12, HEFT
FACHNOTIZEN
345
Es ergibt sich nun die Frage: Welcher Vor-
gang wird auf den Bildern wiedergegeben und mit
was für einem Instrument haben wir es hier zu tun?
Der Codex ist eine altfranzösische Bilder-
bibel (Bible historiee) und stammt aus der Mitte
des XIII. Jahrhunderts. Dr. Rudolf Beer1) sagt
darüber: Auf jedem der 131 Blätter der Pergament-
handschrift befinden sich columnenartig zwei
Reihen von je vier goldgrundierten Medaillons,
und zwar alternierend je eine Darstellung aus
der biblischen Geschichte und unmittelbar darauf
eine bildlich vorgeführte allegorische Auslegung.
Der erklärende Text ist auf die schmalen Leisten
verwiesen, die sich links und rechts von den
Bildern befinden. — Nach Conrad Flam soll der
Die Szene von Abb. 1 und 2 stellt offenbar
die Verspottung Christi dar. Der Text bietet
leider keine Erläuterung zu der Handlung und
es fehlt vor allem jeder Hinweis auf das eigen-
artige, hierbei verwendete Instrument.
Man könnte nun an folgende Gegen-
stände denken, die das abgebildete Rohr
zur Darstellung bringen soll:
Nach der ersten Annahme wäre es als
Blasrohr zu erklären. Diese Waffe kommt
in Frankreich im Mittelalter unter dem Namen
sarbatane oder sarbatenne vor. Gegen diese
Auslegung spricht jedoch, dafs das hintere
Ende des Instruments auf beiden Bildern
recht weit vom Munde des die Waffe Hand-
habenden entfernt ist.
Zweitens liefse sich die Vorrichtung als
Spritze deuten, durch die Wasser, vielleicht
auch Lauge geschleudert wird. Nur bleibt
es hierbei zweifelhaft, ob Spritzen von der hier
abgebildeten Form und Gröfse im XIII. Jahr-
hundert verwendet wurden und ob die Benützung
eines solchen Instruments in den Rahmen der
hier dargestellten Szene pafst,
Schliefslich könnte es noch als Waffe be-
trachtet werden, und zwar als eine Feuerlanze
genannte Vorrichtung, aus der ein Brandsatz ge-
schleudert wird. Fraglich bleibt hierbei die Art
der Zündung und sehr rätselhaft das Erscheinen
dieser Waffe in einer abendländischen Handschrift
des XIII. Jahrhunderts. FI. Th. Horwitz.
Abb. 1.
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Abb. 2.
in der Handschrift verwendete Dialekt der öst-
lichen Champagne angehören 2).
’) Rudolf Beer, Les Principaux Manuscrits ä Pein-
tures de la Bibliotheque Imperiale de Vienne. 1er article,
Bulletin de la Socidt£ Francaise de Reproductions de
Manuscrits a Peintures. 2* Ann6e No 1. Paris 1912.
*) Dissertation von Conrad Flam. Lautlehre des franzö-
sischen Textes in codex Vindobonensis 2554. Halle a. S. 1909.
Zum Plan des „Urkundenbuches der Waffen-
geschichte“. Da Generalleutnant z. D. Bernhard
Rathgen an dieser Stelle (Bd. 7, S. 305) im An-
schlufs an seine Anregung zu einem ,,Urkunden-
buch der Waffengeschichte“ mein Buch über
die Technik der Vergangenheit als Beispiel
anführte, setzte ich mich mit ihm brieflich in
Verbindung.
Es regt sich nämlich nicht nur unter den
Waffenhistorikern, um die in Urkunden und
Museen versteckten Werte zu sammeln. In
Frankfurt a. M. ist ein Institut geplant, das den
Erfindern praktisch helfen, und ihnen an der
Hand eines riesigen Zettelkastens über ähnliche
oder gleiche Erfindungen Aufschlufs geben
oder Literatur, Zeichnungen oder Modelle nach-
weisen soll. Und in Berlin besteht der Plan, im
Anschlufs an den deutschen Werkbund einen Nach-
weis über die vielen vergessenen oder versteck-
ten Handfertigkeiten der alten Meister in Form
einer Zettelsammlung zu führen. Die dem Deut-
schen Werkbund angeschlossenen Fabriken und
Werkstätten können dann mühelos jede Auskunft
über alte Rezepte, vor allem aber den Nachweis
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Es ergibt sich nun die Frage: Welcher Vor-
gang wird auf den Bildern wiedergegeben und mit
was für einem Instrument haben wir es hier zu tun?
Der Codex ist eine altfranzösische Bilder-
bibel (Bible historiee) und stammt aus der Mitte
des XIII. Jahrhunderts. Dr. Rudolf Beer1) sagt
darüber: Auf jedem der 131 Blätter der Pergament-
handschrift befinden sich columnenartig zwei
Reihen von je vier goldgrundierten Medaillons,
und zwar alternierend je eine Darstellung aus
der biblischen Geschichte und unmittelbar darauf
eine bildlich vorgeführte allegorische Auslegung.
Der erklärende Text ist auf die schmalen Leisten
verwiesen, die sich links und rechts von den
Bildern befinden. — Nach Conrad Flam soll der
Die Szene von Abb. 1 und 2 stellt offenbar
die Verspottung Christi dar. Der Text bietet
leider keine Erläuterung zu der Handlung und
es fehlt vor allem jeder Hinweis auf das eigen-
artige, hierbei verwendete Instrument.
Man könnte nun an folgende Gegen-
stände denken, die das abgebildete Rohr
zur Darstellung bringen soll:
Nach der ersten Annahme wäre es als
Blasrohr zu erklären. Diese Waffe kommt
in Frankreich im Mittelalter unter dem Namen
sarbatane oder sarbatenne vor. Gegen diese
Auslegung spricht jedoch, dafs das hintere
Ende des Instruments auf beiden Bildern
recht weit vom Munde des die Waffe Hand-
habenden entfernt ist.
Zweitens liefse sich die Vorrichtung als
Spritze deuten, durch die Wasser, vielleicht
auch Lauge geschleudert wird. Nur bleibt
es hierbei zweifelhaft, ob Spritzen von der hier
abgebildeten Form und Gröfse im XIII. Jahr-
hundert verwendet wurden und ob die Benützung
eines solchen Instruments in den Rahmen der
hier dargestellten Szene pafst,
Schliefslich könnte es noch als Waffe be-
trachtet werden, und zwar als eine Feuerlanze
genannte Vorrichtung, aus der ein Brandsatz ge-
schleudert wird. Fraglich bleibt hierbei die Art
der Zündung und sehr rätselhaft das Erscheinen
dieser Waffe in einer abendländischen Handschrift
des XIII. Jahrhunderts. FI. Th. Horwitz.
Abb. 1.
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Abb. 2.
in der Handschrift verwendete Dialekt der öst-
lichen Champagne angehören 2).
’) Rudolf Beer, Les Principaux Manuscrits ä Pein-
tures de la Bibliotheque Imperiale de Vienne. 1er article,
Bulletin de la Socidt£ Francaise de Reproductions de
Manuscrits a Peintures. 2* Ann6e No 1. Paris 1912.
*) Dissertation von Conrad Flam. Lautlehre des franzö-
sischen Textes in codex Vindobonensis 2554. Halle a. S. 1909.
Zum Plan des „Urkundenbuches der Waffen-
geschichte“. Da Generalleutnant z. D. Bernhard
Rathgen an dieser Stelle (Bd. 7, S. 305) im An-
schlufs an seine Anregung zu einem ,,Urkunden-
buch der Waffengeschichte“ mein Buch über
die Technik der Vergangenheit als Beispiel
anführte, setzte ich mich mit ihm brieflich in
Verbindung.
Es regt sich nämlich nicht nur unter den
Waffenhistorikern, um die in Urkunden und
Museen versteckten Werte zu sammeln. In
Frankfurt a. M. ist ein Institut geplant, das den
Erfindern praktisch helfen, und ihnen an der
Hand eines riesigen Zettelkastens über ähnliche
oder gleiche Erfindungen Aufschlufs geben
oder Literatur, Zeichnungen oder Modelle nach-
weisen soll. Und in Berlin besteht der Plan, im
Anschlufs an den deutschen Werkbund einen Nach-
weis über die vielen vergessenen oder versteck-
ten Handfertigkeiten der alten Meister in Form
einer Zettelsammlung zu führen. Die dem Deut-
schen Werkbund angeschlossenen Fabriken und
Werkstätten können dann mühelos jede Auskunft
über alte Rezepte, vor allem aber den Nachweis
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