Linie die Technik ist,
auf der die grofsen Entscheidungen des Krieges
beruhen.
(Mit freundlicher Erlaubnis des Verfassers
nach den „Hamb. Nachrichten“).
 
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