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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1914)
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Unsre Bilder und Noten
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An unsre Leser
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0286

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in der Tat, der lange, ruhig atmende Satz, den wir hier vor uns haben,
nnt seiner vollendeten Friedensschönheit, seiner blühenden Harrnonie, seiner
nie versagenden Lebendigkeit, welche die des Atems und der LZuelle zu-
gleich ist — er hat etwas Abschließendes, es ist kaum ein Bedürfnis
nach Weiterem denkbar, wenn man ihn gehört hat. Er ist der glück«
liche Friede nach dem Sturm des ersten Satzes, und damit ist der not»
wendige seelische Gehalt der Symphonie voll gegeben. Wir bringen dieses
Stück besonders gern in der Weihnachtzeit, da es so frei von Erden-
schwere und in seiner „himmlischen Länge" so beglückend ist wie weniges
was wir hätten veröffentlichen können.

An unsre Leser

^^m achtundzwanzigsten Iahrgange schreiten wir, und durch all diese
^ C Zeit habe ich in den Weihnachtsheften persönlich zu unsern Freunden
E^gesprochen. Von Versuchen und Wünschen in unserm einst so kleinen
und so schwachen Kreis, von unsern tzoffnungen und Fehlschlägen, davon,
wie da und dort ein Reis am Baume grün ward, als wir eine Gemeinde
geworden waren, und dann, als sich eine Partei der Parteilosen zu bil-
den begann, von den Kämpfen und den Erfolgen. Ich habe viel zu
danken gehabt an dieser Stelle. tzabe auch heute zu danken für die
Treue, mit der man zum Kunstwart hält, für die Grüße, die mir jeder
Tag aus Vater- und Feindesland, von Arbeitzimmer, Schützengraben
und Schiffsbord bringt. Aber sollte man alten Brauch nicht ehren, so
dürfte ich in diesem Iahr von dem, was nur den Kunstwart und mich
für unser Teil angeht, hier überhaupt nicht sprechen.

Es kommt ja eigentlich jetzt gar nicht in Betracht, wie's rrns persönlich
geht, nur das ist die Frage, ob wir der Allgemeinheit nützen. Die braucht
jetzt unsre Köpfe wie unsre tzände, und wie draußen so daheim. Alles ist
jetzt Kriegsarbeit, alles. Aber das muß unsern Volksgenossen noch
ganz anders bewußt werden, was das heißt: daß zur Kriegsarbeit die
Sicherung aller Werte gehört. tzeere, Schiffe und Festungen sind
zum Schutze des Vaterlandes da. Aber das ganze Vaterland können
ja unsre feldgrauen und meerblauen Iungen allein nicht schützen. In
jeder deutschen Seele grünt ein SLück davon, über das mit tzeimat-
erinnerungen der Wind singt, mit Gottesstimmen die Glocken gehn und
mit Lichtgedanken die Sonne scheint, in jedem von uns quillt der Born
aus der Tiefe, unser Volkstum. Der muß rein bleiben. Wir dürfen
uns nicht anstecken lassen von unsern Feinden her. Wir müssen bei
Friedensschluß nicht nur als die stärksten dastehn, auch als die besten.
Daran mitzuarbeiten ist auch Kriegsarbeit, und unentbehrliche.

Wach dem Frieden werden wir zu tun haben, daß die zehnfachen
Kräfte gegen heute knapp ausreichen. Wenn die Mitarbeiter, zumal die
Talente, nicht wie Pilze wachsen, so wird eine Menge liegen bleiben
müssen, zu dessen Vollbringen doch die gute Stunde rufen wird. Wie
dieser Krieg riesenhaft über alle früheren war, so werden die Aufgaben
nach Friedensschluß riesenhaft sein gegenüber denen vor vierzig Iahren.
Wir dürfen hoffen, daß sie immerhin nicht nur ein zahlreicheres, sondern auch
ein besser gereiftes Geschlecht vorfinden werden, als nach dem siebziger
Krieg. Damals erlagen wir der Gründergesellschaft, heut kennen wir
diese Gefahr und sind zudem aus den Manchestergedanken heraus. Auch
wird sich bei den Friedensaufgaben wie im tzeer der Vorteil der deutschen

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