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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1914)
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Avenarius, Ferdinand: Unsre Hausbilderei
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0256

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ich zu graphischen Blättern. Die Buntheit, die besonders bei dem Zusam»
menstellen italienischer und spanischer Werke der Hochrenaissance und des
Barocks mit nordischen fast unvermeidlich ist, vermied ich, indem ich mich
auf deutsche Kunst beschränkte. Hinsichtlich der Künstlerpersönlichkeiten aber
gebot die Aufgabe: nur solche heranzuziehen, denen es um den Ausdruck
eines religiösen Gefühles ging. Darum: in der Sprache der Kunst
zu sagen, was die Seele beim Nacherleben eines Heilandserlebnisses in
ihren Tiefen erregte. Aus allen diesen Beschränkungen ergab sich keine
Schwächung. Vielmehr: die Ausschaltung von allem, was in diesem Zu-
sammenhange hätte stören können, ergab eine Verdichtung und wech«
selseitige Förderung des Starken. Solche Erkenntnis war der eine
große Lohn meiner Arbeit: die Sammlung hat eine erquickende Kraft.
Mein zweiter Lohn war der Iubel darüber, wie tief, reich, kraftvoll sich
unser Deutschtum erweist, wenn man es aus seinen religiösen Schöpfungen
aufsteigen fühlt. In unsrer religiösen Kunst ist ein Gemeinsames vom
Mittelalter über Dürer und Rembrandt her bis in die Gegenwart zu
Richter, zu Ahde, zu Gebhardt und Steinhausen, ein tzereingewinnen und
Hereingestalten des Südens in den Norden, ich wage zu sagen, ein
Einerleben der heiligen Geschichten in die tzeimat und in das Ich. Wer
dessen genießt, dem rückt es auch das Heilandleben selbst in die unmittel-
bare Gegenwart. Möge dieses Innerliche unsrer Kunst in diesen ernsten
und großen Tagen aus unserem „Heilandleben" wirken!

Von den weiteren Bilderkreisen der „tzausbilderei" später.

Ietzt, da unsre Feinde reden, wir Deutschen verbluteten an den Folgen
unsrer gierigen Roheit, zerschmettert vom Zorne der echten Kultur, gerade
jetzt beginne im Volke der „Hunnen^ und „Barbaren" dieses Rnter-
nehmen seinen Schritt, neben das kein zweites Volk der Welt aus eige-
ner Kunst Gleichwertiges stellen könnte. A

Lose Blätter

Phoeas

Erzählung von Per Hallström

^^.hocas wohnte ein gutes Stück vor den Mauern Sinopes in einem
H Garten, den er vor langer Zeit geerbt hatte und der gerade groß genug
war, daß er ihn allein bestellen konnte. Der füllte seinen ganzen
Tag aus, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.

Da waren tausend Dinge zu tun: Obstbäume zu propfen, zu umgittern
und zu stützen, Weinranken zu schneiden und mit rotbraunen Weidenzweigen
aufzubinden, so daß sie die beste Sonnenwärme hatten; Gemüse zu säen
und zu pflanzen, zu gießen und zu beschatten; Schnecken abzulesen und
kleine Reisigfeuer zu entzünden, wenn der Frost im Frühling die Blüten
bedrohte. Ieden Abend, wenn er seine Arbeit beendet hatte, war sein
Antlitz lächelnd und heiter, und sein Rücken und seine Glieder schmerzten
vor Müdigkeit.

Auch schlief er sehr gut, und all die Veränderung, die sein Leben ihm
brachte, war die der Iahreszeiten; aber die glitten so still und unmerklich
ineinander, daß es ihm selten einfiel, sie zu Iahren zusammenzufügen
und nachzudenken, wie viele er durchlebt hatte, und wie viele ihm wohl
noch beschieden sein mochten.

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