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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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12. Heft
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Forrer, Robert: Gotische und exotische Stangenbüchsen in Drehgabeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0358

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12. HEFT R. FORRER, GOTISCHE UND EXOTISCHE STANGENBÜCHSEN IN DREIGABELN

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biet mag allerdings nicht wenig der besonders
rege Verkehr beigetragen haben, den deutsche
Ritter und deutsche Waffenschmiede mit Italien
unterhielten, und ferner die Beeinflussung durch
Frankreich und Flandern, von wo über Land und
See früh und oft italienische Waffen nach Deutsch-
land Eingang fanden. Insbesondere gilt das für die
Schiffsgeschütze (meist mit Flinter-
laderkammer), wie sie wiederholt in
holländischen und norddeutschen
Häfen ausgebaggert worden sind.
Da diese Drehgabelgeschütze
in der Hauptsache der ersten und
ganz besonders auch der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts ange-
hören,kommen als Verbreiter dieser
Geschütztypen vor allem portu-
giesische Schffie in Betracht. Das
gibt dann weiter die Erklärung für
zwei Erscheinungen, die gerade
Geschütze der hier besprochenen Gattung berühren:
Erstens erklärt sich damit das öftere Vor-
kommen von Drehgabelgeschützen im äufsersten
Osten, ganz besonders auf Java, Sumatra etc-
Von dort stammen u. a. die grofsen Hinterlader-
rohre (Kammerschlangen) des Berliner Zeug-
hauses; aber auch von Drehgabel-Vorderladern
in der Art des Danziger
Rohres (Essenwein Taf.
AXb) und von lclein-
kalibrigen Drehgabel-
büchsen in der Art meiner
beiden Rohre Abb. 1 u. 2
weifsich, dafs solche wie-
derholt auf Java und Su-
matra beobachtet oder
gefunden worden sind.
Von Sumatra stammt
auch nach Angabe des
Verkäufers das hier ab-
gebildete ca. V2 m lange
Drehgabelrohr Abb. 3,
das mir vor Jahren an-
geboten, aber von mir
nicht erworben wurde.
Es sind Rohre europäi-
scher Arbeit des 15. Jahr-
hunderts, welche als Be-
stückung portugiesischer Indienfahrer nach dem
Orient gingen und dort infolge Strandung oder
Piraterie neuen Wohnsitz fanden, aber auch Fyn
und wieder im Laufe des 16. Jahrhunderts dorthin
verhandelt wurden, nachdem sie in Europa ver-
altet und ausrangiert worden waren.
Und zweitens erklärt sich durch eben jene
vermittelnde lätigkeit der portugiesischen See-

fahrer das Vorkommen von Geschützen in Indien
und Indochina, deren Typus ersichtlich unsern
europäischen gotischen Drehgabelrohren nach-
gebildet worden ist, deren Fabrikationsort
aber in Indien bezw. Hinterindien zu suchen
ist. Ein Beispiel aus meiner Sammlung bietet
hier Abb. 4, 5, ein nur 663/4 cm langes Bronzerohr

mit 54 V2 cm Seelenlänge, 2'/4 cm Kaliber und
kurzer Tülle zur Aufnahme des Stangenschaftes,
g'anz nach Art der europäischen Stangenbüchsen
und offensichtlich diesen nachgebildet. Auch die
Drehgabelvorrichtung mit den Schildzapfen und
dem senkrechten Zapfen nach Art der oben be-
handelten Büchsen fehlt nicht. Ebenso ent-

sprechen die äufseren und inneren Mafsverhältnisse
ganz den europäischen Rohren jener Zeit.
Als unmittelbares Vorbild kommt aber nicht
ein schmiedeeisernes Rohr in Betracht, sondern
ein europäisches Rohr in Bronzegufs — ohne
dafs ich allerdings gerade ein solches im Original
oder in Abbildung zur Hand hätte. Und zwar
mufs dieser Prototyp gegenüber den behandelten


Abb. 3. Schmiedeeiserne Stangenbüchse in Drehgabel (ca. J/5 n. Gr.)
Berlin, Kgl. Zeughaus. (Z. f. h. W. IV, 178.)

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Abb. 4. Bronzene Stangenbüchse in Drehgabel, aus Ostindien, von 2,3 cm Kaliber
P/io n. Gr.). Sammlung Forrer.
a. von oben gesehen, mit Andeutung der Seele. — b. von der Seite gesehen. — c. von vorn. —
d. Querschnitt durch die Mitte der Drehgabel. — e. Zündloch und Korn nebst Vorrichtung zum
Aufstecken des Zündlochdeckels.
 
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